Donnerstag, 2. Mai 2013

Tag 2, 01.05.2013, von Piverone nach Santhia, 26km



Der Rotwein am Abend hat es in sich, wir fallen dann auch gegen 21.00 Uhr ins Bett  und versinken zufrieden  in einen Tiefschlaf.  Es ist wunderbar ruhig und auch die drei Berner Sennenhunde des Nachbarn geben Ruhe.
Gegen 4.00 Uhr wachen wir auf, da wieder ein Platzregen runtergeht. Die Vorhänge habe ich zugezogen, um das Elend da draußen nicht zu sehen.
In dem BnB könnte man es auch ein paar Tage aushalten aber wir sind zu um 7.00 Uhr mit Roberta zum Frühstück verabredet.   Sie hat aufgetischt wie in einem 5* Hotel und zwar so viel, dass gut und gerne zehn Pilger satt geworden wären.
Filipo und sie haben das alte Gutshaus selbst umgebaut und für sich und ihre vier Töchter sehr liebevoll hergerichtet. Drei Gästezimmer haben sie.
Gegen 8.00 verabschieden wir uns. Es ist zum Glück trocken und wir nehmen erst die Wegweiser ernst und folgen der Ausschilderung bergauf in die Weinberge zu einer zerfallen Kapelle  um dann wieder hinabzusteigen.  Es ist zwar schön, dass hier eine Beschilderung aufgestellt wurde, aber manchmal möchte man meinen, dass diese extra an Sehenswürdigkeiten, Aussichtspunkten und zerfallenen historischen Gemäuern vorbeiführen.
Auch werde ich den Gedanken nicht los, dass man mit der Beschilderung eher die Autofahrer vor den Pilgern als umgedreht schützen will.
Heute ist Feiertag, viele sind im Urlaub und der Verkehr auf der SS228, meint Roberta, wird sich in Grenzen halten außerdem gäbe es einen breiten Seitenstreifen und genauso ist es auch.
Wir nehmen also die SS228 unter die Füße und erreichen schneller als gedacht Viverone, steigen zum See hinab und machen kurz Pause.  Die Badesaison hat noch nicht begonnen , so ist es recht ruhig am See, ein Einheimischer bietet uns sein BnB an, es ist bitteschön erst  10.00 Uhr, Santhia ist unser heutiges Ziel und er nickt verständnisvoll.
Wir lassen Roppolo links liegen und nehmen die SS143 nach Cavaglia. Kurz hinter Roppolo wirbt ein überdimensionales Pilgermännchen für die Via Francigena.
Der Autoverkehr hält sich wirklich in Grenzen, einige Fahrer hupen und winken. Nun wissen wir aber nicht, ob sie uns damit für verrückt erklären oder grüßen wollen. Wir interpretieren diese Geste mal als Gruß und winken freundlich zurück.  Viel schlimmer erscheinen mir die nebeneinander fahrenden schwatzenden Rennradfahrer. Die gibt es heute mehr als genug.
Cavaglia ist eine typische kleine italienische Stadt mit engen Gässchen, einer Piazza mit Bar, Kirche und Brunnen.  Unser geliebtes Radler/Panache gibt es leider in Italien nicht, auch Spezi ist hier unbekannt, so mixen wir Cola und Fanta selbst. Um 12.00 schließt die Bar und wir nehmen die ca. zehn Kilometer nach Santhia in Angriff, die lang und eintönig sind.
Wir überschreiten zwischen den beiden Städten die Grenze der Provinz Biella und tauchen in die Provinz Vercelli ein.
Am Straßenrand machen wir zwei blonde Schönheiten aus, die hier offensichtlich auf Freier warten.
Das habe ich schon einmal in einem Pilgertagebuch eines luxemburgischen Pilgers gelesen, wollte es aber  nicht so recht glauben.
Es ist nach wie vor trocken und die Sonne kommt hervor. Der Weg allerdings wird anstrengender, die Fußsohlen brennen und die Trinkflaschen leeren sich.
Schließlich überqueren wir auf der SS143 die A4 und kommen an den Stadtrand von Santhia.
Es ist eine schon etwas größere Stadt, man muss wieder zwei Kilometer durch Industriegebiet und Wohnsiedlungen, ehe man das Zentrum, die Piazza Roma, erreicht.
Heute werden wir im Posto Tappa übernachten, das sind extra für Pilger eingerichtete kommunale oder kirchliche Unterkünfte.
Den Schlüssel holt man sich gewöhnlich im Rathaus ab, wegen des Feiertages hat man ihn aber im Cafe gegenüber hinterlegt, das wiederum hat erst wieder ab 15.30 Uhr geöffnet.
Wir superschnellen Pilgermäuse aber stehen bereits 14.30 Uhr vor dem Cafe.
Ich muss mich ausruhen. Es ist trocken und dann warten wir eben.
Mein Mann allerdings macht sich auf die Suche nach einer Gelateria und entdeckt am Haus gegenüber der Kirche ein Schild mit der Aufschrift „Santhia sulla Via Francigena“ und am Briefkasten eine Nachricht für uns, welche besagt, dass wir bei früherer Ankunft eine darunter stehende Nummer anrufen und Mario verlangen sollten.
 „Ich wähle, Du sprichst.“  Gesagt, getan. Mario kommt nach 5 Minuten angeradelt, übergibt uns den Schlüssel und  zeigt die Unterkunft, ein Zimmer mit drei Doppelstockbetten eine Dusche und ein Büro. Schnell ist der Pilgerpass abgestempelt, ein Foto gemacht, die Wanderkarte für morgen ausgehändigt und zwei Gutscheine für ein Pilgermenü in Höhe von 10,- Euro für die Pizzeria auf der Piazza.
Nachdem wir geduscht und die Schlafsäcke ausgebreitet haben, sitzen wir jetzt vor dem besagten Cafe, weil es in der Unterkunft sehr kalt ist.  Draußen ist es viel wärmer. Ich „freue“ mich schon auf die Nacht.
Jetzt hat auch die Kirche geöffnet und die Glocken rufen zum Gottesdienst.
Und es ist wie immer:
Erkenntnis des Tages:  Je näher man Rom kommt umso prachtvoller werden die Kirchen.

Roberta mit Nonna Kerstin

 überdimensionales Pilgermännchen bei Roppolo


3 Kommentare:

  1. Gruß in den Süden,
    ganz schön gepilgert die letzten beiden Tage.Ich gehe davon aus, dass Ihr Euer Ziel (Vercelli)heute schon erreicht habt und wieder die Füße im Wein badet. Man war das ein langer Bericht und lief ja auch ganz gut, wie es aussieht. Haltet aus und übernehmt Euch nicht. Pausen sind wichtig ! Bis dann Chiao V & R

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  3. Ultreia Kerstin und Hans-Jürgen,
    ihr beginnt es ja ganz gut, leider aber bei Regenwetter. Werde eure Pilgerreise wieder gespannt auf eurem Blog verfolgen. Es ist ja genau auf den Tag 6 Jahre her, dass ich in Canterbury gestartet bin um nach Rom zu pilgern. Offensichtlich haben sich in den Jahren die Übernachtungsmöglichkeiten doch verbessert, ich hatte ja gerade in Italien oft Probleme.
    Habe gerade einmal geschaut wie bei mir das Wetter war; es waren „nur“ 28 bis 30°C mittags. Aber das kommt bei euch sicher auch noch.
    Ihr werdet als erfahrene Pilger euer Ziel erreichen, da bin ich mir sicher.

    Weiterhin eine blasenfreie Pilgerreise
    Hermannus Brennerus

    Hier gibst eine Streckenkarte:
    http://www.via-francigena-pilger.de/html/karte_grand_san_bernard_-_cost.html

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