Tag 17, 29.04.2019, von Lingueglietta nach Arma di Taggia
17
km, 350 hm bergab
BnB
Olivieto in Lingueglietta
Mittlerweile
sind wir im Entschleunigungsmodus, der Pilgeralltag ist eingezogen.
Morgens los ziehen und nicht wissen, was der Tag bringt und wohin er
dich spült. Aus dem Rucksack leben, dankend annehmen, was dir
geboten wird. Und heute wird so ein Tag, an dem wir dankbar
annehmen.
Um
sieben dreh ich mich noch einmal im Bett herum, während mein Mann am
Küchentisch die Fotos von gestern am PC einliest.
Wir
hatten zwar die kleine Ferienwohnung, aber mangels
Einkaufsmöglichkeiten, mussten wir heute Morgen aus dem Rucksack
leben. Ich habe immer ein paar Teebeutel dabei und es gab noch Brote
vom Tag zuvor. Er macht uns Tee und wir frühstücken spartanisch
aber zufrieden.
Die Wohnung wird im ordnungsgemäßen Zustand
hinterlassen, der Schlüssel wie vereinbart in den Briefkasten
geworfen.
Wir
müssen wieder etwas bergauf, entschließen uns, die Drohne zu
starten und lassen alles in Ruhe angehen.
Lingueglietta soll zu einem
der schönsten Dörfchen Italiens gehören. Wir verlassen durch enge
gepflegte Gässchen den Ort und haben kurz nach dem Tagesvideo den
Monte Croce, den höchsten Punkt der Wanderung, erreicht. Jetzt wird
man tatsächlich für die gestrigen Strapazen im Anstieg entschädigt.
Ein gigantischer Anblick auf das Meer eröffnet sich. Wir sind ganz
allein hier oben. Der Duft von Thymian liegt in der Luft. Weit, weit
hinten im Dunst müssen Monacco und Nizza liegen.
Wir
machen Picknick mit Wasser und Nüssen, mehr Essbares gibt der
Rucksack nicht her. Brauchen wir auch nicht. Heute folgen wir brav
den Wegweisern und bei einer weiteren Rast begegnen wir einem
deutschen Urlauber, der den gleichen Weg läuft wie wir und bei
seiner Cousine in Linguegliletta Urlaub macht. Wir begegnen uns im
Laufe des Tages öfters. Er will demnächst den Jakobsweg pilgern, es
ist sein erstes Mal und er würde gerne mal den Rucksack anheben, hat
Fragen zum Pilgerpass, zum Schlafsack und zu den Unterkünften.
Völlig per plex ist er, als er erfährt, dass wir im Dorf ein BnB
für nur eine Nacht gefunden haben. Offensichtlich ist das nicht
üblich. Viele San Remo-Urlauber wohnen hier, machen wohl auch ein
bisschen die Infrastruktur kaputt, es werden
Schicki-Micki-Restaurants eröffnet, in die kein Einheimischer geht,
die kleinen Restaurants und Bars gehen kaputt, die Jugend zieht weg.
Das Dörfchen hat noch 75 Einwohner, davon viele Deutsche, im Sommer
wohnen viele Urlauber hier. Die teuren Restaurants haben nur 5 Monate
Saison.
Dass
wir in Taggia auch eine Unterkunft für nur eine Nacht fanden,
verwundert ihn ebeneso.
Wir
unterhalten uns lange und ich zeige ihm den Wanderführe zur Via
della Costa. Er will jetzt ein paar Strecken ausprobieren.
Der
erste Ort, Castellaro, ist erst nach ca.8 km erreicht. Kurz darauf
hat einen die Zivilisation wieder, man unterquert die Autobahn und
erreicht nach müden km bergab Taggia. Keine besonders attraktive
Stadt. Das einzig Einzigartige ist die Ponte Romana aus dem 16.
Jahrhundert.
Die
letzten fünf km Asphalt ziehen sich bis man Arma die Taggia
erreicht.
Mein
Mann versucht mich aufzuheitern, in dem er den Speiseplan für heute
Abend zusammen stellt, Fisch will er machen, es soll eine Küche
geben und hier unten auch mehrere Supermärkte.
Eigentlich
war Bordighera als Ziel für heute geplant. Hätten wir nie
geschafft.
Aber,
da kam vorgestern die Whats App vom BnB in Arma di Taggia, mit der
ich gar nicht mehr gerechnet habe, da auf die Mails keine Antwort
kam. Und wir planten kurzerhand um. Dank Brunella vom BnB Imperia
klappte das auch. Wir bauten also die Unterkunft Arma di Taggia mit
ein.
Die
steht übrigens in keinem Wanderführer. Ich versuch mein Glück
immer damit, in googlemaps irgendwelche Klöster auszumachen, die
maile ich an. Das Kloster in Taggia bietet keine Gastfreundschaft an,
vermittelte aber an die Familie Taggiasco, die uns ihre Ferienwohnung
zur Verfügung stellt und hierfür lediglich eine Spende verlangt.
Und
jetzt kommt es.
Egli
Taggiasco begrüßt uns herzlich, wünscht Ruhe und einen guten Weg.
Sie wohnt gegenüber und läuft jetzt hin und her, um uns mit
Lebensmittel zu versorgen. Ich kann gar nicht aufzählen, was sie
alles bringt, Schinken, Käse, Brot, zwei Tartes, Butter, Fisch,
Wein, Öl, Tomaten, einen großen Obstkorb, Kaffee und Tee. Wir
fassen es nicht. Geld nimmt sie nicht, ich soll es der Kirche
spenden. Ist schon fast beschämend, und mein Mann beschließt,
obwohl wenig religiös, in Santiago eine Kerze für allen guten
Helfer anzuzünden, und Egli Taggiasco ist eine von ihnen.
Wenn
das jetzt der deutsche Urlauber sähe, er würde es nicht glauben,
eine Ferienwohnung mit allem drum und dran, Verpflegung im Überfluss
und eine nette und besorgte Vermieterin.
Fiel
das Frühstück heute Morgen sehr spartanisch aus, könnte man heute
Abend eine Armee von Pilgern versorgen.
Morgen
geht’s über San Remo nach Bordighera. Mal sehen, was der letzte
Pilgertag noch für Überraschungen bereit hält.
Erkenntnis
des Tages:
„Der Weg sorgt für dich !“