Dienstag, 30. September 2014

Tag 6, 30.September 2014, Bolsena - Montefiascone - Paoletti, 21,5km



30.09.2014, von Bolsena nach Montefiascone (Paoletti)  21,5 km

Instituto Suore Sacramento, 25,-Euro (1 Bett, 1 Platz auf dem Boden)

Der Pilgerfrieden ist wieder hergestellt.
Gestern Abend waren wir beide in der Osteria Francigena unweit der Unterkunft, da gab´s Wi-Fi, kaltes Bier und man wurde nicht schief angeschaut, wenn man nur Prima Piatti bestellte.
Gerard hatte uns zwar schon bei der Kaffeepause am Morgen gefragt, ob wir nicht zu dritt auf ein Bier ausgehen wollten, durch die seltsame Zimmerbelegung haben wir uns dann aber aus den Augen verloren.
Er ist dann wohl mit den anderen los und wir kommen alle gegen zehn zeitgleich zurück, als Jochen noch fragt, was man nun mit dem angebrochenen Abend noch macht? Wie, bitte schön? Als niemand reagiert, zeiht er allein los. Gerard berichtete uns gestern Morgen, dass Cynthia und Giuseppe, die beiden Italiener, die uns zum Bier in Radicofani eiladen wollten, morgens um drei in der Unterkunft waren und um sechs den Wecker klingeln ließen, was Abraham sehr verärgerte.
So weit, so gut. Vielleicht hätten wir uns alle noch im Aufenthaltsraum zusammensetzen können, aber der war ja abgeschlossen.
Wo die drei deutschen jungen Leute, denen wir nachmittags beim Gelati-Frust-Essen vor der Kirche begegneten, unter gekommen sind, wissen wir nicht. Mein Mann schickte sie zwar zum Eingang des Instituto und schlüpfte bei der Gelegenheit gleich mit hinein, um unsere Ausweise wieder einzufordern, denn die hatten wir immer noch nicht zurück und bei den vielen abgesperrten Türen, wussten man auch nicht, wann und ob man überhaupt die Pässe wieder bekam.
Lange Rede, kurzer Sinn, die Nacht verlief ruhig und wir verkniffen uns den Klogang. Dafür klingelt um fünf der Wecker, zunächst packe ich meine Sachen, dann rollen wir das Matratzenlager zusammen und mein Mann hat Platz zum Packen. Wir schleichen uns ganz leise die Treppe hinunter und 5.45 Uhr marschieren wir los. Die Bar am Ortsausgang ist bereits geöffnet, hat eine eigene Bäckerei und der junge Bäcker bringt Cappuccino und zwei warme Brioche. Gut bevölkert ist das Café gegen sechs, viele ältere Männer schlürfen ihren Espresso und lesen Zeitung, der erste Morgentratsch wird ausgetaucht und uns grüßt man freundlich.
Klar ist es noch stockdunkel zu der Jahreszeit, allerdings bereits so warm, dass wir draußen sitzen können und mein Mann bald kurzärmelig läuft. Bewappnet mit Stirn-und Taschenlampe geht’s los, ich leuchte vorn, er hinten. Soviel Autos sind noch nicht unterwegs, nach 2 km biegen wir auf die VF ein, gewinnen an Höhe und beobachten die Morgendämmerung über dem Bolsenasee. Wenig später kommen wir beim ersten heutigen Anstieg bereits ins Schwitzen, durchqueren einen Park mit riesigen Bäumen und gepflegten Sitzgruppen. Wir ahnen, wo Julio heute das Buffet für unsere Edelpilger aufbauen wir.
Wir kommen gut voran und erfreuen uns an den fliederfarbenen Alpenveilchen-Feldern im Wald. Zum überqueren einer Furth benötigt man heuer auch keinen Tauchschein, denn, sieh mal an, gleich zwei Möglichkeiten hat der Wanderer zum Überqueren, eine Brücke oder ein Seil.
Schnell erreicht man einen Bauernhof, wo Vater und Sohn, und Mann und Frau und Hunde und Gänse einen handfesten Streit ausfechten, uns dennoch freundlich grüßen und mir zu Liebe , die freilaufenden Hunde erst einmal festhalten bis wir ihren Blicken entschwunden sind. Auf einem Asphaltsträßchen geht es jetzt noch einmal bergauf, denn Montefiascone heißt nicht so ohne weiteres Monte … . Wir sind bis jetzt ohne Pause unterwegs und liegen gut in der Zeit.
Das Städtchen begrüßt den Besucher am Ortseingang mit einem großen „Montefiascone, Citta della Est!Est!!Est!!!“, das Schild ist schön, der Rest der Stadt ist schmutzig. Zunächst geht es wieder ähnlich wie in Piacenza durch Industrie-und Wohngebiet, die Gehwege sind kaputt, wobei man von diesen nicht viel mitbekommt, weil sie permanent zugeparkt sind, so dass der Fußgänger einen Corso um auf den Gehwegen kreuz und quer parkende Autos machen muss. Ich beobachte sogar Muttis mit Kinderwagen, die halsbrecherisch ihre Kleinen um die Autos jonglieren.
Es ist nicht wie in Radicofani oder Bolsena, wo man meint, durchs Mittelalter zu wandeln.
Als wir zehn Uhr vor der Touristeninformation stehen und die Stadt eigentlich nicht zum Verweilen einlädt, beschließen wir, weiter zu gehen. Die nette Angestellte des Touristenbüros kennt sich auf der Strecke Montefiascone bis Viterbo gut aus, allerdings sind 18 km bis dort hin zusätzlich für heute zu weit. So ruft sie kurzerhand in einem BnB in Paoletti, 4 km entfernt, an und eine Ferienwohnung ist frei. Man hat auch kein Problem, Pilger für nur eine Nacht aufzunehmen. Mein Göttergatte freut sich über die eigene Toilette und ein Bett.
Kurz hinter Montefiascone holt uns dann der erste Pilger ein, den  lautstarken Franzosen mit dem bunten Gamsbart am Hut kennen wir schon aus Radicofani. Er zieht schnellen Schrittes vorbei.
Wenig später dann wandeln wir auf der geschichtsträchtigen Via Cassia Antica, den uralten Steinen, auf welchem bereits vor uns Abertausende nach Rom zogen oder von dort kamen. Kaiser und Könige, Soldaten und Kirchenmänner, Händler, Kaufleute und Pilger. Hier kann jeder Stein Geschichten erzählen. Irgendwie schon ein erhabenes Gefühl. So kommt es, dass wir auch viele Fotos machen und kleine Videos drehen. Als normaler Tourist würde man wohl hiervon gar nichts mitbekommen.
Im BnB angekommen, wird geduscht, ich habe eine Waschmaschine und mein Mann ein Bett. Pilgerherz, was willst du mehr? Auch wenn wir heute mal nicht standesgemäß nächtigen, so doch wenigstens im BnB „Cassia Antica“.



Erkenntnis des Tages:  Der frühe Vogel fängt den Wurm!


Tagesvideo

Bolsenasee am Morgen

Alpenveilchen - Wald

Furth - wofür wird sie sich entscheiden ?

Montefiascone

Via Cassia antica

Kiwi - Plantage

Montag, 29. September 2014

Tag 5, 29.September 2014, Acquapendente - Bolsena, 24km



29.09.2014, von Acquapendente nach Bolsena   24 km

Convent Cappuccini Casa Lazzaro, Spende

Herrlich erholsam war die Nacht im ruhigen Convent. Kein Motorengeräusch, keine lärmenden Mitbewohner. Die beiden Schwestern des Hauses leben im anderen Trakt und wir hatten im Prinzip die ganze Etage  für uns.
Bis, ja bis auf meinen jammernden Mann, er hatte Schmerzen vom kleinen Zeh bis zum Scheitel und musste sich mehrmals eine Ibuprofen einwerfen, die half dann immer zwanzig Minuten. Heute Morgen waren die Schmerzen weg. Keine Ahnung, was es war.
Um sieben verlassen wir das Convent und kehren in der ersten geöffneten Bar ein.
Hier empfängt uns schon Jochen mit den Worten: „Na, was macht Dein Knie? “. Claudia steht neben ihm, sie muss vom Sturz und dem lädierten Bein erzählt haben, denn ihr hatte ich gestern die Wunde gezeigt.
Jochen kommt aus Bielefeld und ist etwa in unserem Alter, hat unbezahlten Urlaub genommen und will einen Teil der Strecke demnächst mit seinen beiden Kindern gehen, die sind 12 und 14, daher checkt er jetzt die Via Francigena zwischen Martigny und Rom auf Teenie-Tauglichkeit. Auch nicht schlecht.
Während beide losziehen, genießen wir in Ruhe Cappuccino und Brioche.
Wir halten uns an den Wanderführer und gehen gehorsam die ausgeschilderte Strecke. Hier im Latium ist die Landschaft geprägt von vielen Feldern und Wiesen. Sonnenblumen- und Maisfelder warten darauf, abgeerntet zu werden, andere Äcker sind bereits wieder grün und auf den Stoppelfeldern weiden Schafe. Wir kommen uns ein bisschen vor, wie Farmer, die zufrieden einen morgendlichen Herbstspaziergang über ihre Ländereien machen.
Die Sonne meint es wieder gut mit uns und bald hat man San Lorenzo erreicht. An der Bar mit Stempelstelle ziehen wir vorbei, weil mein Göttergatte schon von weitem eine Gelateria entdeckt.
Hier hat es sich bereits Gerard bequem gemacht und erkundigt sich ebenfalls nach dem Knie, mein gestriger Sturz hat sich also herum gesprochen. Wir gesellen sich zu dem Franzosen. Als wir uns gegenseitig fotografieren und ich die typisch weibliche frage stelle: „Wie sehe ich aus?“, meint er nur humorvoll, ob englisch, französisch, italienisch oder deutsch, es ist immer das Gleiche mit den Frauen. Danach lästern wir noch über ein paar Mitpilger ab und er demonstriert uns sein Samsung, er hat seine Streckenführung abgespeichert und das Gerät so programmiert, dass er , wenn er in Gedanken versunken vom Weg abkommt, mit einem Piepen „geweckt“ wird. Coole Funktion, das Gerät würde allerdings bei uns beiden Streckenbastlern permanent pfeifen. In diesem Moment läuft Abraham über die Piazza und winkt. Beide ziehen dann gemeinsam weiter. Wir müssen nun doch erst noch einmal in eine Pharmacia und uns gegen eventuelle erneute nächtliche Muskelschmerzen mit Voltaren eindecken.
Sobald man die Piazza überquert, eröffnet sich dem Wanderer ein gigantischer Blick auf den Bolsenasee, dessen Wasseroberfläche in der Sonne wunderbar glitzert.
Man verlässt San Lorenzo und geht jetzt einen Wanderweg weiter, der oberhalb des Sees verläuft und sich wie Kaugummi zieht. Nach etwa der Hälfte der Strecke sehen wir schon von Weitem den kleinen weißen Transporter, der wieder Lebensmittel und Getränke für die amerikanisch-kanadischen Tagesrucksäckler bringt. Julio, der junge Spanier, der fürs Buffet zuständig ist, bietet uns wieder Wasser und Wein an. Einen Liter Mineralwasser lassen wir in uns hinein laufen, den Wein lehnen wir dankend ab. Seine Pilgergruppe lässt noch auf sich warten.
Gegen 15.00 Uhr schließlich erreichen wir Bolsena, ein hübschen touristisch erschlossen Städtchen am See, müssen durch wieder mittelalterliche Gassen hinabsteigen und stehen schließlich vor unserer heutigen Unterkunft, welche die nette Schwester Livia vom Convent in Aquapendente gestern für uns telefonisch fest gemacht hat.
Herzlich werden wir von Schwester Filippa aus Tansania begrüßt. Nachdem sie unsere Pässe abgestempelt hat, erklärt sie uns, dass  bereits andere Pilger eingetroffen sind und sie daher nur noch ein Bett hat, der andere von uns müsste auf einer Matte am Boden schlafen.
Für meinen starken, kräftigen und gesunden Mann ist das auch seiner Ansicht nach überhaupt kein Problem. Das ich ich lache ! Ich jammere und sie besorgt wenigstens noch eine zweite Matte.
Im großen Zimmer befinden sich fünf belegte Liegen, die Dusche und die Toilette für alle, das bedeutet, man muss nachts über den Flur, dann über fünf Liegen steigen, um zum Klo zu kommen.
Auch damit könnten wir leben, dass der ganze Spaß dann aber noch dazu 25,- Euro kosten soll, macht uns wütend und ich könnte heulen. Hinzu kommt, dass unser Zimmer zur Straße liegt und der Lärm unermesslich ist.
Die Unterkunft hatte ich eigentlich ausgesucht, weil laut Wanderführer eine Küche und eine Waschmaschine vorhanden sein sollen. Beides suche ich vergeblich, auch der große Aufenthaltsraum ist abgeschlossen. Den Text schreibe ich jetzt liegend auf der Matratze, weil das Fotoeinstellen bereits so viel Zeit in Anspruch nimmt und man ja nicht ewig in einer Bar sitzen kann, die Wi-Fi anbietet.
Jetzt wissen wir, warum wir nicht nach Santiago pilgern, das Wettrennen um die besten Schlafplätze ist nichts mehr für uns. Und die Prahlerei der „Jakobswegsammler“ geht uns langsam auf die Nerven.
Mal sehen, was die Nacht so bringt und wie die Stimmung morgen ist.
P.S. Liebe Alke, danke fürs Kommentieren Deine Treue und fürs Mut machen.

Erkenntnis des Tage: Auch beim Pilgern gilt – wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!



Tagesvideo

Eingang zum Convent

nach der Reizüberflutung in der Toscana freut man sich im Lazio hierüber

Begegnungen am Weg

mit Gerard in San Lorenzo Nuovo

Bolsenasee

...und täglich grüßt uns Julio

Pilgervesper

Ortseingang Bolsena

zu guter Letzt ein fast alpiner Abstieg



Sonntag, 28. September 2014

Tag 4, 28.September 2014, Radicofani - Acquapendente, 23km



28.09.2014, von Radicofani nach Acquapendente    24,5 km

Casa d´Accoglienza San Jacopo di Compostella, Spende

Bis auf die Kirchenglocke blieb die Nacht wunderbar ruhig und um sechs schälen wir beide uns aus den Schlafsäcken. Als wir kurz nach halb sieben die Herberge verlassen, dämmert es gerade und alle drei Bars sind noch geschlossen.
So geht es erst einmal ohne Frühstück hinaus. Die kleine Gasse ist noch menschenleer und die Straßenlaternen noch eingeschaltet. Schnell verliert man an Höhe auf dem Schotterweg Richtung Ponte a Rigo. Die Landschaft hat sich merklich verändert. Kaum noch gibt es Weinberge, dafür mehr und mehr bereits abgeerntet Felder und die von Wind und Wetter abgerundeten und begrasten Kalksteinformationen erwecken den Eindruck einer begrünten Kraterlandschaft. Schaut man sich um, thront das mittelalterliche Radicofani majestätisch auf seinem Hügel. Wir sind die Ersten, die heute Morgen gestartet sind, aber der Holländer Abraham, der es wohl in 95 Tagen von Canterbury nach Rom schaffen wird und der Franzose Gerard aus Toulouse, der von Nizza nach Rom läuft, sind uns bereits auf den Fersen.
Als der Schotterweg dann in Serpentinen bergab führt, passiert es, ich rutsche aus und stürze, die Knien bluten, die Handflächen sind aufgeschürft und die Hose kaputt. Am Rucksack schließlich muss mich mein Mann wieder hochhieven, gar nicht so einfach. Abraham kommt hinzu, bedauert mich etwas und hofft, dass das Auf und Ab recht bald ein Ende haben wird. Vielleicht hätten wir doch warten sollen bis die erste Bar öffnet und gestärkt mit Cappuccino  und wenigsten einem süßen Teilchen den Tag beginnen sollen.
Zum ersten Mal kommen in mir Zweifel hoch, ob wir wohl Rom gesund und munter erreichen. So kurz vorm Ziel ausgeknockt zu werden, wäre echt blöd.
Es scheint aber nicht so schlimm zu sein und zügig wollen wir jetzt den nächsten Ort erreichen, in der Hoffnung auf eine Bar. In Ponte a Rigo gibt es auch eine, die laut Öffnungszeiten sogar sonntags ab 6.00 Uhr geöffnet hat, nur nicht heute. Mittlerweile ist die restliche Pilgergemeinde, bis auf unser italienisches Duo, auch eingetroffen und schiebt Frust. Die Trinkflaschen werden an der Wasserstelle aufgefüllt und die Männer, Gerad, Abraham, zwei Engländer, die wir noch nicht kennen, der Schweizer und Jochen aus Bielefeld, setzen ihren Marsch fort und nehmen die neu ausgeschilderte Strecke über Proceno. Diese ist aber fast doppelt so lang wie die alte, die einige km auf der Via Cassia, also der SR2 entlang geht. Das sollte aber heute, am Sonntag, kein Problem sein, zumal einige km parallel die alte Via Cassia völlig verkehrsfrei verläuft.
Wir bleiben also mit der jungen Berlinerin Claudia zurück, auch sie zieht es heute vor, nicht unnötige km zu machen, ist sie doch gestern gemeinsam mit dem Schweizer das ganze Stück San Quirico – Radicofani gelaufen und völlig malate angekommen. Ich hätte diese 33 km-Etappe mit dem schattenlosen Aufstieg nicht geschafft.
Auch heute meint es der Planet wieder gut mit uns und je näher man Rom kommt, um so wärmer wird es. Wir sind ja nun schon in den Monaten April, Mai und Juni gelaufen, aber so geschwitzt wie jetzt, Ende September haben wir noch nicht.
Claudia also beschließt, mit uns zu gehen und berichtet, dass sie 29 ist, ihren Job in einem Ingenieurbüro einfach hingeschmissen, Wohnung und Auto verkauft, ihr restliches Hab und Gut bei den Eltern eingelagert hat und jetzt von Zürich nach Rom läuft, wie es anschließend weiter geht, weiß sie noch nicht, vielleicht nimmt sie noch die Via Francigena Süd unter die Füße, wettertechnisch müsste das noch klappen. Innerlich bewundere ich ja solche Menschen, die einfach einen Schlussstrich ziehen können und frei sind für etwas Neues, mein Verstand allerdings weigert sich da immer etwas. Auf jeden Fall wirkt sie sehr selbstbewusst und als wir ihr zu langsam sind, zieht sie alleine weiter. In ihrem Alter hatten wir auch noch andere Prioritäten.
In dem kleinen Dörfchen Centono, durch welches der Weg mit der alten Beschilderung verläuft, entdecke ich eine verlassene Herberge mit einem verblichen Schild, das Gruppen und Pilger willkommen heißt. Am Ortsausgang finden wir schließlich ein Restaurant, das um diese Uhrzeit zwar noch geschlossen hat, dennoch versorgt uns der nette junge Besitzer mit Cola, Wasser, due grande Cappuccini und abgepacktem Eis und wir können die nassgeschwitzten T-Shirts in der Sonne trocknen.
Bis Acquaqpendente sind es noch etwa sieben km und kurz bevor wir wieder auf den „richtigen“  Wanderweg stoßen, treffen wir wieder das Versorgungsauto der Amerikaner. Der kleine Kellner grüßt wieder freundlich und ein amerikanischer Edelpilger begleitet uns bergauf und textet mich zu, er hat nämlich vor einigen Wochen eine Wine-Tour durch Deutschland gemacht und bewundert den Moselweine, worauf ich ihm empfehle, in Montefiascone den Est.Est.Est. zu probieren, ohne zu verraten, dass der Herr Fugger sich dran tot soff.  Irgendwann hängen wir ihn ab und erreichen den Ortseingang.
Das Spannendste unter anderem am Pilgern, finde ich, ist die tägliche Unterkunftssuche, man weiß nie was auf einen zukommt. Heute sind wir im Convento Cappuccini angemeldet. Dazu muss man zunächst durch die ganze Stadt und zu guter Letzt nochmals einen Stationenweg recht gewaltig bergauf.
Mittlerweile beherrscht auch mein Mann den Spruch für die Gegensprechanlage : „Buona sera, Signora, siamo tedesci pellegrini.“ Und ratzt fatz geht der Summer, wir stehen in einem winzigen, sonnendurchfluteten Klosterhof und die kleine Schwester Livia begrüßt uns. Das Erste, was sie uns zeigt, sind die Wäscheleine im Garten und das Klammerkörbchen. Dann die Küche und wie der Gasherd funktioniert, anschließend bekommen wir ein Zimmer zugewiesen. Wir sind bis jetzt die Einzigen. Ich bitte sie schnell noch, für uns in Bolsena im Kloster zu reservieren und als die Schwester am anderen ende wissen will, wann genau wir denn ankämen, verdreht Livia die Augen und staucht ihre Kommilitonin zurecht, na wann schon, das sind zwei Pilger, nachmittags.
Es ist jetzt um sechs und wir sind immer noch die einzigsten Gäste hier, sitzen im Klostergarten und schreiben, naschen von den vergessenen Weintrauben an den Reben und bewundrn drei winzig kleine Kätzchen, die gerade liebevoll von der Nonne gefüttert werden. Die Sonne scheint immer noch und es ist richtig friedlich hier oben.

Erkenntnis des Tages: Wenn Frau hinfällt muss Mann helfen !


Tagesvideo

Start - morgens halb 7 in Radicofani

wir verlassen das Städtchen 

Sonnenaufgang

noch 147km bis Rom...

... das wird schon ! (Kerstins Knie nach dem Sturz)

ciao Toscana, salve Lazio

idyllisch gelegen - unser Zimmer im Convent

Outdoor Dusche im Klostergarten
Nur die Harten duschen im Garten !

Klosterhof



Samstag, 27. September 2014

Tag 3, 27.September 2014, Agriturismo Passalacqua - Radicofani, 17km



27.09.2014, vom Agriturismo Passalacqua nach Radicofani    17 km

Agriturismo Passalacqua 100,- Euro Appartement, HP

Es war ein herrlicher Sonnenuntergang gestern Abend und eine ruhige Nacht.
Noch besser allerdings ist das Frühstück, welches uns Elena kredenzte, frisches Brot, selbstgebackenen Kuchen von der Mama, Schinken, Salami, Käse – für italienische Verhältnisse recht ungewohnt. Allerdings ließen wir uns gestern Abend dazu überreden, erst gegen halb acht zu frühstücken, das ist für uns eindeutig zu spät, denn um diese Zeit sind wir gewöhnlich schon on Tour.
Die Sonne geht jetzt im Herbst gegen halb sieben auf, so genießen wir das üppige Frühstück und den herzlichen Abschied. Die Mama kommt hinzu und wir stehen alle vier auf der Wiese vorm Haus, blicken auf die umliegenden Gehöfte und  la Mama zeigt und die Häuser, in welchem sie und ihr Mann geboren wurden. Elena möchte, dass wir noch einen Abstecher nach Bagni San Filippo machen und die kostenlose Therme genießen, das wären aber sechs km zusätzlich und sie versteht unsere Einwände, im Gegenzug müssen wir versprechen, mit den Enkelkindern wieder zu kommen.
Zu guter Letzt holt sie noch ihre Kamera und macht ein Foto von uns beiden, mit einem warmen Händedruck verabschiedet uns die Mama und als wir schon ein Weilchen gehen und uns nochmals umdrehen, winkt die Mutter aus einem der oberen Fenster und ruft: “Buon Viaggio !", Elena steht immer noch da und knipst.
Die Sonne scheint bei wieder wolkenlosem Himmel, wir kommen gut voran und sind einfach glücklich, richtig glücklich.
Bald kommen wir zur verfallenen Chiesa di San Pellegrino, das ebenfalls zerbröckelnde Gebäude nebenan diente schon zu Sigerics Zeiten als Pilgerhospiz. Elena berichtete, dass die Gebäude einer Familie aus Siena gehören und man alles einfach zerfallen lässt. Nichts desto trotz ist eine Hinweistafel zwischen dem meterhohem Unkraut zur via Francigena aufgestellt wurden und ich werde den Gedanken nicht los, ob das Geld  nicht doch noch zu einem Rasenmäher gereicht hätte.
Brav laufen wir heute wieder nach Wanderführer, es ist verdächtig ruhig, kaum Verkehr und so langsam vergisst man die Wochentage. Heute ist Samstag.
Nach etwa acht km erreichen wir die Tankstelle und dass Hotel Beyfin, mitten in der Pampa an der SS2. Aus Ermangelung an Bananen oder Äpfeln wird die obligatorische Obstpause zur Kuchenpause, wir bestellen uns in der Bar Cola und verputzen la Mamas Feigenkuchen dazu.
Es ist halb elf und Clärchen meint es wirklich gut mit uns, die Sonne knallt und wir nehmen jetzt die 400 fast schattenlosen Höhenmeter auf 9 km in Angriff. Der Schweiß rinnt uns den Rücken herunter und der von der Stirn laufende Schweiß vermischt sich mit Sonnencreme und berennt furchtbar in den Augen.
Radicofani auf seinem Hügel kommt immer näher und erscheint immer höher.
Nur gut, dass wir das Agriturismo zwischen San Quirico und unserem heutigen Etappenziel gefunden haben, die Strecke am Stück hätte mich k.o. gesetzt.
Gegen 14.00 schließlich betreten wir das hübsche mittelalterlich wirkende Städtchen, finden schnell die Unterkunft und mit uns kommen Giuseppe und Cyntia, zwei Italiener, an. Die beginnen morgen ihre Tour nach Rom und sind mit dem Bus angereist.
Der Hausherr der Casa San Jacopo lässt uns ein und zeigt uns die drei Schlafsäle, die beiden Bäder, und die Küche, alles ist sehr sauber und gepflegt.
Auf dem Weg hier her entdeckten wir einen Alimentari und beschließen, heute zu kochen, laden die beiden Italiener ein und mein Mann will einkaufen gehen. Das italienische Duo verzieht sich in die gegenüberliegende Bar und ich bin ganz allein hier oben.  Die Zeit  nutze ich zum Duschen. Als ich nun splitterfasernackt mit umgehangenem Brustbeutel im Zimmer stehe, öffnet sich hinter mir die Tür und ein französischer Pilger bittet um Einlass. Ich werfe mir ein Handtuch um und übernehme kurzerhand die Funktion der Platzanweiserin. Gerard zieht ins Zimmer der Italiener und ich kann endlich duschen. Zurück im Zimmer öffnet sich erneut die Tür und ein Schweizer Pärchen bekommt beim Anblick meines üppigen Hinterteils den Schreck seines Lebens. Dennoch lassen sich beide von mir (jetzt angezogen) gern in der Herberge einweisen. Ich überlege allen Ernstes, ob nicht so ein Job als Hospitalera etwas für mich sein könnte. Den Schreckmoment könnte man ja weglassen.
Ein wenig später trudeln noch ein Franzose und ein Deutscher und ein Holländer ein.
Auf dem Weg hier rauf haben wir niemanden gesehen, wo kommen die vielen Pilger nur her?
Ich kriege es nicht mehr zusammen, wer wo gestartet ist. Nach drei Wassergläser Rotwein zum Nudelgericht, bin ich froh, wenn ich heute Abend noch den Blogeintrag so einigermaßen hinbekomme.
Bald sitzen alle über ihren französischen, italienischen, deutschen und holländischen Wanderführern und fachsimplen und während jetzt alle in die Betten wollen, lädt uns Giuseppe zum Bier in die gegenüberliegend Bar ein, was wir dankend ablehnen. Er, der schon vier Mal in Santiago war, ist eine richtige Spaßrakete, schenkt mir ein Tau-Kreuz und beginnt jetzt mit einem „Hasta la Vista“ seinen abendlichen Streifzug.
Auch wir werden bald in die Schlafsäcke sinken, der Tag war lang und heiß und der morgige wird noch länger und noch heißer.
Erkenntnis des Tages: Viele Pilger trifft man gen Rom !


Tagesvideo


Agriturismo Passalacqua

Chiesa di San Pellegrino

SS2 bei Beyfin - noch 162km Straße bis Rom


unterwegs

kurz vor Radicofani

Pilgerunterkunft in Radicofani

und innen sieh'ts so aus

Radicofani