Als wir gestern durch diese trostlose Landschaft von Fiorenzuola
bis Chiaravalle liefen, sprach niemand von uns ein Wort, jeder sehnte sich nur
auf den letzten 6 km endlich die Abbazia herbei mit Dusche, sauberem Bett und
vielleicht einer kleine Küche wie gestern.
Es gab Agriturismen, die nicht sehr einladend aussahen,
verfallene Cascina, Bauernhöfe, vertrocknete Felder mit kleinen Tomaten- und
Kartoffelpflanzen, beides übrigens Nachtschattengewächse.
Wir waren Froh, angekommen zu sein und wollten das, was uns
geboten wurde, dankend annehmen und am nächsten Tag weitergehen.
In der Trattoria kam es dann irgendwie über meinen Mann, Zweifel,
warum das alles, warum machen wir das.
Seine Sonnenallergie, die er sonst eigentlich gar nicht
kennt, juckte auf den Unterarmen, ständig musste er sich kratzen. Es juckte schließlich
von den Fußsohlen bis zu den Haarwurzeln. Er hatte das Bad in der Herberge vor
der Benutzung geschrubbt. Und das Essen schmeckte plötzlich auch nicht mehr. Die
Luft war raus. Hinzu kam, dass wir sinnlos 15,- Euro verpulverten, um die Beiträge
in den Blog zu stellen, weil ständig der Funk zusammenbrach. Ein Platzregen
brachte schließlich das Fass zum Überlaufen.
Bedrückt gingen wir in die Unterkunft und er meinte, dass er
endlich mal wieder in einem sauberen Bett schlafen will und dass wir uns hoffentlich
keine Flöhe holen.
Wir beschlossen, uns beizeiten aufzumachen. Der Gedanke an Flöhe und sein Schnarchen
ließen mich nicht schlafen. Als die Glocke schließlich viermal schlug krabbelte
ich aus dem Schlafsack und versuche, mich anzuziehen. Die durchgeschwitzten
Sachen und das nasse Handtuch sind noch feucht, wir machen drei Gasflammen an
und versuchen, die Anziehsachen etwas aufzuwärmen.
Wir wollen einfach weg hier, obwohl das Kloster und die Anlage
sehr schön sind, sogar einen künstlich angelegten Teich gibt es im Klostergarten.
Eine riesige schöne Anlage. Vor den Klostermauern aber ein Nest, wie es
ärmlicher nicht sein kann, offensichtlich hat sich da jemand verplant mit dem
geschlossen Hotel und den Ruheinseln, die von Gras überwuchert sind.
Die Straße hierher ist mit Schlaglöchern gespickt, vor dem
Kloster wird gerade teures Pflaster verlegt.
Irgendetwas passt nicht.
Zehn vor fünf sind wir mit Packen fertig und verlassen das Haus,
die angefangene und anscheinend schon
länger offenstehende Rotweinflasche des Vorgängers haben wir entsorgt und den Küchentisch
abgewischt, sein benutztes Glas haben wir weggeräumt, das ranzige Öl und die
vergammelte Marmelade haben wir stehen lassen.
Dass Dorf liegt noch im Dunkeln, die Abbazia wird von Scheinwerfen
angestrahlt. Auch das passt alles nicht zur Stimmung.
Das schmiedeeiserne Tor ist mit einem Vorhängeschloss verriegelt,
die Klostermauern sind zu hoch für uns, zum Glück ist das große Holztor hinterm
Teich nur mit einem Schieberigel geschlossen.
Der im Wanderführer beschriebene Weg soll jetzt über
verschiedene Ortschaften führen und beschreibt 16 km Strecke recht weit
entfernt von der eigendlichen Via Francigena. Wir betrachteten uns die Strecke
auf dem GPS und lasen in Wikipedia, dass die ursprüngliche VF eigentlich über Alseno
führte und von dort auf der heutigen Via Emilia, der SS 9 nach Fidenza. Bis Alseno
sind es 5 km, dann 5 km Strada und in Richtung
Fornio kann man diese wieder verlassen, um rechts der Hauptstraße nach nochmals 4 km Findenza zu
erreichen, also wesentlich kürzer als durchs Pilgerschutzgebiet.
Gesagt, getan, in Alseno sind wir gegen sechs und in der
einzigen Bar des Ortes wird wieder italienisch gefrühstückt. Die Bardame und
die Fahrer bestätigen uns, dass man Straße gehen kann, die Fahrer seien an Pilger
gewöhnt. Eigentlich spekulierten wir auf den Zug zwischen Alseno und Fidenza.
Die Stazione gibt es zwar noch, aber ein Zug, so erfahren wir hält da schon
lange nicht mehr.
Wir nehmen 4 km Straße unter die Füße, vorbei an
Möbeldiscountern und einem großen Feldlager der Alpini, die alle noch zu schlafen
scheinen, und sind schnell am Abzweig zu Fornio. Hier trifft man auch wieder
auf Wegemarkierungen, die noch auf die alte Streckenführung hinweisen. Es ist
wie immer Asphalttreten angesagt. Findenza ist gegen halb neun erreicht und
bietet mal kein Industriegebiet, dass kilometerlang durchritten werden will.
Die Sonne scheint und schnell ist der
Dom erreicht, der auch geöffnet ist. Wir gehen hinein und setzen uns.
Und jetzt hat es auch mich erwischt, Stimmung und Motivation
sind auf dem Nullpunkt. Tränen kullern und ich lass meine Kopf auf die Schultern
meines Mannes fallen: „ Ich will nach Hause.“ Schluchze ich leise.
Die Füße brennen, drei Blasen und Herpes sind genug. hinzu
kommt, dass man seit zwei Tagen im Hintergrund immer wieder die Berge erkennt,
über welche die nächsten Tage führen sollen.
Unsere ursprüngliche Planung dieser Etappe ging bis Fidenza.
Wir bräuchten ganz einfach mal einen Ruhetag. Fidenza bietet
sich an. Es ist hier ganz anders als in Piacenza. kleiner, sauberer,
freundlicher. Auch die junge Frau in der
Touristeninfo ist nett, spricht deutsch und sucht uns ein nettes kleines Hotel
heraus, die großen sind alle von den Alpini belegt. Da wir so die Bergetappen aber nicht mehr schaffen, um
Pfingsten wieder zu Hause zu sein, denn dann wäre der Urlaub zu ende, muss der Cisa-Pass
eben warten. Wir kommen auf jeden Fall wieder.
Eine passende Zugverbindung für morgen sucht sie uns auch
gleich heraus und wir werden morgen von Fidenza über Milano nach Ivrea die Heimreise
antreten. Bleiben noch eine Nacht in Ivrea
wie geplant und werden Montag wieder daheim sein.
Das Hotel in Fidenza ist schön, liegt nicht weit vom Zentrum
entfernt, wir besorgen uns gleich die Fahrkarrten für morgen und lassen die
schmutzigen Sachen fallen, duschen und schlafen.
Wir haben zwei Packungen Compeed-Blasenpflaster, eine Packung
Herpes Pflaster, eine ganze Tube Sonnencreme und zwei Meter Leukoplast verbraucht.
Wir sind ein bisschen traurig und auch das schlechte Gewissen
plagt etwas, dennoch tut es dem Körper gut. Respekt allen Pilgern, die am Stück
diesen Weg laufen sind und noch mehr Respekt denen, die allein gehen. Wir wissen
nicht, wo Markus steckt und wünschen ihm buon Camino, auch Everdiene alles Gute,
sie ist vor einigen Tagen in Rom gestartet und läuft weiter in den Süden.
Danke allen Kommentatoren, wir hoffen, ihr seid im nächsten Jahr
wieder mit dabei.
Arirvederci und Grazie mille.
P.S. Drei Flohstiche sind es heute morgen bei meinem Mann.
Erkenntnis des Tages: auch ein Pilger braucht ab und zu ein saubres Bett !
Letzten Grüß in den Süden,
AntwortenLöschensind bei Euch und verstehen natürlich die Entscheidung.
Trotzdem seid Ihr in diesem Jahr die Härtesten. Die Zeit wird zeigen, wie es weiter geht. Italien läuft nicht weg. Rom steht auch im nächsten Jahr noch und viele weiter Jahre. Die Apeninnen sind nächstes Jahr auch nicht untergegangen. Erholt Euch erst mal wieder. Kräfte sammeln und dann irgendwann neu planen. Also kommt gut nach Hause und schönen Gruß an Brunella aus Ivrea. Genießt das schöne Hotel.
Bis später in der Pfalz
V & R
Hallo Ihr zwei,
AntwortenLöschenich war ab vergangenen Donnerstag beschäftigt mit den Feierlichkeiten der 40 Jahre Städtepartnerschaft. Meine Gäste sind nun auf dem Rückweg nach Frankreich und jetzt lese ich Eure letzten Einträge. Bin tief betrübt über den Ausgang Eurer Tour. Weil Laufen über den Kopf geht, und wenn der keine Energie mehr spendet, ist es besser, eine Pause einzulegen. So würde ich es ganz sicher auch gemacht haben. Wie sagt Volker so richtig ....Der Apennin steht nächstes Jahr auch noch.... Man weiß nie, wozu es gut ist, etwas nicht weiter zu machen. Vielleicht hat der liebe Gott Euch vor etwas schützen wollen. Ich wünsche Euch eine gute Heimreise.
Alles Liebe Eure Alke-Brigitte
Hallo ihr Poebene-Geschädigten.
AntwortenLöschenDie Strecke durch die Poebene ist wirklich hart, das Einzige was euch ja erspart blieb, waren ja die Unmengen von Stechmücken die irgendwann auftauchen. Auf dem Pilgerweg gibt es immer wieder Phasen wo man sich fragt, warum tust du dir das an? Aber ich glaube das gehört dazu. Man will ja ein wenig aus dem geschützten Alltagstrott heraus. Ihr habt ja jetzt den schlimmsten Teil der Via Francigena hinter euch und eine sehr schöne Etappe vor euch. Wichtig ist, dass man gesund nach Hause kommt. Am Donnerstag ist Pilgerstammtisch, wenn es eure Zeit und Verfassung erlaubt, würden wir uns auf einen ersten Bericht sehr freuen.
Ultreia
Hermann
Liebe Kerstin, lieber Hans-Jürgen.
AntwortenLöschenAch, wie ich in den letzten beiden Etappen mit Euch gelitten habe. Aber Ihr habt sie ja nun geschafft, die Po-Ebene. Und das ohne mit der Bahn zu fahren. Das ist doch ganz toll! Ich weiß, wie hart die Po-Ebene sein kann und hatte bei meiner "großen Reise" viele Pilger erlebt, die immer wieder die Bahn benutzt haben. Hernach waren sie nie sehr glücklich darüber. Wir wollen sie nicht verurteilen, jeder macht das so, wie er es kann. Aber Ihr beide habt in diesem Jahr die schwierige Po-Ebene geschafft. Ganz herzlichen Glückwunsch Euch beiden! Ein schlechtes Gewissen wegen des Abbruchs? Aber nicht doch. Im nächsten Jahr geht's weiter ab Fidenza über den (na ja oft auch beschwerlichen, aber ...) wunderschönen Apennin. Plant dabei keine zu weiten Strecken, dann werdet Ihr Eure Freude daran haben. Und hin und wieder ein kleines sauberes Hotelchen ist sicherlich auch gut geeignet, die Stimmung aufzuhellen.
Von ganzem Herzen wünsche ich Euch gute körperliche und selische Erholung. Und ich freue mich sehr darauf, von Euch beiden ganz tüchtigen Pilgern wieder zu hören.
Euer Alexander.
www.Zu-Fuss-nach-Rom.de
Lieber Kerstin und Hans-Jürgen,
AntwortenLöschenIch fand den Po auch sehr schwer. Es war heiß, es gab viele Mücken. Ich hatte genug. Aber das geht. Zum Glück können wir das Elend vergessen und erinnern wir uns die guten Dinge. Der Apennin sind schön, aber nicht einfach durch die Höhe. Das ist im nächsten Jahr mit neuer Energie und neuen Mut.
Viele liebe Grüße, Everdiene
PS Ich bin jetzt wieder sicher und gesund zu Hause.