Freitag, 10. Mai 2013

Tag 10, 09.05.2013, von Calendasco über Piacenza nach Montale, 18 km



Das Zimmer in Calendasco hat ein Doppelstockbett und ein Feldbett, sonst wirklich nichts, keinen Stuhl, keinen Tisch, keinen Schrank und ist somit viel zu teuer. Den Aufenthaltsraum mit Spielen und Reliefkarte so wie der Wanderführe es beschreibt, hat man wohl abgeschafft und auch die versprochene Saune sucht man vergeblich.
So machen wir uns heute Morgen um acht auf den Weg in Richtung Piacenza.
Gefrühstückt wird in der ersten Bar im Ort, wobei das italienische Frühstück aus Cappuccino, Tee und zwei Croissants besteht. 
Verlaufen kann man sich heute nicht, es geht nur kleine Landstraße von Dörfchen zu Dörfchen. Sehr trist. Da freut man sich, wenn eine Oma Buon Camino wünscht und sich nach unserer Herkunft erkundigt oder ein Mann auf einem Rad uns als Pilger erkennt und den Weg nach Piacenza weist.
 Die Stadt ist dann auch schnelle gegen 11.00 Uhr erreicht , es dauert aber noch gute fünf Kilometer bis man im Zentrum ist, Autohäuser, Tankstellen, MC Donald, Nachtclubs und wieder Autohäuser. Viel Gestank und noch mehr Lärm.  Als Autofahre ist einem das gar nicht so bewusst, geht man aber selbst durch solch ein Industriegebiet zu Fuß, atmet man nur Dreck.
Gestern dachten wir noch, die Alpini im Hotel machen so eine Art Jahrgangstreffen, anscheinend ist es aber ein ganz großes Spektakel, was hier in den nächsten drei Tagen abgeht. Alpini wo man geht und steht, es werden Bierzeltgarnituren aufgebaut, Häuser und Straßen sind mit Grün-Weiß-Rot geschmückt, von den Dächern der Bars und Cafés prangen große grüne Hüte. Selbst die Kinder laufen mit dieser Kopfbedeckung herum. Daher ist es auch nicht verwunderlich, wenn man im Zentrum von den vielen Sehenswürdigkeiten gar nicht viel mitbekommt. Alles ist zugestellt mit Festzelten und Verkaufsständen, an denen man blaue T-Shirts, grüne Hüte und bunte Luftballons kaufen kann. Selbst die Kirchentüren sind mit dem Logo der Alpni geschmückt.
Wir suchen die Tourismusinformation und möchten die Damen bitten, uns für morgen in der Abbazia in Chiaravalle della Colomba  anzumelden. Die sind aber total überforder mit den Alpini, die noch ein Hotel suchen und daher auch nicht gerade freundlich, Wir Pilger werden einfach links liegen gelassen und sollen halb eins nochmal wiederkommen.  Ich bin sauer und humple unverrichteter Dinge davon, lass mich auf eine Bierzeltgarnitur nieder und von meinem Mann  blasentechnisch versorgen. Zuvor haben wir mal wieder ein Vermögen in der Farmacia gelassen, um uns mit Blasenpflaster, Herpes Pflaster, Labello und Desinfektionstüchern einzudecken.  Eine Nadel und Faden werden sterilisiert, die Blase wird aufgestochen, der Faden durchgezogen und das Ganze mit Blasenpflaster und dem guten Leukoplast verklebt, so dass der Faden rechts und links noch herausschaut und somit wie eine Drainage wirkt.
Dann gibst noch Panini und weil heute Männertag ist zu Mittag schon ein Bierchen und selbst auf die Toiletten im Café darf man nicht mehr, man soll die öffentlichen nutzen, was ich mir verkneife. Hier scheint alles verrückt zu spielen. Man bereitet sich auf ein Riesenspektakel vor, Oktober- und Weinstraßenfest in einem.
Bei meinem zweiten Anlauf im Tourismusbüro habe ich dann endlich Erfolg und man zeigt sich gnädig, das mit der Unterkunft geht klar und nun soll ich mich auch in eine Pilgerliste eintrage.
Trotzdem sind die Bediensteten des Tourismusbüros in Piacenza Pilgern gegenüber sehr überheblich, wie ich finde.
Ohne große Besichtigungen geht es also Richtung Montale, das gehört  fast noch zu Piacenza. Wieder vier Kilometer durch Lärm und Abgase.  Immer mehr Alpini strömen in die altehrwürdige Stadt. Mit geschmückten Autos laut hupend und aus Lautsprechern tönt la Montanara.
Als wir schließlich die Herberge erreichen, machen wir uns keine besondere Hoffnung auf eine schöne Unterkunft. Den Schlüssel gibt’s wie immer in der Bar, die Bardame schickt uns zur Zeitschriftendame nach nebenan, die wieder zur Bardame. Prost Mahlzeit. Als wir schließlich die Herberge betreten, sind wir beide positiv überrascht. Das nennt man mal eine pilgerfreundliche, nette saubere Unterkunft.
Sie ist in der aus dem 12. Jahrhundert stammend Kirche untergebracht, besteht aus großer Küche, einem Einbettzimmer mit sauberem Bad unterm Dach, einem Vier- und Zweibettzimmer und Bad im Obergeschoss und einer Küche im Erdgeschoss. Man hat Durchgang zur Kirche und wir nehmen das Vierbettzimmer in Beschlag. Im Gästebuch sehen wir, dass Markus vor zwei Tagen auch hier war, man, legt der  Strecken zurück. Demnach muss er an einem Tag die Strecke Pavia – Piacenza am Stück gelaufen sein.
Pater Silvio kommt und wir machen ein Schwätzchen. Ein hübscher junger Pfarrer, der uns seine kleine Kirche zeigt und auf die baulichen Besonderheiten hinweist. So ist San Pietro viermal gespiegelt, was einem erst auffällt, wenn man es weiß.  Architektur scheint seine Leidenschaft zu sein, er zeigt uns den Fußboden, alte Säulen und nach 20 Minuten verabschiedet er sich mit dem Hinweis, dass heute noch drei Alpini mit hier übernachten werden.  Die Einwohnerzahl Piacenzas beläuft sich auf 300.000, die Anzahl der Alpini, die am Wochenende hier her strömen auf 400.000.
Nach Duschen und Blasenversorgung, nutzen wir heute die Gelegenheit einer eigenen Küche und kochen und Nudeln mit Basilikum Pesto und geriebenen Peccorino. Als Dessert gibt es Joghurt aus dem Supermarkt gegenüber.
Da wir morgen wieder früh rauswollen, geht’s jetzt schnell ins Bettchen und vielleicht sind wir schon weg, wenn die Garde hier einmarschiert.
Erkenntnis des Tages:  Grüner Hut und Feder – wird wohl ein Alpini sein !

Vielen Dank für die netten und aufbauenden Kommentare, die machen wirklich Mut und wir freuen uns über jeden Zuspruch. Per Handy können wir sie auch immer gleich lesen und wenn man gerade unterwegs ist, macht es wieder richtig Laune, weiterzulaufen.  Grazie !




 Kirche und Ostello S. Pietro in Montale

im Ostello

mit Don Silvio



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