09. Mai La Roquette sur Siagne – Theoule sur Mer
Pünktlich um halb sieben erscheinen wir zum Frühstück. Nina und Robert essen morgens nur Obst, uns aber haben sie ein richtiges Frühstück gemacht und Kaffee gekocht. Wir könnten stundenlang erzählen obwohl wir verschiedene Sprachen sprechen, verstehen wir uns gut, die Verständigung erfolgt auf Englisch (und außerdem, um beim kleinen Prinzen zu bleiben, man sieht nur mit dem Herzen gut …) .
Robert ist unheimlich hilfsbereit und erklärt meinem Mann eine mautfreie Route nach Deutschland, die sie immer mit ihrem Kombi nehmen, dazu breitet er sämtliches Kartenmaterial auf dem großen Küchentisch aus.
Als wir schließlich zu viert losziehen, gibt’s das obligatorische Bild an der Gartentür. Beide haben heute im Nachbarort ihre Yogastunde, sie laufen immer zu Fuß dort hin und zeigen uns ein paar Abkürzungen. Man merkt, dass der 77Jährige früher Marathon gelaufen ist, denn er legt ein Tempo vor, Mann o Mann !
Nina hakt sich bei mir ein und sagt ganz leise zu mir: „my little sister“.
Die Verabschiedung fällt entsprechend herzlich aus und beide versprechen, auf der nächsten Rückreise aus Holland, bei uns zu klingeln. Herzlich willkommen.
Zunächst führt uns der Wanderführer mal wieder durchs Industriegebiet, dass es mittlerweile einen wunderbar breiten Rad- und Fußweg nach Pergomas gibt, kriegen wir erst später mit. Ab hier geht es dann immer an der Siagne entlang. Die mündet in Mandelieu-la-Napoule ins Mittelmeer, und dort soll es zunächst hingehen.
Aus Ninas Garten konnte man die Hochhäuser von Cannes sehen und wir befinden uns jetzt bereits schon etwas westlich. Die Metropolen Monaco, Nizza und Cannes haben wir im Prinzip nur von oben gesehen und sind auf den maritimen Alpen umwandert. Unser heutiges Ziel heißt Theoule sur Mer. Nina meinte, dass wir Glück hätten, dort noch ein Zimmer bekommen zu haben, da kommende Woche die Filmfestspiele in Cannes beginnen und dann alles ausgebucht sei. Selbst die freien Zimmer in der Villa St. Camille in Theoule sur Mer.
Und tatsächlich sehen wir im Halbstundentakt die Privatmaschinen den Flughafen in Mandelieu anfliegen.
Die Wanderung an der Siagne entlang ist eigentlich schön, allerdings zwingen uns Baumfällarbeiten ein paar mal zur Rückkehr. Der Weg ist mit schmiedeeisernen Wegweisern gut markiert.
Auch hier gibt’s wieder Golfplätze und welch eine Dekadenz, für die Golfer eine eigene Fähre, die sie von einem Golfplatz samt Kaddye über den Fluss zum anderen Golfplatz bringt. Noch schlimmer, die Grünflächen der Golfplätze werden fleißig beregnet, es gibt sogar Teiche, und oben in den Dörfern stehen die Brunnen leer.
Man geht sehr lange an der Siagne entlang und es wird dann auch wieder zunehmend lauter. Irgendwann erreichen wir dann wieder die Küste. Das Wasser ist nach wie vor azurblau, der Lärm ohrenbetäubend und der Gestank schrecklich.
Kein Wunder, dass viele Hotels an der Straße verlassen und kaputt sind. Uns bleibt nichts anderes übrig als auf einem Fußweg an der Hauptverkehrsstraße zu laufen, an den Abschnitten, wo man am Strand entlang laufen könnte, wird gerade frisch gepflastert. Eigentlich gehen hier die Orte ineinander über. Theoule sur Mer liegt zwar an der Küste, zieht sich aber weit an einem Felshang hinauf, so dass es hier einen kostenlosen Shuttlebus gibt, der die Bürger und Pilger in die höher gelegenen Ortsteile bringt. Diesen Bus machen wir ausfindig und sind nach vielen Kurven und Höhenmetern an der Villa St. Camille angelangt. Die Unterkunft ist so ein Mix aus Behinderten-Alters-Heim-Hotel und biete für eine Nacht Pilgern zu einem kulanten Preis ein tolles Zimmer mit Halbpension an.
Halbpension ist auch gut so, denn man will nach einem langen Tag nicht nochmal hinab und wieder hinauf steigen.
Das, ich nenn´s mal Hotel, betritt man durch einen kleinen unterirdischen Tunnel, besteigt dort einen Fahrstuhl in die 0. Etage und gelangt so zur Rezeption. Der Empfangsbereich ähnelt dann dem eines Hotels, mit kleinen Souvenirshops, Cafe und einer sage und schreibe wunderbar großen Terrasse, die bereits weit über dem Meeresspiegel hinaus reicht, man kann hier bis zu den vorgelagerten Inseln und Antibes sehen.
Der Gast bekommt ein All-In Bändchen und das Zimmer ähnelt wirklich einem großen Hotelzimmer mit Behindertenbad. Der Clou allerdings ist der riesige Balkon zur Meeresseite. Einige Zimmer sind dauerhaft bewohnt, die Balkone wohnlich bestuhlt und bepflanzt, auf einem steht sogar ein Fernrohr. Unser Balkon und die neben uns sind durch kleine Pflanzbehälter mit vermickerten Kartäusernelken abgetrennt.
Das Abendessen gestaltet sich etwas gewöhnungsbedürftig zwischen den älteren Herrschaften in der Kantine und wir essen schnell.
Mit einer Flasche Sprudelwasser lassen wir unseren letzten Wandertag auf dem Balkon über der Cote d`Azur heute ausklingen.
Eigentlich hatten wir noch eine weitere Etappe bis St. Raphael geplant, um von dort am gleichen Abend nach San Remo zurück zu fahren, aber 25 km und fast 1000 hm sowie die bisherigen Erfahrungen schrecken uns etwas ab, so dass wir morgen den ersten Bus zum Bahnhof nehmen und durch einige durchwanderte Orte zurückfahren und die Berge, durch die wir stramm gewandert und fluchend gehumpelt sind, mal von unten betrachten können.
Erkenntnis des Tages : Achtung! in Alpes-Maritimes steckt vor allem das Wörtchen Alpes !!!
Bis Bald ! Au Revoir und Arrivederci !