Mittwoch, 22. Mai 2024


21. Mai 2024 Paradou – Arles 


Lange fanden wir keinen Schlaf, weil wir die Seiten der SNCF, Trainline  und DB quälten, um eine günstige Verbindung für morgen nach Hause zu finden. Wir haben noch keine Rückfahrkarte, weil wir nicht genau wussten, wie weit wir überhaupt kämen. Außerdem wollen wir stolz unsere französische Seniorenkarte benutzen, die es hier im Gegenteil zu Deutschland schon ab 60 gibt. Alle Seiten lassen aber Buchungen mit der Avantage Senior nicht zu, so dass wir an einen Bahnhofsschalter müssen. Da bietet sich nur Arles an und wir hoffen, dass noch Kontingent frei ist. Gerad kommt gegen 8 vorbei und zeigt uns noch die Kirche aus dem 16. Jahrhundert und auch Paulina kommt nochmals in den Hof, um uns zu verbschieden. Der Tag lässt sich gut an und mich beschleicht ein Gefühl, wennˋs gut beginnt, kommt noch der Hammer. 

Zunächst geht es auf einen Waldweg mit ganz alten großen Platanen und an einer alten Klosteranlage vorbei. Neben Kalkstein sieht man jetzt auch immer wieder Bauxit, das Erz färbt das Gestein rot und statt über weiße Kalksteinwege zu laufen sind es jetzt rote vom Bauxiterz gefärbte Wege. 

 


Sehr gut ausgemuschelt erreichen wir einen Campingplatz und einen Mühlenweg. Kurz darauf ein kleines Städtchen Fontvieille, das ist wieder so ein französisches Städtchen, klein, man grüßt, viele nette Restaurants und Bars, geöffnet. Uns aber treibt es weiter Richtung Arles zum Bahnhof. 

 


Dort angekommen, erfahren wir, dass heute die Elektronik der Automaten und auch die am Schalter ausgefallen ist, man müsse im Zug lösen. Das allerdings löst nicht unser Problem. Wir brauchen ein TGV Ticket für morgen  von Marseille nach Strassburg, was ich unmöglich im Zug lösen kann. Eine Unterkunft für heute haben wir auch noch nicht. Also muss die Stadtbesichtigung von Arles leider ausfallen und ich werde wütend. So begeistert wie wir von den französischen Busbetrieben und der Bahn sind, aber das mit den Fahrkartenschaltern kriegen sie irgendwie nicht in den Griff, denn es passiert und bereits zum dritten Mal, dass die Automaten ausfallen. Es bleibt uns also nichts weiter übrig als nach Marseille zu fahren, in der Hoffnung, dort würde das klappen. Diese Metropole wollte ich unbedingt umgehen, zumindest als Pilger. Nicht nochmals eine  Großstadt. Die Nerven liegen blank. Im Bahnhof Marseille finden wir nach einigem Suchen den internationalen Fahrkartenschalter, einen jungen und netten Bediensteten, es gibt noch Kontingent, allerdings nur 1. Klasse, machen wir aber mit der Seniorenkarte wieder gut, und wir nehmen morgen den TGV Marseille nach Karlsruhe. Und von dort die Regionalbahn. Im Prinzip sind wir dann in 8 Stunden mit einmal Umsteigen von Südfrankreich in die Pfalz gefahren. Das Sigtseeing in Marseille hätten wir lieber sein sollen und war auch nicht geplant. Wir verkrümeln uns ins Hotelzimmer und werden morgen früh den kürzesten Weg zum Gare nehmen.  



 
 

Erkenntnis des Tages: Erstmal sacken lassen. Dennoch war es wieder schön !




 
20. Mai 2024, Salon en Provence – Paradou 


 



 Schnell sind unsere Rucksäcke heute Morgen gepackt. Man entwickelt Routine dabei. Ein letzter Steckdosencheck und auf geht’s. In der Bar an dem hübschen, aufgrund der Kalkablagerungen vollständig mit Moos bedeckten Brunnen, einem Wahrzeichen der Stadt, in dem sogar ein paar Goldfische schwimmen, machen wir le petit dejeuner, schlenkern noch etwas durchs heute Morgen sehr ruhige Städtchen und nehmen den Bus Richtung Arles. 


 




Ohne schlechtem Gewissen. Die Herberge in Paradou steht offen. Wir stellen unsere Rucksäcke ab und machen uns zu Fuß auf den Weg hinauf nach Les Baux de Provence, das auf 300 m auf einem Kalksteinfelsen liegt. Es ist bewölkt. Die Straßenränder und Parkplätz entlang der Straße hinauf sind übervoll, die reinste Völkerwanderung. Das Dörfchen hat ca 300 Einwohner und wahrscheinlich zehnmal soviel Touristen strömen hier täglich hinauf. Beim Betreten durchs untere Stadttor erschlägt es und fast, viele asiatische Touristen, Europa in drei Tagen. Es ist wie eine Mischung aus San Gimignano, Bussana Vecchio und Vence. Touristenmagneten plus Künstlerkolonie. 

 



Bei uns ist die Luft etwas raus und wir  bleiben nicht lange dort oben, sind nach 4 km wieder in Paradou in der Pilgerherberge und nehmen diese in Beschlag. Es gibt eine Küche, zwei nagelneu saubere Duschen und zwei Räume mit Doppelstockbetten. Da Paradou ein Anlaufpunkt für Weitwanderer und Pilger ist, die von hier auf der Via Aurelia pilgern oder über die Alpen Richtung Turin oder Montgeneve gehen , hat man hier gleich neben der Kirche diese Herberge eingerichtet. In den Räumen darüber wurde eine ukrainische Flüchtlingsfamilie untergebracht und Paulina, die Babuschka, kommt auf den Hof. Wir kommen ins Gespräch, den googleübersetzer müssen wir nicht bemühen, da heute mal wieder russisch gesprochen wird. Ist schon komisch, wie global die Welt geworden ist und welch traurige Umstände dazu führen, dass wir auf einem christlichen Weg in der westlichen Welt diese ostslawische Sprache anwenden. Irgendwie ist die Welt schon aus den Fugen geraten. Paulina erzählt uns auch, dass ihr Schwiegersohn im Herbst im Krieg fiel und sie nun hier mit der vierköpfigen Familie lebt.
Als Gerard, der Initiator der Pilgerherberge und der Flüchtlingsunterkunft hinzu kommt, geht es wieder in einem Kauderwelsch aus mehreren Sprachen einher, französisch, deutsch, englisch, russisch. Wir sind heute mal wieder die einzigen Gäste. Der Kühlschrank ist gefüllt, er hat Paella vorbereitet und es steht sogar eine Flache Cidre da. Wir richten uns ein und genießen den Abend noch beim Gläschen Wein.  
Die Wäsche trocknet im Garten und die Doppelstockbetten sind sauber und man hält hier sogar für die Pilger Einmalbezüge bereit. Im Gästebuch sind wir mal wieder die ersten Deutschen, es gibt nur französische und italienische Einträge. Morgen ist der letzte Wandertag und wir brauchen eine Rückfahrkarte. 





 
 
Erkenntnis des Tage: Wir brauchen dringend eine Fahrkarte nachhause !
 
 
 
 

19. Mai 2024, Lancon en Provence – Salon en Provence 



Ein schöne Unterkunft habe ich da gefunden, das Zimmer auf der Farm von Amelie. Bequemes Bett, saubere Wäsche und zum Frühstück gibt es Rührei, für ein französisches Frühstück was ganz außergewöhnliches. Pfingstsonntag, Amelie macht eine Radtour und wir können so lange bleiben wie wir wollen, ganz unkompliziert. Der Weg nach Salon unterscheidet ich nicht wesentlich vom gestrigen. Ein weitverzweigtes Netz aus Kalksteinschotterwegen, mal kleine Brocken, mal große Brocken. Umsäumt von den kleinwüchsigen Stecheichen, die man optisch mit Heidelbeerkraut verwechseln könnte. Und wieder kaum Schatten, viel Sonne, viel warm, viel trinken. Man wandert lange durch diese Landschaft, verliert die Wegweiser, findet aber dank der vielen Wege immer wieder auf die Markierung. Allerdings findet man kaum eine Sitzgelegenheit. Es wird heiß, sehr heiß. Und ab und zu kommen jetzt auch leise Zweifel auf, warum nur tut man sich das an, zumal an einem Pfingstsonntag. Irgendwann höre ich dann wieder Musik vom Handy und ein paar Osthits trage uns über eine Autobahnbrücke und einen Fluss. 




 


Hier ist schon Richtung Barcelona ausgeschildert und bei spanischer Hitze leeren wir unsere Wasserflaschen, in der Hoffnung, wieder irgendwo klingeln zu können, um Wasser aufzufüllen. Irgendwann kann mich aber auch „Jugendliebe“ und „Alt wie ein Baum“ nicht mehr antreiben. Da entdecken wir in einem Vorort von Salon diese scheinbar neu errichtete Marmorstatue des Jakobus mit der Kilometerangabe nach Rom und nach Santiago. Demnach haben wir noch nicht einmal die Hälfte erwandert. Eine Anwohnerin versorgt uns mit Wasser und eine Stunde später etwa erreichen wir die Peripherie von Salon. 

 


Wir erwandern uns das Städtchen wieder durch nicht gerade saubere Vorortsiedlungen und die einzigen Einkehrmöglichkeiten, die sich hier bieten sind halt MC und Burger King. Wir trinken jeder einen halben Liter Cola und bleiben gefühlt eine Stunde sitzen, einfach nur sitzen. Beim Aufstehen schmerzen alle Knochen. Vorbei an der Fliegerschule der Patrouille France und einer alter Gladius SFV 650 (so etwas wie eine MIG 17) empfängt uns Salon en Provence an sich empfängt uns dann mit einem lustigen und lauten Seifenkistenrennen. Die Teilnehmer, in Kostümen, haben einen Mordsgaudi und die Zuschauer auch. Mein Mann bewundert die Konstruktionen und ich suche nur eine Bar, sitzen und trinken und sitzen und trinken. Wie angenehm da ein großer Eisbecher kommt und ganz ohne schlechtes Gewissen wird er verdrückt. 




 
 

 
 
Unser Hotel ist nicht weit entfernt, schlicht einfach, klein. An Pilger ist der Inhaber gewöhnt und für eine Nacht ist es allemal besser als manch andere Unterkunft. Salon en Provence hat ein hübsches Innenstädtchen und ist bestimmt ein Reise wert. Für Weitwanderer und Pilger auf der „Durchreise“ allerdings gerade so grenzwertig. Hinein wandern, ein bißchen Sigtseeing, schlafen, heraus wandern. Der morgige Weg soll ähnlich sein wie heute, deshalb und weil wir eigentlich noch nach Les Baux wolllen, eines der wohl schönsten Dörfer Frankreichs, überlegen wir, morgen ein Stück Bus zu nehmen.  

 
 
Erkenntnis des Tages:  Noch nicht die Hälfte rum ?!



Samstag, 18. Mai 2024

 
18. Mai 2024 Eguilles – Lancon de Provence 


Heute Morgen gibt’s auch wieder selfmade Frühstück, denn in die Bäckerei nach Eguilles müssten wir 2 km ins Dorf, das wären hin und zurück 4 km, bei einen Tagesmarsch von 20 km, knausert man mit jedem km, der überflüssig ist. Zunächst geht es bei wirklich schönem Wetter zum Dorf hinaus. Wir folgen der Beschilderung und kommen an Mohnblumenfeldern vorbei.

 


 Heute geht es fast nur auf Waldwegen lang, Ein weitverzweigtes Wegenetz führt hier in benachbarte Orte, so dass man die Straße fast umgehen kann. Ein keines Schwätzchen wird gehalten, als uns ein älterer Herr mit Tagesrucksack entgegen kommt, uns als Pilger identifiziert und erzählt, dass er vor Jahren selbst von Arles nach Santiago gepilgert ist. Wir drohnen und sind wieder ganz allein unterwegs, laufen km für km durch Stecheichenwäldchen, das ist kleines hüfthohes Buschwerk. Mein Mann sammelt Kräuter der Provence, die hier in Mengen anzufinden sind, bindet sich Thymian und Rosmarin an den Rucksack, weil man das ja immer mal gebrauchen kann. 

Zu guter Letzt heißt es dann aber doch nochmal 4 km Asphalttreten bis wir das BnB von Amelie erreichen und hier unser kleines aber geräumiges schnuckeliges Gästezimmer betreten. Sie bietet uns an, uns in ein 4 km entferntes Restaurant zu fahren. Nix drin, es gibt Pizzaservice und vier Büchsen Bier, die ich heute brav 20 km getragen habe.
 


 






Erkenntnis des Tages: Es muss nicht immer Kaviar sein !


 
17. Mai 2024  Aix-en Provence – Eguilles 

 
Die Stadtbesichtigung war interessant, aber dennoch ungewöhnlich für uns, ganz ohne Rucksack. Die Nacht im Miniroom war stressig, Rücken er, Herpes sie. Während ich echt überlegte, nach Hause zu fahren, machte mein Mann den Vorschlag, nach dem Sightseeing, mit dem Bus in einen Vorort zu fahren, um heute Morgen von dort nach Lancon, wie geplant, zu laufen. Wir finden übers Internet auch eine Unterkunft und ich lass mich umstimmen. So richtig Stimmung kommt heute Vormittag nicht auf. Uns ist das alles zu viel Hektik, Verkehr und Krach. Man hat seine Not, ein paar schöne Fotos zu machen, ohne dass ein Bus oder ein Auto in die Quere kommt. In der Touristeninformation bedient uns ein junger Deutscher, dem es, so meint er, eine Ehre sei, die Pilgerpässe aus Rom abzustempeln. Aix-en-Provence ist eine Universitätsstadt, demzufolge gibt es auch ganz viel junge Menschen hier und etliche Studentenkneipen. Eigentlich ganz hübsch, nur eben nicht für uns zum jetzigen Zeitpunkt. Das eine aber muss man unserem Nachbarn zugute halten, die Busse hier sind pünktlich, sauber und absolut preiswert. Und so sind wir für 1,30 Euro pro Person in knapp 30 Minuten dem Tummel entflohen, sparen uns ca 6 km Vorstadtsiedlung und genießen einen ruhigen Abend in einer kleinen Ferienwohnung in Eguilles. Die Verpflegung haben wir mitgeschleppt und mein Göttergatte kann aus wenig was Besonderes zaubern. 








 16. Mai 2024, Puyloubier – Aix-en-Provence 

In der Nacht hat es nochmal geregnet. Die Sonne kommt raus und es herrscht ganz klarer Himmel. Man muss nicht lange bis ans Dorfende laufen. Und hier – ein Anblick der Superlative, dieses gewaltige Felsmassiv Sainte Victoire, ganz nah. Der höchste Gipfel ist über 1000 m hoch. Eigentlich wollen wir hinauf zur Einsiedelei Ermitage. Das ist uns aber mit den Rucksäcken zu beschwerlich, zumal man teilweise steil hinauf über Felsbrocken klettern müsste. So ziehen wir auf dem kleinen Asphaltsträßchen weiter. Ganz allein bei herrlichem Wetter. 

 Zur Obstpause wird gedrohnt und wir beobachten zwei Kletterer. Sonst ist hier kaum Betrieb. Es ist Wochentag. An den Wochenenden ist hier mehr los, da es ein bekanntes Ausflugsziel ist. Man geht also dieses Sträßchen entlang, bestaunt rechst das Felsmassiv und links die Weinberge. Trotzdem kommt man ins Schwitzen und in Saint Antonin sur Bayon, ein winziges Dörfchen am Fuße des Berges, gibt es eine Art Museum zum Sainte Victoire und ein Ausflugslokal. Es ist bereits Mittag und viele Einheimische kommen mit den Autos, um hier zu essen. Wir gönnen uns Plate de jour, das Museum hat geschlossen und da wir nicht genau wissen, ob es die letzten km nach Aix hinein bergauf oder bergab geht, beschließen wir, den Bus zu nehmen, der hier jede Stunde fährt. 

 In Antonin sur Bayon habe ich leider keine Unterkunft gefunden, sonst wären wir hier geblieben.  Und wie so oft, wenn man tagelang fast allein unterwegs ist, Menschen lediglich morgens oder abends begegnet und dann auch nur in minimaler Anzahl, ist man erschlagen von den vielen Menschen, dem Lärm, dem Verkehr und möchte diese Metropole ganz schnell durchwandern. War der Start heute Morgen so ruhig und idyllisch, ist die Ankunft heute Abend erschreckend, so schnell kann man sich gar nicht auf Großstadt einstellen. Also gehen wir, nachdem wir unsere Unterkunft finden auch nicht mehr raus, quälen die Waschmaschine, versuchen, in diesem Miniapartment, die Couch zur Schlafcouch umzurüsten und planen das Sightseeing für morgen.


 
 
 
 
Erkenntnis des Tages:  Ruhetage nie in Metropolen planen !
 
 

Mittwoch, 15. Mai 2024

 15.. Mai 2024, Ollieres – Puyloubier 



Es stürmt und regnet und stürmt und regnet und kühlt sich ab. Die Heizung im Haus ist abgeschaltet, zwei Radiatoren stehen auf dem Gang, die holen wir ins Zimmer und kuscheln uns zusätzlich noch in die Schlafsäcke. Morgens gibt’s Kaffee und Frühstück vom Großeinkauf. Um neun ziehen wir los. Die Fleecejacke tut heute Morgen gute Dienste und ich bereue schon, die Mütze daheim wieder ausgepackt zu haben. Wir nehmen den Schleichweg, kommen an einer zerfallenen Abbaye vorbei und sind auf einem breiten Waldweg, den es jetzt erstmal viele km Richtung Pourrieres geht. 

 


Zwei Jäger im Cheep halten vor uns, ein kurzes Woher und Wohin und Bon Courage und wir sind allein. Es ist bedeckt und hat sich merklich abgekühlt. Und man geht einfach, setzt einen Fuß vor den anderen, muss kaum auf Wegweiser achten, weil es nur geradeaus geht.

 



 Irgendwann überqueren wir den Canal de Provence und finden tatsächlich ein winziges Bänkchen im Wald, um zu rasten. Als der  Weg steinig wird kommt mein Mann mir entgegen und nimmt mir kurz, damit aus der Obst- keine Mittagspause wird, den Rucksack ab. Wir scherzen und sind eigentlich gut drauf. Es regnet nicht, das ist schon mal die halbe Miete, und man muss heute auch nicht Schatten suchen, das ist schon mal die andere Hälfte. 

 



Kurz vor dem Städtchen Pourrieres verlassen wir den Wald und es geht wieder zwischen den Weinbergen entlang. Auch hier entdecken wir erfrorene Rebstöcke, die aber schon wieder Grün angesetzt haben. Schon wird’s ein bisschen langweilig, ich suche auf meinem Handy die Musikdateien und wir lassen uns passend zu Frankreich von den Chansons von Edith Piaf im Walzertakt unter dem wolkenverhangenen Himmel durch die Weinberge der Provence tragen.

 


Und genau so hab ich es mir vorgestellt, zu Mittag betreten wir Pourrieres, finden ein kleines geöffnetes Dorfrestaurant, es gibt Plat du Jour und einen Kaffee. Als eine ältere Dame uns bemerkt, spricht sie mich an und, soweit ich sie verstehe, erzählt sie, dass sie vor vielen Jahren auch nach Santiago gepilgert ist und ihre Augen glänzen dabei. Gestärkt wird stramm weiter gewandert. Und siehe da, jetzt kommt die Sonne raus und es geht nur im Shirt weiter. Auf einem kleinen Asphaltsträßchen verlassen wir den Ort und sehen in der Ferne bereits Puylobier, im Hintergrund die Montagne Sainte Victoire, die Berge, die Cezanne zu unzähligen Bildern anregten. 



 


 
Kurz bevor wir den Ort erreichen, zieht ein Gewitter auf. Das ist für mich fast noch schlimmer als freilaufende Hunde. Wir legen einen Schritt zu. Mitten in der Stadt finden wir allerdings auf die Schnelle kein Cafe , in das wir flüchten könnten und als der Platzregen kommt, finde ich schnell Zuflucht in der Marie, wo ich auch gleich die Gelegenheit ergreife, den Pilgerpass abstempeln zu lassen. Mein Man geht mir verloren. Ein paar Männer, die am Dorfbrunnen boulen, nehmen ihn unter ihre Fittiche und schleppen ihn mit in ein so typisches altes Waschhaus zum Unterstellen. Das dauert aber nicht lange, als der Regenguss vorbei ist, ziehen wir wieder gemeinsam auf der Avenue Cezanne weiter, die genau nach Aix-en-Provence geht. Hier an dieser Straße befindet sich unsere Unterkunft für heute. Wieder sind wir ganz allein. In der Nähe gibt’s keinen Supermarkt und manchmal denke ich, statt einer Vinothek, einem Chateau oder Weinverkauf wäre ein Getränkehandel vielleicht angebrachter. Zum Glück hatten wir ja gestern den Großeinkauf und die nun über fast zwei Tagesetappen neben unseren schweren Rucksäcken in Einkaufsbeuteln transportierten Lebensmittel finden heute Abend reißenden Absatz. Mein Göttergatte zaubert, während ich mal wieder große Handwäsche mache und blog schreibe, das Abendessen in Form einer Salami-Käse-Platte, mit Baguette und Butter, selbst die Oliven und Tomaten haben die Wanderung überstanden. Auch das halbe  Kilo Äpfel, die Bananen und die Erdnussflips-Tüte. In der Küche finden wir Teebeutel und im Kühlschrank Eiswürfel. Mann meint gar nicht, wie lecker Teebeuteltee mit Eiswürfeln schmeckt. Draußen regnet es und ab und zu hört man noch Donnergrollen. Morgens soll es nach Aix-en-Provence gehen und hier gibts einen Ruhetag und eine Waschmaschine. Hurra!

 
 
Erkenntnis des Tages:  Es muss nicht immer was passieren!
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 14. Mai 2024, Bras – Ollieres 

Die Nacht war sehr erholsam und eindeutig zu kurz. Ich werde erst munter als mein Mann schon den Rucksack packt. 


 Im BnB sind fast alle Gäste Deutsche und man verplaudert sich abends. Die Gläser  Wein, die uns beim Berichten zu unserem Weg angeboten wurden, mussten wir leider ablehnen, dann wäre heute nichts gegangen und  gehen müssen wir ja wieder. Dennoch verplaudern wir uns beim Frühstück und brechen erst gegen 10.00 Uhr auf. Heute geht’s über Saint Maximin bis in ein Weingut hinter Ollieres und man kommt Aix-en-Provence immer näher. Saint Maximin liegt etwa 13 km entfernt. Heute Morgen ist es bedeckt, in der Nacht hat es geregnet. Der Weg führt heute über eine Asphaltstraße, weil man ja die Wanderwege durchs Hollywood-Valley nicht benutzen darf. Das ärgert natürlich auch den hiesigen Tourismusverein, so erfahren wir von Claude.

Bereits gestern kamen wir  an Feldern  erfrorener Weinstöcke vorbei und erfuhren von Martina, dass  vor Kurzem  einige Tage Minusgrade waren und man hofft, die Reben würden nochmals  neue Triebe ansetzen. Auch deshalb nennt man das Gebiet um Bras herum die sibirische Provence. 


 


Bereits Madame Phillippon erzählte uns, dass im Winter hier manchmal 20 Grad Temperaturunterschiede am Tag herrschen. Wegen des regnerischen Wetters geht’s heute zügig voran. An der Basilika in Saint Maximin rasten wir und sind ein bisschen enttäuscht von dieser Stadt, rechnet man doch damit, dass in Anbetracht dieser großen Kirche etwas mehr Tourismus herrscht und die Stadt ein bisschen hübscher sei. Heute Abend müssen wir uns selbst versorgen und mein Mann will im Hyper U am Stadtausgang Proviant einkaufen, deponiert mich samt der Rucksäcke im Burger King, wobei er mir einen Kaffee spendiert. Ich gebe  noch den Auftrag, mir ein paar Tempos und zwei Bananen zu kaufen und er kommt nach einer halben Stunde mit einem ganzen Wochenendeinkauf zurück. Da wir für morgen noch keine Unterkunft haben, sitzen und googeln wir noch eine ganze Weile, und zwar solange bis es in Strömen regnet. Bis Ollieres sind noch 6 km, die wir also in Regenbekleidung vollgepackt mit zwei großen Einkaufsbeuteln unter die Füße nehmen. Der Berufsverkehr hat eingesetzt, als wir am Lyceum vorbei kommen und viele Schulbusse wahrnehmen, fragen wir uns nach dem in Richtung Ollieres durch und der Busfahrer hält kurz vor der Unterkunft. 

 

Mittlerweile ist es wirklich kalt und stürmisch geworden, deshalb gibt’s heute auch kaum Fotos. Das Weingut Les Terress de Saint-Hillaire ist eigentlich kein Hotel und kein BnB, man hat sich neben dem Weinbau auf Events und Hochzeiten spezialisiert und für die Gäste, die nachts nicht mehr nach Hause finden, gibst eine Auberge mit 4 Zimmern und Gemeinschaftsdusche. Solch ein Zimmerchen haben wir für heute reserviert. In der Vinothek, nimmt uns Elodie in Empfang, eine nette und sympathische junge Frau, die uns auch gleich den Schleichweg für morgen in Richtung Puylobier erklärt und die Pilgerpässe abstempelt. 

 Sie entdeckt den Stempel von Martinas BnB, und ja, das hätten wir fast vergessen, liebe Grüße vom BnB. Das Weingut heute ist nämlich der Haus-und Hoflieferant des BnB von gestern und man kennt sich gut. Elodie berichtet, dass wir die einzigen Gäste heute sind, aber schon wöchentlich ein Pilger hier nächtigt. Eigentlich kostet ein Zimmer in der Auberge 40 Euro, aber Pilger zahlen nur 30 Euro. Jetzt ist es mal gut, doch einen Pilgerpass vorweisen zu können. Die Auberge liegt noch 400 m von der Vinothek entfernt, ist ein Haus mit 4 Doppelzimmern, drei Duschen und zwei Toiletten übern Gang und einer kleinen Küche, ausgerüstet mit Kühlschrank, Mikrowelle, Kaffeemaschine und Wasserkocher und Geschirr, und diese Herberge ist heute nur für uns. Wie schade nur, das Wetter spielt nicht mit, wir müssen halt zu Abend in der Küche essen statt auf der Terrasse mit Blick über die Weinberge. Und draußen stürmt und regnet es, dass sich die Bäume vorm Haus fast zu Boden biegen. Eben sibirische Provence. Mein Mann zaubert aus dem Inhalt der großen Einkaufstaschen ein leckeres Abendessen und anschließend wird aus dem halben Stündchen, das ich mich auf Ohr legen will, drei Stunden. Draußen ist es schon dunkel, man hört nur den Regen und den Wind.

 




 
 
 
 
Erkenntnis des Tages:  Auch im Süden wird’s mal kalt !