Sonntag, 7. Mai 2017

Tag 9, 06.05.2017, von Stia zum Passo della Consuma

05.50.2017, von Stia zum Passo della Consuma, 15 km

Albergo Falterona, Stia,  74,- Euro DZ Ü/F


Wir schlafen gut, sehr gut. Der Tag war zwar lang, aber trocken und endlich mal schönes Wetter. Das Hotel ist sehr schön, die Zimmer sauber und der Service ausgezeichnet.
Heute morgen staunen wir übers Frühstücksbuffet. Es gibt richtige Brötchen und sogar Käse und Wurst. Klar sitzen nur deutsche Pilger im Frühstücksraum. Eine Frau am Nachbartisch bittet um einige Infos zur heutigen Strecke und zu den Hotels am Weg. Mein Mann will das Geplappere eigentlich nicht mehr, überlässt mir den Part und genießt unterdessen drei Brötchen und seinen geliebten Cappuccino. Ihn nervt mittlerweile der häufige Erfahrungsaustausch, und besonders der von Pilgerfrau zu Pilgerfrau. So mahnt er zur Eile, denn zuvor geht’s noch in den Alimentari.
Die Stempel für den Pilgerpass gibt’s heute an der Rezeption und die junge Rezeptionistin ist ganz fasziniert von den vielen Stempeln. Da die meisten Pilger ja von Florenz nach Rom laufen, haben sie zu dem Zeitpunkt, an dem sie in Stia nächtigen, ja erst zwei oder drei Stempel im Pilgerpass. Das junge Mädchen freut sich regelrecht und rettet mir ein wenig den Tag. Hätt es ja gern etwas langsamer angehen lassen und auch ein paar Fotos gemacht, aber der Herr drängt. So marschiere ich wütend los, gebe Gas, es geht einen Waldweg bergauf, da kann ich richtig schnell sein. Man gewinnt an Höhe und noch  trockene Bänke laden zur Obtspause ein. Auch mein Mann würde gern rasten, ich hätt gern länger gefrühstückt, also nix jetzt mit Pause. Die ersten Pilger kommen uns entgegen und joggen fast den Weg. Nach zwei Stunden bergauf! brauch ich jetzt aber wirklich die Rast. Es beginnt zu regnen, wir halten uns auf einer Bank an einem Bauernhaus nicht lange auf, streifen die Capes drüber und weiter geht’s, insgesamt warten heute 1000 hm auf uns. Es geht in einen dichten Wald mit schmalen Pfaden. Während der Pause tänzelte immer ein Jagdhund um die Bank herum, der aber lieb ist.
Jedenfalls läuft er uns hinterher und zunächst denken wir, dass der Bauer seinen Hund zurück pfeifen will. Ich kann das gar nicht mehr so richtig nachvollziehen , der Mann ruft irgendwelche Befehle  und schnalzt dabei mit der Zunge. Ich drehe mich um, denke noch immer, der will, dass der Hund zurück kommen soll, der aber schert sich nicht um die Befehle des Herrchen. Dann ruft der Bauer uns etwas zu, was ich beim besten Willen nicht verstehen kann.  Das ist doch der richtigeWeg, ich deute auf die Markierung, rot-weiß am Bau. Dann verstehe ich nur „Cane !“ , dazu deutet der Bauer eine beißende Gestik an. Das Hundchen unterdessen stromert weiter im Wald herum.
Jetzt wird’s auch meinem Mann etwas unheimlich, zumal der Stuttgarter Pilger gestern berichtetet, er sei gleich an seinem ersten Wandertag von einem Hund gebissen wurden. Ich muss also das Pfefferspray aus den Untiefen meines Rucksackes heraus kramen.
Der Bauer ist mittlerweile zum Hof zurück gekehrt, der Hund taucht mal neben, mal vor uns auf, springt plötzlich aus dem Wald und ist wieder verschwunden. Immer, wenn wir denken, er ist wieder nachhause, taucht er auf. Als uns ein Paar entgegen kommt, läuft der Mann sehr langsam, trau mich aber wegen heute morgen, die beide nicht anzusprechen, es muss ein  knapper Gruß reichen. Später taucht dann ein Thüringer Paar auf, die sprechen uns an, weil sie denken, wir seien mit Hund unterwegs. Wir bitten sie, die treue Seele mit ins Dorf zu nehmen. Das Hundchen aber denkt nicht dran, bleibt an unserer Seite, springt ab und zu mal in den Wald, scheucht wilde Tiere auf und ist wieder da. Es regnet mittlerweile in Strömen, der Pfad wird immer schmaler, ich denke noch „was für ein Hexenwald“ als dann der Berliner Pilger vor uns auftaucht, der Hund aber will auch mit ihm nicht zurück. Wir können doch nicht schon wieder einen Hund mit nehmen, wie letztes Jahr am Caceri in Assisi, der musste dann vom Besitzer am Taxistand zum Eremo abgeholt werden, aber das ist eine andere Geschichte.  Der  Regen, das viele Nass, die rutschigen Pfade lassen uns oft stolpern, ich verheddere mich mit den Stöcken im Gebüsch, die Brille beschlägt und ich tappe halbblind meinem Mann hinterher. Es geht stetig bergauf in diesem tiefen dichten Wald, richtig unheimlich ist es. Wir sind von Innen und Außen durchnässt und laufen wie in Trance. Wir haben uns damit abgefunden, dass der Hund immer noch da ist. Plötzlich zischt er in den Wald und wir vernehmen ganz nah bei uns ein furchterregendes Gebelle, wobei deutlich  zwei Hunde heraus zu hören sind, wir zücken das Pfefferspray, das Bellen wird immer lauter und ist ganz dicht, man sieht außer Wald allerdings rein gar nichts. Wir sind ca. 3 Stunden hier drinnen unterwegs, der müsste doch bald zu Ende sein. „Unser“ Hund muss den anderen, der schon ziemlich dicht lauerte, in die Bresche geschlagen haben. Und nun wirds ein bisschen gruselig, mir ist jetzt eigentlich alles egal, ich laufe nur noch blind und klitschnass bergauf, höre aber Motorengeräusche und Autotüren schlagen. Mein Mann sieht  noch ganz gut und berichtet, was er wahr nimmt. Just als wir aus diesem verwunschen Wald heraus treten, kommt der Bauer mit seinem Jeep, öffnet die Beifahrertür, lobt den Hund, winkt uns zu, der Hund springt ins Auto und, noch bevor ich die Brille von der Nase und die Kapuze aus dem Gesicht habe, ist das Auto verschwunden.
Lange grüble ich nachts nach und such nach einer plausiblen Erklärung. Woher weiß der Bauer, wo wir aus dem Wald heraus kommen ? Nun, es gibt wahrscheinlich nur diesen Weg und diesen Ausgang. Woher weiß er, dass wir genau drei Stunden benötigen werden. Er wird die Strecke wahrscheinlich selbst oft genug durch den Wald gelaufen sein und kennt sich aus. All das leuchtet mir ein, aber warum schickt er seinen Hund mit uns mit, die wir doch eigentlich in die entgegen gesetzte Richtung laufen ? Wenn da irgend etwas Bissiges im Wald ist, wären doch eigentlich die Pilger, die richtig herum laufen, viel gefährdeter. Ist der Mann, der so langsam ging, vielleicht gebissen wurden ?  Es waren die einzigen, mit denen wir uns nicht unterhielten. Die beiden Thüringer und der Berliner waren recht munter, allerdings blieb das Hundchen bei uns. Wollte uns da irgend jemand vor irgend etwas beschützen ? Und jetzt wird’s noch gruseliger, wegen unseres kurzzeitigen Zoffs heute Morgen, war ich zum Tagesvideo nicht bereit und habe auch keine Fotos gemacht. Als wir dann kurz vorm Ziel drehen wollten, versagte die Batterie des Fotoapparates. Mein Mann hat aber mit seinem Handy den Hund fotografiert und ich schwöre, ich habe das Foto auf dem Display mit eigenen Augen gesehen Als wir jetzt de Handyfotos auf den Laptop überspielen wollen, sind alle Bilder noch da, nur das vom Hund nicht mehr.
Camino-Mystic ?!
Jedenfalls hat uns die Welt wieder, zwar völlig durchnässt aber ungebissen.


In einer Garageneinfahrt müssen wir uns umziehen, holen alle noch trockenen Sachen aus den Rucksäcken und stopfen das nasse Zeug hinein. Das Dorf wirkt wie ausgestorben. Fast alle Häuser werden zum Verkauf angeboten. Wir kraxeln zuletzt noch einen steilen und steinigen Weg hinauf, es donnert. Ganz plötzlich sind wir in dichtem Nebel eingehüllt, drehen jetzt mit dem Handy den Videoclip und sind am Passo della Consuma.

 

Wir sehen zu, dass wir zur Unterkunft kommen, finden die Bäckerei, die auch Zimmer vermietet, schnell und werden schon erwartet. Im Geschäft ist es warm und wir bekommen einen heißen Tee. Kurz nach uns treffen noch zwei amerikanische Pilgerinnen ein, die sich heute von S. Ellero hera



uf schleppten und Irina, die Besitzerin fährt uns zur Unterkunft. Die ist jetzt nicht so prickelnd für 70,- Euro, aber die Heizung funktioniert und alles wird trocken. Die Dusche ist heiß und gegen sieben holt sie uns zum Abendessen wieder ab. Es gibt Pizza und wir unterhalten uns mit einem holländischen Paar und den beiden Frauen aus Colorado. Werden dann auch wieder zurück gefahren und liegen gegen zehn in den Federn.

Erkenntnis des Tages:  Camino-Mystic


Tagesvideo



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen