Samstag, 18. Mai 2024

 
18. Mai 2024 Eguilles – Lancon de Provence 


Heute Morgen gibt’s auch wieder selfmade Frühstück, denn in die Bäckerei nach Eguilles müssten wir 2 km ins Dorf, das wären hin und zurück 4 km, bei einen Tagesmarsch von 20 km, knausert man mit jedem km, der überflüssig ist. Zunächst geht es bei wirklich schönem Wetter zum Dorf hinaus. Wir folgen der Beschilderung und kommen an Mohnblumenfeldern vorbei.

 


 Heute geht es fast nur auf Waldwegen lang, Ein weitverzweigtes Wegenetz führt hier in benachbarte Orte, so dass man die Straße fast umgehen kann. Ein keines Schwätzchen wird gehalten, als uns ein älterer Herr mit Tagesrucksack entgegen kommt, uns als Pilger identifiziert und erzählt, dass er vor Jahren selbst von Arles nach Santiago gepilgert ist. Wir drohnen und sind wieder ganz allein unterwegs, laufen km für km durch Stecheichenwäldchen, das ist kleines hüfthohes Buschwerk. Mein Mann sammelt Kräuter der Provence, die hier in Mengen anzufinden sind, bindet sich Thymian und Rosmarin an den Rucksack, weil man das ja immer mal gebrauchen kann. 

Zu guter Letzt heißt es dann aber doch nochmal 4 km Asphalttreten bis wir das BnB von Amelie erreichen und hier unser kleines aber geräumiges schnuckeliges Gästezimmer betreten. Sie bietet uns an, uns in ein 4 km entferntes Restaurant zu fahren. Nix drin, es gibt Pizzaservice und vier Büchsen Bier, die ich heute brav 20 km getragen habe.
 


 






Erkenntnis des Tages: Es muss nicht immer Kaviar sein !


 
17. Mai 2024  Aix-en Provence – Eguilles 

 
Die Stadtbesichtigung war interessant, aber dennoch ungewöhnlich für uns, ganz ohne Rucksack. Die Nacht im Miniroom war stressig, Rücken er, Herpes sie. Während ich echt überlegte, nach Hause zu fahren, machte mein Mann den Vorschlag, nach dem Sightseeing, mit dem Bus in einen Vorort zu fahren, um heute Morgen von dort nach Lancon, wie geplant, zu laufen. Wir finden übers Internet auch eine Unterkunft und ich lass mich umstimmen. So richtig Stimmung kommt heute Vormittag nicht auf. Uns ist das alles zu viel Hektik, Verkehr und Krach. Man hat seine Not, ein paar schöne Fotos zu machen, ohne dass ein Bus oder ein Auto in die Quere kommt. In der Touristeninformation bedient uns ein junger Deutscher, dem es, so meint er, eine Ehre sei, die Pilgerpässe aus Rom abzustempeln. Aix-en-Provence ist eine Universitätsstadt, demzufolge gibt es auch ganz viel junge Menschen hier und etliche Studentenkneipen. Eigentlich ganz hübsch, nur eben nicht für uns zum jetzigen Zeitpunkt. Das eine aber muss man unserem Nachbarn zugute halten, die Busse hier sind pünktlich, sauber und absolut preiswert. Und so sind wir für 1,30 Euro pro Person in knapp 30 Minuten dem Tummel entflohen, sparen uns ca 6 km Vorstadtsiedlung und genießen einen ruhigen Abend in einer kleinen Ferienwohnung in Eguilles. Die Verpflegung haben wir mitgeschleppt und mein Göttergatte kann aus wenig was Besonderes zaubern. 








 16. Mai 2024, Puyloubier – Aix-en-Provence 

In der Nacht hat es nochmal geregnet. Die Sonne kommt raus und es herrscht ganz klarer Himmel. Man muss nicht lange bis ans Dorfende laufen. Und hier – ein Anblick der Superlative, dieses gewaltige Felsmassiv Sainte Victoire, ganz nah. Der höchste Gipfel ist über 1000 m hoch. Eigentlich wollen wir hinauf zur Einsiedelei Ermitage. Das ist uns aber mit den Rucksäcken zu beschwerlich, zumal man teilweise steil hinauf über Felsbrocken klettern müsste. So ziehen wir auf dem kleinen Asphaltsträßchen weiter. Ganz allein bei herrlichem Wetter. 

 Zur Obstpause wird gedrohnt und wir beobachten zwei Kletterer. Sonst ist hier kaum Betrieb. Es ist Wochentag. An den Wochenenden ist hier mehr los, da es ein bekanntes Ausflugsziel ist. Man geht also dieses Sträßchen entlang, bestaunt rechst das Felsmassiv und links die Weinberge. Trotzdem kommt man ins Schwitzen und in Saint Antonin sur Bayon, ein winziges Dörfchen am Fuße des Berges, gibt es eine Art Museum zum Sainte Victoire und ein Ausflugslokal. Es ist bereits Mittag und viele Einheimische kommen mit den Autos, um hier zu essen. Wir gönnen uns Plate de jour, das Museum hat geschlossen und da wir nicht genau wissen, ob es die letzten km nach Aix hinein bergauf oder bergab geht, beschließen wir, den Bus zu nehmen, der hier jede Stunde fährt. 

 In Antonin sur Bayon habe ich leider keine Unterkunft gefunden, sonst wären wir hier geblieben.  Und wie so oft, wenn man tagelang fast allein unterwegs ist, Menschen lediglich morgens oder abends begegnet und dann auch nur in minimaler Anzahl, ist man erschlagen von den vielen Menschen, dem Lärm, dem Verkehr und möchte diese Metropole ganz schnell durchwandern. War der Start heute Morgen so ruhig und idyllisch, ist die Ankunft heute Abend erschreckend, so schnell kann man sich gar nicht auf Großstadt einstellen. Also gehen wir, nachdem wir unsere Unterkunft finden auch nicht mehr raus, quälen die Waschmaschine, versuchen, in diesem Miniapartment, die Couch zur Schlafcouch umzurüsten und planen das Sightseeing für morgen.


 
 
 
 
Erkenntnis des Tages:  Ruhetage nie in Metropolen planen !
 
 

Mittwoch, 15. Mai 2024

 15.. Mai 2024, Ollieres – Puyloubier 



Es stürmt und regnet und stürmt und regnet und kühlt sich ab. Die Heizung im Haus ist abgeschaltet, zwei Radiatoren stehen auf dem Gang, die holen wir ins Zimmer und kuscheln uns zusätzlich noch in die Schlafsäcke. Morgens gibt’s Kaffee und Frühstück vom Großeinkauf. Um neun ziehen wir los. Die Fleecejacke tut heute Morgen gute Dienste und ich bereue schon, die Mütze daheim wieder ausgepackt zu haben. Wir nehmen den Schleichweg, kommen an einer zerfallenen Abbaye vorbei und sind auf einem breiten Waldweg, den es jetzt erstmal viele km Richtung Pourrieres geht. 

 


Zwei Jäger im Cheep halten vor uns, ein kurzes Woher und Wohin und Bon Courage und wir sind allein. Es ist bedeckt und hat sich merklich abgekühlt. Und man geht einfach, setzt einen Fuß vor den anderen, muss kaum auf Wegweiser achten, weil es nur geradeaus geht.

 



 Irgendwann überqueren wir den Canal de Provence und finden tatsächlich ein winziges Bänkchen im Wald, um zu rasten. Als der  Weg steinig wird kommt mein Mann mir entgegen und nimmt mir kurz, damit aus der Obst- keine Mittagspause wird, den Rucksack ab. Wir scherzen und sind eigentlich gut drauf. Es regnet nicht, das ist schon mal die halbe Miete, und man muss heute auch nicht Schatten suchen, das ist schon mal die andere Hälfte. 

 



Kurz vor dem Städtchen Pourrieres verlassen wir den Wald und es geht wieder zwischen den Weinbergen entlang. Auch hier entdecken wir erfrorene Rebstöcke, die aber schon wieder Grün angesetzt haben. Schon wird’s ein bisschen langweilig, ich suche auf meinem Handy die Musikdateien und wir lassen uns passend zu Frankreich von den Chansons von Edith Piaf im Walzertakt unter dem wolkenverhangenen Himmel durch die Weinberge der Provence tragen.

 


Und genau so hab ich es mir vorgestellt, zu Mittag betreten wir Pourrieres, finden ein kleines geöffnetes Dorfrestaurant, es gibt Plat du Jour und einen Kaffee. Als eine ältere Dame uns bemerkt, spricht sie mich an und, soweit ich sie verstehe, erzählt sie, dass sie vor vielen Jahren auch nach Santiago gepilgert ist und ihre Augen glänzen dabei. Gestärkt wird stramm weiter gewandert. Und siehe da, jetzt kommt die Sonne raus und es geht nur im Shirt weiter. Auf einem kleinen Asphaltsträßchen verlassen wir den Ort und sehen in der Ferne bereits Puylobier, im Hintergrund die Montagne Sainte Victoire, die Berge, die Cezanne zu unzähligen Bildern anregten. 



 


 
Kurz bevor wir den Ort erreichen, zieht ein Gewitter auf. Das ist für mich fast noch schlimmer als freilaufende Hunde. Wir legen einen Schritt zu. Mitten in der Stadt finden wir allerdings auf die Schnelle kein Cafe , in das wir flüchten könnten und als der Platzregen kommt, finde ich schnell Zuflucht in der Marie, wo ich auch gleich die Gelegenheit ergreife, den Pilgerpass abstempeln zu lassen. Mein Man geht mir verloren. Ein paar Männer, die am Dorfbrunnen boulen, nehmen ihn unter ihre Fittiche und schleppen ihn mit in ein so typisches altes Waschhaus zum Unterstellen. Das dauert aber nicht lange, als der Regenguss vorbei ist, ziehen wir wieder gemeinsam auf der Avenue Cezanne weiter, die genau nach Aix-en-Provence geht. Hier an dieser Straße befindet sich unsere Unterkunft für heute. Wieder sind wir ganz allein. In der Nähe gibt’s keinen Supermarkt und manchmal denke ich, statt einer Vinothek, einem Chateau oder Weinverkauf wäre ein Getränkehandel vielleicht angebrachter. Zum Glück hatten wir ja gestern den Großeinkauf und die nun über fast zwei Tagesetappen neben unseren schweren Rucksäcken in Einkaufsbeuteln transportierten Lebensmittel finden heute Abend reißenden Absatz. Mein Göttergatte zaubert, während ich mal wieder große Handwäsche mache und blog schreibe, das Abendessen in Form einer Salami-Käse-Platte, mit Baguette und Butter, selbst die Oliven und Tomaten haben die Wanderung überstanden. Auch das halbe  Kilo Äpfel, die Bananen und die Erdnussflips-Tüte. In der Küche finden wir Teebeutel und im Kühlschrank Eiswürfel. Mann meint gar nicht, wie lecker Teebeuteltee mit Eiswürfeln schmeckt. Draußen regnet es und ab und zu hört man noch Donnergrollen. Morgens soll es nach Aix-en-Provence gehen und hier gibts einen Ruhetag und eine Waschmaschine. Hurra!

 
 
Erkenntnis des Tages:  Es muss nicht immer was passieren!
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 14. Mai 2024, Bras – Ollieres 

Die Nacht war sehr erholsam und eindeutig zu kurz. Ich werde erst munter als mein Mann schon den Rucksack packt. 


 Im BnB sind fast alle Gäste Deutsche und man verplaudert sich abends. Die Gläser  Wein, die uns beim Berichten zu unserem Weg angeboten wurden, mussten wir leider ablehnen, dann wäre heute nichts gegangen und  gehen müssen wir ja wieder. Dennoch verplaudern wir uns beim Frühstück und brechen erst gegen 10.00 Uhr auf. Heute geht’s über Saint Maximin bis in ein Weingut hinter Ollieres und man kommt Aix-en-Provence immer näher. Saint Maximin liegt etwa 13 km entfernt. Heute Morgen ist es bedeckt, in der Nacht hat es geregnet. Der Weg führt heute über eine Asphaltstraße, weil man ja die Wanderwege durchs Hollywood-Valley nicht benutzen darf. Das ärgert natürlich auch den hiesigen Tourismusverein, so erfahren wir von Claude.

Bereits gestern kamen wir  an Feldern  erfrorener Weinstöcke vorbei und erfuhren von Martina, dass  vor Kurzem  einige Tage Minusgrade waren und man hofft, die Reben würden nochmals  neue Triebe ansetzen. Auch deshalb nennt man das Gebiet um Bras herum die sibirische Provence. 


 


Bereits Madame Phillippon erzählte uns, dass im Winter hier manchmal 20 Grad Temperaturunterschiede am Tag herrschen. Wegen des regnerischen Wetters geht’s heute zügig voran. An der Basilika in Saint Maximin rasten wir und sind ein bisschen enttäuscht von dieser Stadt, rechnet man doch damit, dass in Anbetracht dieser großen Kirche etwas mehr Tourismus herrscht und die Stadt ein bisschen hübscher sei. Heute Abend müssen wir uns selbst versorgen und mein Mann will im Hyper U am Stadtausgang Proviant einkaufen, deponiert mich samt der Rucksäcke im Burger King, wobei er mir einen Kaffee spendiert. Ich gebe  noch den Auftrag, mir ein paar Tempos und zwei Bananen zu kaufen und er kommt nach einer halben Stunde mit einem ganzen Wochenendeinkauf zurück. Da wir für morgen noch keine Unterkunft haben, sitzen und googeln wir noch eine ganze Weile, und zwar solange bis es in Strömen regnet. Bis Ollieres sind noch 6 km, die wir also in Regenbekleidung vollgepackt mit zwei großen Einkaufsbeuteln unter die Füße nehmen. Der Berufsverkehr hat eingesetzt, als wir am Lyceum vorbei kommen und viele Schulbusse wahrnehmen, fragen wir uns nach dem in Richtung Ollieres durch und der Busfahrer hält kurz vor der Unterkunft. 

 

Mittlerweile ist es wirklich kalt und stürmisch geworden, deshalb gibt’s heute auch kaum Fotos. Das Weingut Les Terress de Saint-Hillaire ist eigentlich kein Hotel und kein BnB, man hat sich neben dem Weinbau auf Events und Hochzeiten spezialisiert und für die Gäste, die nachts nicht mehr nach Hause finden, gibst eine Auberge mit 4 Zimmern und Gemeinschaftsdusche. Solch ein Zimmerchen haben wir für heute reserviert. In der Vinothek, nimmt uns Elodie in Empfang, eine nette und sympathische junge Frau, die uns auch gleich den Schleichweg für morgen in Richtung Puylobier erklärt und die Pilgerpässe abstempelt. 

 Sie entdeckt den Stempel von Martinas BnB, und ja, das hätten wir fast vergessen, liebe Grüße vom BnB. Das Weingut heute ist nämlich der Haus-und Hoflieferant des BnB von gestern und man kennt sich gut. Elodie berichtet, dass wir die einzigen Gäste heute sind, aber schon wöchentlich ein Pilger hier nächtigt. Eigentlich kostet ein Zimmer in der Auberge 40 Euro, aber Pilger zahlen nur 30 Euro. Jetzt ist es mal gut, doch einen Pilgerpass vorweisen zu können. Die Auberge liegt noch 400 m von der Vinothek entfernt, ist ein Haus mit 4 Doppelzimmern, drei Duschen und zwei Toiletten übern Gang und einer kleinen Küche, ausgerüstet mit Kühlschrank, Mikrowelle, Kaffeemaschine und Wasserkocher und Geschirr, und diese Herberge ist heute nur für uns. Wie schade nur, das Wetter spielt nicht mit, wir müssen halt zu Abend in der Küche essen statt auf der Terrasse mit Blick über die Weinberge. Und draußen stürmt und regnet es, dass sich die Bäume vorm Haus fast zu Boden biegen. Eben sibirische Provence. Mein Mann zaubert aus dem Inhalt der großen Einkaufstaschen ein leckeres Abendessen und anschließend wird aus dem halben Stündchen, das ich mich auf Ohr legen will, drei Stunden. Draußen ist es schon dunkel, man hört nur den Regen und den Wind.

 




 
 
 
 
Erkenntnis des Tages:  Auch im Süden wird’s mal kalt !
 
 
 
 
 
 
 
 
 



Montag, 13. Mai 2024

 
13. Mai 2024,  Cotignac – Bras 


Die Nacht bei Madame Phillippon war sehr ruhig und erholsam, außer dass meinem Mann nachts oft alle Knochen schmerzen. Morgens geht es dann immer wieder. Zum Frühstück, dass wir gemeinsam mit der Hausherrin einnehmen, gibt’s das übliche Süße und guten Kaffee. Unser Bus, heute ist Wochentag, fährt halb neun nach Correns, kurz vor Le Val.  Heute muss es FreeStyle gehen, denn bis Bras laufen wir heute nicht nach Ausschilderung. Wir unterhalten uns noch sehr angeregt mit Frau P. und ihr, so scheint es, tut die Unterhaltung auch sehr gut, denn ihre beiden Kinder und 13 Enkelkinder leben in Paris und den Pyrenäen und die sieht sie nicht so oft. Wieder kam  gestern Abend eine Email, diesmal von unserer heutigen Unterkunft in Bras, die Hausherrin, wieder eine Deutsche, ist von 15.30 bis 17.30 außer Haus, wenn wir es einrichten könnten, sollten wir vorher oder nachher kommen. Und wenn zwischendurch, können wir Garten und Pool benutzen. Ich teile ihr mit, dass uns eine Bank und vielleicht etwas zu trinken schon genügen würden und verfluche innerlich den ganzen Bürokram beim Pilgern.
In der Nacht hat es geregnet und sich etwas abgekühlt. Ab Correns sind wir wieder ganz allein auf einem Sträßchen, das stetig bergauf geht, unterwegs und laufen Richtung Le Val, hier müssen wir wieder auf die Ausschilderungen stoßen. 


 

Es geht an kleinen Olivenhainen vorbei und wird schnell wieder warm und wärmer. Und so langsam macht sich Erschöpfung breit. Beide freuen wir uns auf den Ruhetag in Aix-en-Provence. Als wir endlich die Hauptstraße erreichen und ab hier eine selbstgebastelte Route laufen wollen, die im Prinzip nur geradeaus auf unsere Unterkunft stoßen würde, lockt auf der anderen Straßenseite  der Eingang des Chateau Miraval zur Rast. Wir haben mittlerweile gelernt bei diesen Chateaus, die man von der Straße eigentlich nie zu Gesicht bekommt, nach Mauern oder großen Steinen Ausschau zu halten, um sich mal hinzusetzen. Mein Mann schlüpft also zwischen zwei Steinen hindurch und ich wundere mich, weshalb hinter dem Tor eine Art Wachhäuschen steht und zwei nach Security ausschauende Männer gerade das Müllauto hinaus lassen, folge ganz unbedarft meinem Mann, lass meine Rucksack fallen und krame meine Wasserflasche heraus. Plötzlich kommt einer der Männer zu uns und will uns von den Steinen scheuchen. Wir sollten gegenüber , dort, wo wir gerade aus dem Wald kamen, rasten. Das hier sei Privateigentum von Brad Pitt. Dann kommt auch noch der zweite Mann hinzu, der ist etwas netter, als ich ihm erkläre, dass wir Pilger seien und nur eine Pause bräuchten , um zu trinken. Er gestattet uns schließlich, fünf Minute auf dem letzten der drei Steine zu rasten. 

 


Wir quälen googlemaps, da unsere selbstgebastelte Strecke genau über Miraval verlaufen würde. Nach exakt fünf Minuten kommt der zweite Security wieder zu uns, ich packe Handy und Wasserflasche schon in den Rucksack, da entschuldigt sich der Mann für seinen Kollegen, der käme aus Brasilien und wüsste nicht was Pilgern ist, er sei, so wortwörtlich ein „stupid Idiot“ und wir sollen so lange Pause machen wie wir brauchen, nur eben übers Gelände dürften wir nicht abkürzen. 

Nach der Neuplanung laufen wir noch ca. 4 km bis Le Val, um von hier nach Bras zu gehen. In einer Bar pausieren wir und ich traue meinen Augen kaum, kommt da nicht der Brasilianer übern Platz geschlenkert, mit Macho-Sonnenbrille und Macho-Gehabe, tut so, als ob er uns nicht kenne, schlürft seinen Kaffee und schlenkert ebenso machomäßig wieder davon.

 

Bras ist ein winziges Dörfchen und man gewinnt den Eindruck, dass diese Dörfer irgendwie nicht verlassen sind , aber vergessen wurden, zur Mittagszeit ganz leer, still und eben vergessen. An der Kirche gab es bisher immer ein Cafe le Central und gegenüber eine Bar des Sportiv und ab und zu ein Immobilienbüro. Die Brunnen sind , wie bereits im vergangenen Jahr, nicht angestellt wurden. 


 Auch dieses Dörfchen verlassen wir auf einem kleinen Asphaltsträßchen, von dem recht bald ein Weg Chemin les Temples abzweigt , mehrere Schilder preisen unser heutiges BnB an, das Chambre de hotes un Champagne en Provence von Martina Fussler. Ein aus dem 11. Jahrhundert stammendes und 180 ha umfassendes Templeranwesen, umgebaut zu Ferienhäuser und -wohnungen, mit Pool, Garten, versteckten Nischen, Terrasse, Templerkappelle, Liegewiese, Kinderspielplatz, mit kleinem Restaurant, einem alten Innenhof, mit Eseln, Ponys und Gänsen. 

 

Martina kocht für uns. Es gibt Salat und Couscous mit Rotbarbe, Käseplatte, Wein , Brot, Kaffee und Quarkspeise. Gäste kommen, checken ein, holen sich bei ihre eine Flasche Wein und sprechen uns an, ob das nicht herrlich hier sei, dem wir unbedingt zustimmen. Auf die Frage, wie lange wir hier blieben, müssen wir leider antworte, dass es nur für eine Nacht sei, weil wir pilgern und morgen schon wieder weiterziehen. Das scheint für einige Gäste so interessant zu sein, dass wir auf eine Flasche Wein eingeladen werden, diesmal aber wirklich dankend ablehnen. Wieder andere setzen sich zu uns und wir müssen berichten. Es wird eine unterhaltsame Runde, Martina und ihr Mann Claude, ein paar Gäste und wir.

 




Claude ist hier  im Tourismusverein und bedauert auch sehr, dass einige Wege durch dieses Hollywoodvalley, wie die Einheimischen es nennen, so versperrt sind und Pilger oder Wanderer regelrecht dazu nötigen, auf der Straße zu laufen. Neben Brad und Angelina, die übrigens in Corrrens, das ist das verschlafene Dörfchen, in dem wir heute Morgen unser Tagevideo drehten, getraut wurden, haben auch noch George Cloony und George Lucas und ein paar Promis der Parfümindustrie ihre Anwesen hier. Das bringt natürlich Einnahmen für die Region, aber auch Nachteile, weil man eben diese Anwesen nicht durchlaufen kann und wenn ein Wanderer sich doch mal verirrt, wird er im Cheep wieder rausgekarrt. Wir könnten noch lange fachsimpeln, dennoch bitte ich Claude, seinem Verein mal ein Lob für die tolle Beschilderung und Ausmuschelung des Weges auszusprechen.
So, und jetzt ist es fast Mitternacht. 



 
Erkenntnis des Tages: Hollywoodvalley und sibirische Provence, das müssen wir uns merken.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 12. Mai 2024,  Abbaye du Thoronet – Cotignac 


Als wir gestern Abend so schön einsam und zufrieden auf der Terrasse saßen und Tarte und Schokoladenkuchen genossen kam eine Mail des Foyer in Cotignac, das ist eine Art kirchliches Familienferienlage, bestehend aus mehreren Bungalows, wo Familien oder Pilgergruppen übernachten und eine Auszeit nehmen könne. Hier hatte ich schon vor einigen Monaten ein Zimmer mit Halbpension reserviert und angezahlt und jetzt sagen sie ab, da sie eine größere Pilgergruppe übers Wochenenden aufnehmen. Man hat uns allerdings bereits ein Pilgerzimmer in der Stadt bei einer deutschen Frau organisiert und teil uns die Telefonnummer mit. Ich rufe also bei Madame Christine Phillippon an und gebe ihr die ungefähre Ankunftszeit durch und sie beschreibt mir ihr Haus. Allerdings bietet sie keine Halbpension an und nimmt wirklich nur Pilger auf, wir könnten aber die Rucksäcke abstellen und in Cotignac gäbe es viele Restaurants. Woraufhin ich ihr sage, dass wir eigentlich nach der Ankunft nur duschen wollen und dann meist müde ins Bett fallen, wenn man fast 20 km gelaufen ist. Woraufhin sie wiederum erstaunt ist, dass wir zu Fuß kommen. Lange überlege ich, pilgern, zu Fuß, das passt doch. Bis mir die, wir nannten sie damals Edelpilger, von der Via Francigena einfallen, die per Bus die Pilgerorte abklappern oder Buspilger, die geführte Pilgerfahrten machen. Die werden uns wahrscheinlich auch den Platz im Foyer streitig gemacht haben. Sei es drum, dann geht’s halt zu Madame P. mit einem süddeutschen Dialekt und wir sind auch froh, uns auf deutsch unterhalten zu können.
Das Frühstück ist self made, Butter, Joghurt, Käse, Obst sind im Kühlschrank und in der Brottrommel liegt frisches Baguette, Kaffee brüht mein Mann in großen Kaffeeschalen auf und wir gehen den Muttertag recht langsam an. Sind wir gestern über den Souvenirshop des Klosters in die Anlage gekommen, müssen wir heute über ein stählernes Tor hinaus, den Code hierfür bekamen wir von Annuncia. Der Koloss öffnet sich automatisch und fährt hinter uns wieder zu. Die Schwestern bekommen wir am Morgen nicht mehr zu sehen. Da wir nun schon an dieser berühmten Abtei sind, wollen wir sie auch besichtigen, werden aber in der Billeterie von einer energischen Dame zurück gewiesen, mit Rucksack dürfen wir nicht hinein, sie öffnet uns zwei gläserne Schließfächer, die aber viel zu klein für den Rucksack sind und den Ratschlag, wir sollten doch die Rucksäcke auspacken und den Inhalt auf mehrere gläserne Schließfächer verteilen, lehnt mein Mann strikt ab. Wir haben schon so alle Not, morgens immer alles zu verstauen und sind froh, wenn bei letzten Zimmercheck uns nur noch ein vergessenes Ladegerät aus der Steckdose anlächelt. Etwas frustriert ziehen wir dann schon ab, soll doch die wieder aufgebaute Zisterzienserabtei sehr schön sein. Da wir im Kloster leider keinen Empfang hatten, nutzen wir halt jetzt die schönen Sitzgelegenheiten am Klosterkiosk und laden unseren blog hoch, bevor es dann, schon wieder ziemlich spät, Richtung Carces geht. Dieser Ort liegt am Pilgerweg, bot aber trotz intensiver Suche keine bezahlbare oder überhaupt eine Unterkunft, auch Le Val, der darauffolgende Ort, nicht. So dass wir eben auf das Foyer Notre Dame in Cotignac, 10 km nördlich von Carces, ausweichen mussten und heute eben bei der bayrischen Madame schlafen werden. Wieder laufen wir ein kleines Asphaltsträßchen entlang, wieder wird es sehr warm, wieder rechts und links Weinberge, aber nicht so wie bei uns, die hier sind viel kleiner und fast alle mit Elektrozaun umgeben, wieder keine Bar weit und breit. Wir sind ganz allein auf dem Sträßchen und es ist schon ein bisschen meditativ, einfach zu laufen und nur deine Schritte zu hören. 

Manchmal weist ein großes Werbeplakat oder Schild am Straßenrand zu einem Chateau oder einem Lokal oder einem Supermarkt und erst jetzt wird einem bewusst, dass die Zeitangaben darauf, für Autofahrer gemacht sind. Da klingen 5 oder 10 oder 15 Minuten oder 800 m nicht weit, sind aber für einen zu Fuß Laufenden eben 800 m hin und 800 m zurück, das überlegt man sich dann schon.
Irgendwann am Eingang von Carces taucht ein Campingplatz auf, hier wollen wir uns mal hinsetzen und Wasser auffüllen. Der Platz ist aber nur mit Code zugänglich und als ein Mann mit einem Rasentrimmer heraus kommt, bitte ich ihn, uns hinein zu lassen, wir wollen ja nur ein paar Minuten im Schatten sitzen. Der lässt aber nicht mit sich reden, zeigt stoisch auf die Telefonnummer am Tor, die wir anrufen sollen. Ich werde so wütend, dass ich Rucksack und Stöcke ihm regelrecht vor die Füße werfe, das bringt den Typen aber nicht aus der Ruhe. Ein paar Jugendliche, die das beobachten, weisen uns darauf hin, dass in 500m  eine Bar käme und wir schleppen uns in die Stadt hinein und über einen trödeligen Trödelmarkt, machen im Cafe unseren Schlachtplan, denn bis Cotignac zu laufen, ist nicht mehr drin und war auch nicht so geplant. Es gibt eine Busverbindung von Carces nach Cotignag, nur nicht am Sonntag, das ist heute. Taxi.  
Im Städtchen gibt es wirklich viele Restaurants, fast alle an einer Straße, die heutige Unterkunft ist schnell gefunden und Madame nimmt uns freundlich in Empfang, wir kriegen unser Zimmer und Limonade. 


 

Von ihr erfahren wir, dass sie eigentlich viele Jahre mit ihrem verstorbenen Mann das Foyer betrieben hat und man daher bei Platzmangel immer auf ihre Dienste zurück greift. Wir unterhalten uns nett und heute will mein Mann unbedingt mal Fleisch essen. Wir schlendern also nach dem Duschen ins Städtchen und er lädt mich zum Muttertag zum Essen ein, der übrigens hier in Frankreich erst in zwei Wochen gefeiert wird. Gegen 10 fallen wir in die ganz, ganzen weichen Betten in der Villa le Rose.
 
 
 



 
 
Erkenntnis des Tages:  Mann braucht ab und zu mal Fleisch!