Montag, 15. Mai 2023

09. Mai La Roquette sur Siagne – Theoule sur Mer


Pünktlich um halb sieben erscheinen wir zum Frühstück. Nina und Robert essen morgens nur Obst, uns aber haben sie ein richtiges Frühstück gemacht und Kaffee gekocht. Wir könnten stundenlang erzählen obwohl wir verschiedene Sprachen sprechen, verstehen wir uns gut, die Verständigung erfolgt auf Englisch (und außerdem, um beim kleinen Prinzen zu bleiben, man sieht nur mit dem Herzen gut …) .

Robert ist unheimlich hilfsbereit und erklärt meinem Mann eine mautfreie Route nach Deutschland, die sie immer mit ihrem Kombi nehmen, dazu breitet er sämtliches Kartenmaterial auf dem großen Küchentisch aus.

Als wir schließlich zu viert losziehen, gibt’s das obligatorische Bild an der Gartentür. Beide haben heute im Nachbarort ihre Yogastunde, sie laufen immer zu Fuß dort hin und zeigen uns ein paar Abkürzungen. Man merkt, dass der 77Jährige früher Marathon gelaufen ist, denn er legt ein Tempo vor, Mann o Mann !

Nina hakt sich bei mir ein und sagt ganz leise zu mir: „my little sister“.

Die Verabschiedung fällt entsprechend herzlich aus und beide versprechen, auf der nächsten Rückreise aus Holland, bei uns zu klingeln. Herzlich willkommen.




Zunächst führt uns der Wanderführer mal wieder durchs Industriegebiet, dass es mittlerweile einen wunderbar breiten Rad- und Fußweg nach Pergomas gibt, kriegen wir erst später mit. Ab hier geht es dann immer an der Siagne entlang. Die mündet in Mandelieu-la-Napoule ins Mittelmeer, und dort soll es zunächst hingehen. 





Aus Ninas Garten konnte man die Hochhäuser von Cannes sehen und wir befinden uns jetzt bereits schon etwas westlich. Die Metropolen Monaco, Nizza und Cannes haben wir im Prinzip nur von oben gesehen und sind auf den maritimen Alpen umwandert. Unser heutiges Ziel heißt Theoule sur Mer. Nina meinte, dass wir Glück hätten, dort noch ein Zimmer bekommen zu haben, da kommende Woche die Filmfestspiele in Cannes beginnen und dann alles ausgebucht sei. Selbst die freien Zimmer in der Villa St. Camille in Theoule sur Mer.

Und tatsächlich sehen wir im Halbstundentakt die Privatmaschinen den Flughafen in Mandelieu anfliegen.

Die Wanderung an der Siagne entlang ist eigentlich schön, allerdings zwingen uns Baumfällarbeiten ein paar mal zur Rückkehr. Der Weg ist mit schmiedeeisernen Wegweisern gut markiert. 





Auch hier gibt’s wieder Golfplätze und welch eine Dekadenz, für die Golfer eine eigene Fähre, die sie von einem Golfplatz samt Kaddye über den Fluss zum anderen Golfplatz bringt. Noch schlimmer, die Grünflächen der Golfplätze werden fleißig beregnet, es gibt sogar Teiche, und oben in den Dörfern stehen die Brunnen leer.



Man geht sehr lange an der Siagne entlang und es wird dann auch wieder zunehmend lauter. Irgendwann erreichen wir dann wieder die Küste. Das Wasser ist nach wie vor azurblau, der Lärm ohrenbetäubend und der Gestank schrecklich.



 Kein Wunder, dass viele Hotels an der Straße verlassen und kaputt sind. Uns bleibt nichts anderes übrig als auf einem Fußweg an der Hauptverkehrsstraße zu laufen, an den Abschnitten, wo man am Strand entlang laufen könnte, wird gerade frisch gepflastert. Eigentlich gehen hier die Orte ineinander über. Theoule sur Mer liegt zwar an der Küste, zieht sich aber weit an einem Felshang hinauf, so dass es hier einen kostenlosen Shuttlebus gibt, der die Bürger und Pilger in die höher gelegenen Ortsteile bringt. Diesen Bus machen wir ausfindig und sind nach vielen Kurven und Höhenmetern an der Villa St. Camille angelangt. Die Unterkunft ist so ein Mix aus Behinderten-Alters-Heim-Hotel und biete für eine Nacht Pilgern zu einem kulanten Preis ein tolles Zimmer mit Halbpension an. 







Halbpension ist auch gut so, denn man will nach einem langen Tag nicht nochmal hinab und wieder hinauf steigen.

Das, ich nenn´s mal Hotel, betritt man durch einen kleinen unterirdischen Tunnel, besteigt dort einen Fahrstuhl in die 0. Etage und gelangt so zur Rezeption. Der Empfangsbereich ähnelt dann dem eines Hotels, mit kleinen Souvenirshops, Cafe und einer sage und schreibe wunderbar großen Terrasse, die bereits weit über dem Meeresspiegel hinaus reicht, man kann hier bis zu den vorgelagerten Inseln und Antibes sehen.

Der Gast bekommt ein All-In Bändchen und das Zimmer ähnelt wirklich einem großen Hotelzimmer mit Behindertenbad. Der Clou allerdings ist der riesige Balkon zur Meeresseite. Einige Zimmer sind dauerhaft bewohnt, die Balkone wohnlich bestuhlt und bepflanzt, auf einem steht sogar ein Fernrohr. Unser Balkon und die neben uns sind durch kleine Pflanzbehälter mit vermickerten Kartäusernelken abgetrennt.




Das Abendessen gestaltet sich etwas gewöhnungsbedürftig zwischen den älteren Herrschaften in der Kantine und wir essen schnell.

Mit einer Flasche Sprudelwasser lassen wir unseren letzten Wandertag auf dem Balkon über der Cote d`Azur heute ausklingen.

Eigentlich hatten wir noch eine weitere Etappe bis St. Raphael geplant, um von dort am gleichen Abend nach San Remo zurück zu fahren, aber 25 km und fast 1000 hm sowie die bisherigen Erfahrungen schrecken uns etwas ab, so dass wir morgen den ersten Bus zum Bahnhof nehmen und durch einige durchwanderte Orte zurückfahren und die Berge, durch die wir stramm gewandert und fluchend gehumpelt sind, mal von unten betrachten können.


Erkenntnis des Tages : Achtung! in Alpes-Maritimes steckt vor allem das Wörtchen Alpes !!!


Bis Bald ! Au Revoir und Arrivederci !





 08. Mai, Roquefort-les-Pins – La Roquette sur Siagne



Tagesvideo heute nur "Tagesfoto", falsch geklickt !

Das Foyer Charite, in dem wir untergekommen sind, ist eine gemeinnützige Einrichtung für Pilgerreisen und spirituelle Retraits und war bis in den 50ern ein Priesterseminar, so erfahren wir beim Frühstück im Haupthaus. Daher auch der große Komplex mit vielen Baracken, einer Kirche und einem weitläufigen vertrockneten Park. Claude erzählte, dass es seit drei Monaten hier nicht mehr geregnet hat, das erklärt die Trockenheit und den vielen Staub und auch die stillgelegten Dorfbrunnen. Einzig und allein die großen Aloe Vera gedeihen hier noch. An den Komplex angeschlossen sind Kindergarten und Schule, 200 Kidis von 2 bis 12 tummeln sich hier tagsüber. Heute aber ist Feiertag und alles scheint verlasse. Die Nacht für uns beide allein in der langen Baracke war ruhig und wir haben trotz ausgelegenen Matratzen gut geschlafen. Der nächtliche Gang zur Toilette an all den leeren Zimmern vorbei war aber schon ein bisschen gruselig, fast krimireif.

Das Frühstück bereitet man sich selbst, alles Zubehör findet man in einem großen Aufenthaltsraum. Die Mitarbeiter hier sind unheimlich nett und interessiert, wir dürfen uns Obst einpacken und auf geht’s. Zunächst erst einmal wieder Straße entlang, es ist Feiertag und der Verkehr hält sich in Grenzen, der Straßenrand ist wieder zugemüllt. Nur in der Nähe von Golfplätzen erscheint alles etwas aufgeräumter und wir sammeln zum Zeitvertreib die sich über den Zaun verirrten Golfbälle auf. 





Zu Mittag erreichen wir, mal wieder bei sengender Hitze, das Städtchen Vallbone.

Und je näher man jetzt der Küstenregion kommt, um so attraktiver scheinen wieder die Ortschaften zu sein. Der historische Stadtkern ist gut erhalten, in den vielen kleinen Gässchen laden Souvenirgeschäfte zum Stöbern und Cafes, Bars und Eisdielen zum Ausruhen ein. Wir gönnen uns die Pause und rasten sehr lange, bevor es durchs Industriegebiet wieder hinaus geht. 





Dass es wieder sehr warm ist, muss ich nicht erwähnen. Zum Glück haben wir heute genügend Wasser dabei. 



Nach ungezählten heißen Kilometern im Rhythmus Laufen, Rasten, Trinken kommen wir in die Stadt Mouans-Sartoux, auch hier herrscht heute ein buntes Treiben und der große Boule-Platz ist gut besucht. Als ich wieder zu Jammern beginne tröstet mich mein Mann damit, die restlichen vier km in 500er Metern herunter zu zählen, noch 3500 m, noch 3000, noch 2500, es ist unbeschreiblich wie sehr Kräfte und Lust nachlassen und wie sehr die Fußsohlen brennen. Ich glaube, auf noch keinem Pilgerweg sind wir so viel Asphalt gelaufen und haben die Füße so gebrannt.




Bei 500 m hört er auf zu zählen, muss sich jetzt aufs GPS konzentrieren, um die richtige Straße zu unserer Unterkunft zu finden. Noch strömt der Verkehr an uns vorbei und es ist unheimlich laut, biegt man dann aber in eine Seitengasse ein, herrscht plötzlich abendliche Ruhe und fast ein bisschen Idylle. Zwei Männer sitzen vor der Haustür, spielen Monopoly und grüßen freundlich. Wir müssen noch etwas bergauf und stehen am letzten Haus vor einem Gartentürchen, das eine Muschel schmückt, ein Zeichen dafür, dass wir richtig sind bei Nina und Robert in La Roquette sur Siagne. 




Das Paar, sie 76 und er 77 Jahre alt, begrüßen uns herzlich. Vor mehreren Jahren sind sie selbst von Menton bis nach Burgos gelaufen. Seit dem ihre fünf Kinder aus dem Haus sind, haben sie die beiden Kinderzimmer zu Pilgerzimmern umfunktioniert. Sie haben sich sogar einen eigenen Pilgerstempel anfertigen lassen. 



Das Paar ist wunderbar herzlich. Beide waren Lehrer. Robert weiß, wonach es einem Pilger bei der Ankunft lechzt und fragt spontan: „

Beer ?“, und obwohl wir kaum Alkohol trinken, nicken wir beide unmissverständlich, das 6,6 %ige tut gut und rinnt nur so die Kehle herunter. Danach zeigt er uns die Gästebücher mit den Eintragungen der bisherigen Pilger, ein Deutscher war bis jetzt hier, ich übersetze ihm die Worte ins Englische. Robert hat es sich zu einer schönen Angewohnheit gemacht, bei Abmarsch der Gäste am nächsten Tag vorm Gartentor ein Foto zu machen, das schmückt dann den jeweiligen Eintrag. Ich betrachte mir die Fotos, habe ein Auge aufs Outfit und die Figuren, und muss sagen, dass wir durchaus konkurrenzfähig wären. Im vergangen Jahr war auch eine belgische Familie mit vier Kindern hier, die sind mit den Kidis in geländetauglichen Kinderwägen bis Rom gelaufen.

Nach dem Duschen macht Nina für alle eine leckere Quiche mit Zucchini und Nudeln mit Tomatensoße, Robert öffnet eine Flasche Rotwein und als Dessert gibt’s süße Quiche mit Pflaumen und später zum Kaffee noch selbstgemachtes Zitronensorbet. 




Die Zitronen hat sie aus dem eigenen Garten, der wunderschön angelegt ist und in dem sich, nachdem ihnen die Kinder zwei Schildkröten mitbrachten und es hier so warm wird, dass diese auch ihre Eier ausbrüten können, mittlerweile zwölf kleine und große Schildkröten tummeln.

Zwischen Kuchen und Sorbet zeigen uns beide ihr sechstes Kind, einen alten VW C3 Kombi, den Robert selbst zum Wohnmobil ausgebaut und Nina bunt angemalt hat. 


Wenn sie ihre Tochter in Holland besuchen fahren, benötigen sie damit fünf Tage. Sie haben sich damit einen großen Jugendtraum erfüllt, erzählt mir Nina. Die Rückseite ziert der Spruch "Faites que le rêve dévore votre vie afin que la vie ne dévore pas votre rêve'' aus „Der kleine Prinz“ von Exupery, "Lass den Traum dein Leben verschlingen, damit das Leben deinen Traum nicht verschlingt". Herrlich.




Wir machen noch die Frühstückszeit aus und verschwinden in den Federn. 



Morgen werden Nina und Robert uns noch ein Stück begleiten. Danke.




Erkenntnis des Tages: Die beiden haben Recht „Träume nicht Dein Leben, sondern lebe Deinen Traum !


Sonntag, 14. Mai 2023

07.Mai, Saint-Paul-de-Vence – Roquefort-les-Pins



Nach dem Urlaubstag fällt es uns ein bißchen schwer heute Morgen, wieder in Gang zu kommen. Außerdem ist mir immer unverständlich, wie man mit zwei Rucksackinhalten ein chaotisches Durcheinander in einem großen Doppelzimmer verursachen kann.



Wie immer gilt der letzte Check den Steckdosen, damit wir die Ladegräte nicht vergessen.

Die heutige Strecke wird mit dem Schwierigkeitsgrad mittel eingestuft und gibt 360 hm bergauf und 480 hm bergab an. Es geht wieder Richtung Küste.

Gestern sind noch einige Gäste angekommen, der 8. Mai ist in Frankreich ein Feiertag und man nutzt den Brückentag für ein langes Ausflugswochenende.

Gestern kam ein älterer Herr mit Rad an, ich wollte im Garten ein paar Worte mit ihm wechseln und er gab mir zu verstehen, dass er mich nicht versteht. Der Mann übergibt uns also heute Morgen im Auftrag der Schwestern die Rechnung, die ich auch bereit bin zu begleichen. Allerdings möchte ich auch einen Stempel in den Pilgerpass und versuche ihm das mit meinen einfachen Französischkenntnissen zu erklären, die anderen Gäste versuchen zu dolmetschen, es gäbe hier keinen Stempel. Es gibt ein langes Hin und Her, der Alte kennt sich wohl hier im Kloster aus, findet aber im Büro nichts derartiges und will mir die Pässe unabgestempelt zurück geben. Es ist zum Mäusemelken, ziemlich laut äußere ich jetzt mein Unverständis, dass es nicht sein kann, dass dieses große Kloster zwar Rechnungsvordrucke aber keinen Stempel besäße. Da antwortet der Mann in perfektem Deutsch : „Zwei Minuten.“ Irgendwann taucht er dann mit unseren Pässen wieder auf, die schließlich ein hübscher klösterlicher Stempel ziert. Na also, geht doch.

Es ist bewölkt heute Morgen und wir verlassen das Städtchen über eine Straße, die am Rand noch mit Skulpturen und kleinen Kunstwerken für sich wirbt. Dann wird es aber trostlos und die Landschaft trübe, je mehr man sich vom Künstlerstädtchen entfernt, um so verlassener und trauriger wirken die Ortschaften.

In einer Bar auf einem Campingplatz sitzen wir einen Regenschauer aus.

Die Sonne kommt raus und wir laufen eine Landstraße entlang, von wo aus ein Wanderweg in den Wald und wieder über einen Hügel führen soll. Die Vegetation ändert sich, es gibt mehr Bäume und mehr Schatten. Allerdings auch mehr Müll am Straßenrand. Den Eingang zum exakt ausgeschilderten Weg versperren alte Autoteile und Reifen. Im Wald liegen alte Ölfässer herum. Da kann man richtig wütend werden, die Hinweisschilder und Wegweiser sehen recht neu aus und sind ordentlich beschriftet, die Wege allerdings wieder zugemüllt und dreckig. Kommt man der Küstenregion näher, nimmt auch die Anzahl der Golfplätze zu, die wiederum erscheinen gepflegt mit sauberen Wegen und heute am Sonntag auch gut besucht. Einige km vor dem heutigen Ziel müssen wir nun wohl oder übel doch einen Waldweg nehmen und es macht wahrlich keinen Spaß, soviel ungepflegte und zugemüllte Natur ist uns auf der VF und schon gar nicht auf dem Franziskusweg begegnet.



Kurz vor Roquefort-le-Pins wird’s dann auch wieder heiß und asphaltig. Die einzige Bar ist wohl seit längerem schon geschlossen und das wohl einzige Hotel auch. Der Brunnen steht leer, Wasser kann man sich nicht zapfen, der Wegweiser nach SdC und Rom sieht neu aus, wurde aber lieblos an einem Laternenmast befestigt.



Zum Glück erreichen wir bald die Unterkunft, ein ehemaliges Priesterseminar, das jetzt einer katholischen Gemeinschaft für Pilgerfahrten und Auszeiten dient. Wieder ein riesiger Komplex mit mehren Barackenähnlichen Häusern verteilt auf einem großen Gelände. Die Verwalterin Claude nimmt uns freundlich in Empfang. Neugierige Bewohner kommen hinzu, alle wollen uns alles erklären. Ein sehr freundlicher und selbstverständlicher Empfang. Claude weist uns in einer der Baracken ein sehr einfaches Zimmerchen zu und wir sind neben einer Pilgergruppe mal wieder die einzigen Gäste. Das Zimmerchen liegt am Ende eines langen Ganges, die Duschen und Toiletten am Eingang und es ist nachts schon ein bißchen gruselig, an den vielen leeren Zimmer vorbei zu laufen, zumal das Haus nicht abgeschlossen wird. Die anderen Gruppen wohnen in anderen Baracken.

Bettwäsche und Handtücher gibt es nicht und heute kommt erstmals mein neuer Yak-und Yeti-Schlafsack zum Einsatz.








Erkenntnis des Tages: Ein Pilgerweg voller Müll – erschreckend ! 

 06.Mai, Ruhetag in Saint-Paul-de-Vence








Nachdem wir gestern gemeinsam mit den französischen Gästen den Abwasch bewältigten und feststellen mussten, dass die Küche hier alles andere als sauber war, meldete ich uns bei der kleinen koreanischen Schwester für das heutige Abendessen ab.

Hier im Kloster, so erfahre ich von ihr, leben nur die vier koreanischen Schwestern. Da ist es verständlich, dass in Anbetracht der Größe des Anwesens, die vier das hier alles gar nicht bewältigen können, zusätzliche Beschäftigte gibt es nicht. Der Gästetrakt und der große Garten vor dem Gästehaus sind gepflegt und hübsch angelegt. Der große Gemüsegarten, auf zwei Terassen verteilt, allerdings verwahrlost. Der gesamte Klosterkomplex ist riesig und für vier Schwestern gar nicht stemmbar. Neben ihrern kirchlichen Pflichten kochen und putzen sie ja auch noch für sich und die Gäste.

Wir schlafen aus, waschen, und spielen mal Tourist. Besichtigen das historische Städtchen, das berühmt ist durch den Maler Chagall, der hier lebte und aufgrund seiner Nähe zu Cannes auch von vielen berühmten Schauspielern gern besucht wurde. Wir besichtigen die vielen kleinen Galerien und genießen die Aussicht. Eben Urlaub.

Ich schlendere durch den Garten, es ist warm und ruhig und in der Kirche darf ich der Probe zu einer Kommunion zusehen.

Abends gönnen wir uns mal ein Restaurantbesuch und schlüpfen trotz Faulenzens wieder müde in die Betten.

Die letzten Tage waren schon anstrengend, wir haben die Höhenmeter unterschätzt. Hinzu kam der oft unschöne Weg und das viele Asphalttreten. Manchmal brannten abends die Fußsohlen dermaßen, dass man dachte, am nächsten Tag nicht weiter laufen zu können. Wegen der Hitze tagsüber konnte man auch meinen, dass der Mai schon zu spät für die Via Aurelia sei und man vielleicht früher im Jahr losgehen sollte, allerdings wurde es nach Sonnenuntergang wieder ziemlich frisch. Mittlerweile sind wir eingelaufen und wollen nun endlich mal wieder eine Etappe ohne Bus zurück legen. Ab morgen soll es wieder Richtung Meer gehen.





 05. Mai 2023, Castagniers/Aspremont- Saint-Paul-de-Vence



Um 6.30 Uhr sind wir heute schon munter, wollen mal früh los. Draußen ist es noch ruhig, nur die Vögel zwitschern und es ist bereits hell. Als wir zum Selfmade-Frühstück gehen, sitzt der junge Mann von gestern schon beim Frühstück und wir kommen ins Gespräch. Der junge Spanier lebt in Nizza, macht hier ein paar Tage Auszeit und will wandern gehen. Na, dann viel Spaß. Mit Sicherheit gibt es hier schöne hohe Wanderwege, aber eben unserer Erfahrung nach keinen von A nach B, sondern eher Rundwege, von wo aus man eine gute Sicht aufs Meer und die Alpen hat, als klassischen Pilgerweg kann man die bisherige Via Aurelia eigentlich nicht bezeichnen.

Der junge Spanier war schon in Santiago de Compostela und will von uns wissen, ob wir auch über Lourdes gehen, ein Freund, den er auf dem Jakobsweg kennen lernte, wohnt dort und es wäre sehr schön.

Vor haben wir es ja mal, allerdings kann das noch lange dauern, so wie wir voran kommen, es sei denn, man nimmt den Bus oder ein Taxi oder trampt.

Jedenfalls lässt sich der heutige Tag mal gut an und wir marschieren stramm zunächst etwas bergauf wieder nach Aspremont. 





Das einzige Hotel dort scheint seit langem geschlossen zu sein, so dass es gut war, in Castagniers reserviert zu haben. Der Wanderführer ist also in puncto Unterkunftstipps auch nicht mehr aktuell. Es gibt ab Aspremont wieder die bekannten Muschelaufkleber und man kann den Weg leicht finden. Um den Pilger von der Straße zu nehmen, geht der Pfad heute über Stock und Stein und Hügel zwischen den gefährlichen Kurven. Er verläuft an brachliegenden Gärten vorbei. Über die Zäune scheint man Baumüll geworfen zu haben, wir stolpern hier nicht nur über Kalksteine und Schotter, auch über Betonreste, Draht und Eisenteile. Man könnte fast meinen, es ginge über eine Müllkippe. 




Von den Hügeln aus kann man weit unten den fast ausgetrockneten Fluss Var erkennen, über den eine große stählerne Brücke führt. 





Da müssen wir hinüber und auf der anderen Seite wieder hinauf. Auch das Städtchen Saint-Paul-de-Vence, das auf einem anderen Hügel thront, kann man bereits erkennen. Luftlinie scheint es gar nicht so weit zu sein. 



In Colomares angekommen sacken wir auf einem Kinderspielplatz auf eine Bank und lassen uns von einem Einheimischen den kürzesten Weg zu Fuß an unser heutiges Ziel erklären. Er beschreibt da ganz was anderes als unsere GPS Karte und wir beschließen, erst mal über die Brücke zu gehen und bei MC unseren Durst zu stillen und die Wasserflaschen aufzufüllen, denn es ist wieder sehr heiß und trocken.

Gesagt, getan, und nach dieser Pause können wir uns kaum aufraffen. Immer unser heutiges Ziel vor Augen stapfen wir tapfer weiter. Und was soll ich sagen, es geht wieder Asphalt hinauf. Wieder ohne Schatten. Irgendwann hat dann auch mein Mann die Nase voll und flüchtet in ein Bushäuschen, zunächst nur des Schattens wegen. Als er so nebenbei den Busfahrplan studiert, fällt ihm auf, dass in 20 min ein Bus kommen müsste, der vielleicht in unsere Richtung fährt. Der Bus ist aber nach 30 min immer noch nicht da und er läuft weiter, typisch deutsch : Bus kommt nicht pünktlich, also kommt er heute nicht. Ich hinke hinter ihm her und was passiert ? Klar, der leere Bus huscht an mir vorbei mit 10 min Verspätung, ich reagiere zu spät, um ihn zum Halten zu bewegen und könnt die Wanderstöcke in die Ecke werfen. Zuvor hatte nämlich ein Mann mit Hund uns erklärt, dass hier wohl kein Bus käme, wohl aber von der Mairie in Gattieres mit Sicherheit einer nach Vence fahre, wir müssten bis dort hin nur der rot-weißen Markierung folgen.

Ich fluche und schimpfe und fluche und schimpfe. Ende gut – fast alles gut, eine Stunde später soll der nächste Bus kommen und wir entwickeln uns langsam zu Buspilgern. Mental ziemlich unten stückeln wir uns jetzt aus einer Kombination gogglemaps und französischen -Busfahrplan- Lesen einen Schlachtplan zusammen, um vor Einbruch der Dunkelheit unser heutiges Ziel zu erreichen. Als dieser Bus auch nicht pünktlich erscheint, legen wir mal kurz unsere pünktlich korrekte deutsche Mentalität ab und vertrauen auf was auch immer, und siehe da, ein Bus erscheint und der fährt auch noch nach Vence, ist diesmal allerdings so voll, dass wir uns mit den Rucksäcken regelrecht hineinquetschen müssen. Und der Fahrer braust in einem Affenzahn los, nimmt die vielen Kurven und Polder ohne zu bremsen und wir werden hin und her geschüttelt. Als der Bus leerer wird, ergattern wir schließlich zwei Klappsitze und sitzen mit dem Rücken zur Hangseite. Auf der anderen Fensterseite rauscht eine Felswand an uns vorbei. Mir wird schwindelig, ich muss ab und zu hinter mir aus dem Fenster schauen, eine Frau hält sich ein Tuch vor den Mund, meinem Mann wird es schlecht, er rutscht vom Sitz und ich reiche im vor lauter Verzweiflung und aus Mangel einer Kotztüte meine Kappe. Nach dieser rasanten Tour erreichen wir schließlich Vence, ohne die Möglichkeit gehabt zu haben, beim Fahrer zu bezahlen. Nach einem kurzen Zu-Sich-Kommen geht’s weiter. 



In Saint-Paul-de-Vence, diesem historischen Künstlerstädtchen, herrscht wieder reger Touristentummel, man strömt auf den sogenannten Balkon der Cote Azur, wir aber laufen gegen den Strom und sind schnell am Kloster. Heute sind wir bei Dominikanerinnen, in einem wieder ziemlich großen Kloster mit Gästehaus untergebracht. 




Das gleiche Procedere, Duschen, Rucksackinhalt im Zimmer verteilen, Essen halb acht. Es gibt wieder grüne Suppe, grüne Bohnen mit vegetarischen Schnitzel und Apfelmus. Ein älteres französisches Ehepaar und eine junge Frau machen hier auch ein paar Tage Urlaub. Wir unterhalten uns etwas und verschwinden schnell in den Federn. Morgen ist Ausschlafen und Relaxen, große Wäsche und Sightseeingtour angesagt und wir hoffen, mal einen Tag ohne Bus auszukommen.



Erkenntnis des Tages: Auch Busfahren kann anstrengend sein !