Montag, 29. April 2019

Tag 17, 29.04.2019, von Lingueglietta nach Arma di Taggia

17 km, 350 hm bergab

BnB Olivieto in Lingueglietta

Mittlerweile sind wir im Entschleunigungsmodus, der Pilgeralltag ist eingezogen. Morgens los ziehen und nicht wissen, was der Tag bringt und wohin er dich spült. Aus dem Rucksack leben, dankend annehmen, was dir geboten wird. Und heute wird so ein Tag, an dem wir dankbar annehmen.
Um sieben dreh ich mich noch einmal im Bett herum, während mein Mann am Küchentisch die Fotos von gestern am PC einliest.
Wir hatten zwar die kleine Ferienwohnung, aber mangels Einkaufsmöglichkeiten, mussten wir heute Morgen aus dem Rucksack leben. Ich habe immer ein paar Teebeutel dabei und es gab noch Brote vom Tag zuvor. Er macht uns Tee und wir frühstücken spartanisch aber zufrieden. 


Die Wohnung wird im ordnungsgemäßen Zustand hinterlassen, der Schlüssel wie vereinbart in den Briefkasten geworfen.
Wir müssen wieder etwas bergauf, entschließen uns, die Drohne zu starten und lassen alles in Ruhe angehen. 

 
Lingueglietta soll zu einem der schönsten Dörfchen Italiens gehören. Wir verlassen durch enge gepflegte Gässchen den Ort und haben kurz nach dem Tagesvideo den Monte Croce, den höchsten Punkt der Wanderung, erreicht. Jetzt wird man tatsächlich für die gestrigen Strapazen im Anstieg entschädigt. Ein gigantischer Anblick auf das Meer eröffnet sich. Wir sind ganz allein hier oben. Der Duft von Thymian liegt in der Luft. Weit, weit hinten im Dunst müssen Monacco und Nizza liegen.





Wir machen Picknick mit Wasser und Nüssen, mehr Essbares gibt der Rucksack nicht her. Brauchen wir auch nicht. Heute folgen wir brav den Wegweisern und bei einer weiteren Rast begegnen wir einem deutschen Urlauber, der den gleichen Weg läuft wie wir und bei seiner Cousine in Linguegliletta Urlaub macht. Wir begegnen uns im Laufe des Tages öfters. Er will demnächst den Jakobsweg pilgern, es ist sein erstes Mal und er würde gerne mal den Rucksack anheben, hat Fragen zum Pilgerpass, zum Schlafsack und zu den Unterkünften. Völlig per plex ist er, als er erfährt, dass wir im Dorf ein BnB für nur eine Nacht gefunden haben. Offensichtlich ist das nicht üblich. Viele San Remo-Urlauber wohnen hier, machen wohl auch ein bisschen die Infrastruktur kaputt, es werden Schicki-Micki-Restaurants eröffnet, in die kein Einheimischer geht, die kleinen Restaurants und Bars gehen kaputt, die Jugend zieht weg. Das Dörfchen hat noch 75 Einwohner, davon viele Deutsche, im Sommer wohnen viele Urlauber hier. Die teuren Restaurants haben nur 5 Monate Saison.
Dass wir in Taggia auch eine Unterkunft für nur eine Nacht fanden, verwundert ihn ebeneso.

Wir unterhalten uns lange und ich zeige ihm den Wanderführe zur Via della Costa. Er will jetzt ein paar Strecken ausprobieren.
Der erste Ort, Castellaro, ist erst nach ca.8 km erreicht. Kurz darauf hat einen die Zivilisation wieder, man unterquert die Autobahn und erreicht nach müden km bergab Taggia. Keine besonders attraktive Stadt. Das einzig Einzigartige ist die Ponte Romana aus dem 16. Jahrhundert.



Die letzten fünf km Asphalt ziehen sich bis man Arma die Taggia erreicht.
Mein Mann versucht mich aufzuheitern, in dem er den Speiseplan für heute Abend zusammen stellt, Fisch will er machen, es soll eine Küche geben und hier unten auch mehrere Supermärkte.
Eigentlich war Bordighera als Ziel für heute geplant. Hätten wir nie geschafft.
Aber, da kam vorgestern die Whats App vom BnB in Arma di Taggia, mit der ich gar nicht mehr gerechnet habe, da auf die Mails keine Antwort kam. Und wir planten kurzerhand um. Dank Brunella vom BnB Imperia klappte das auch. Wir bauten also die Unterkunft Arma di Taggia mit ein. 


 
Die steht übrigens in keinem Wanderführer. Ich versuch mein Glück immer damit, in googlemaps irgendwelche Klöster auszumachen, die maile ich an. Das Kloster in Taggia bietet keine Gastfreundschaft an, vermittelte aber an die Familie Taggiasco, die uns ihre Ferienwohnung zur Verfügung stellt und hierfür lediglich eine Spende verlangt.
Und jetzt kommt es.
Egli Taggiasco begrüßt uns herzlich, wünscht Ruhe und einen guten Weg. Sie wohnt gegenüber und läuft jetzt hin und her, um uns mit Lebensmittel zu versorgen. Ich kann gar nicht aufzählen, was sie alles bringt, Schinken, Käse, Brot, zwei Tartes, Butter, Fisch, Wein, Öl, Tomaten, einen großen Obstkorb, Kaffee und Tee. Wir fassen es nicht. Geld nimmt sie nicht, ich soll es der Kirche spenden. Ist schon fast beschämend, und mein Mann beschließt, obwohl wenig religiös, in Santiago eine Kerze für allen guten Helfer anzuzünden, und Egli Taggiasco ist eine von ihnen.



Wenn das jetzt der deutsche Urlauber sähe, er würde es nicht glauben, eine Ferienwohnung mit allem drum und dran, Verpflegung im Überfluss und eine nette und besorgte Vermieterin.
Fiel das Frühstück heute Morgen sehr spartanisch aus, könnte man heute Abend eine Armee von Pilgern versorgen.
Morgen geht’s über San Remo nach Bordighera. Mal sehen, was der letzte Pilgertag noch für Überraschungen bereit hält.



Erkenntnis des Tages:  
„Der Weg sorgt für dich !“

Tag 16, 28.04.2019, von Imperia nach Lingueglietta

17 km,viele Höhenmeter

BnB Ca del Vescovo in Porto Maurice (Imperia)


Der Tag fängt gut an und endet auch gut. Mit einigen kleinen Dramen.
Brunella, die Wirtin, versorgt uns beim Abschied mit einem Proviantpaket bestehend aus dem hier für die Osterzeit typischen Kuchen Colomba, eine Art Rührkuchen, und verabschiedet sich mit dem vom Camino bekanntem Gruß „Ultreia“. Mein Mann kriegt sogar ein Küsschen.
In den Häuserschluchten springt das GPS-Signal hin und her und er hat alle Not, den richtigen Weg zu finden. Die Via della Costa verläuft in großen Teilen identisch mit dem Sentiero Ligure. Wir müssen also nur auf gelbe Pfeile oder blaue Aufkleber achten. Ich will ja einfach Straße gehen, 8 km bis zum nächsten Ort und von hier aus nach den Markierungen. Die Straße hatte ich gestern bereits gefunden. Aber nein, wir laufen mit Handy. 





 
Im Prinzip laufen wir heute ins Landesinnere, einen großen Bogen von Berg zu Berg, um morgen wieder ans Wasser zu kommen. Hierzu müssen wir immer wieder bergauf und bergab, die Autobahn überqueren und viel off Road laufen. 


Als wir auf der erster Höhe ankommen, haben wir das Meer auf der rechten Seite, da wir aber westwärts laufen, müsste es theoretisch links von uns liegen, wir sind also ein Stück zurück gelaufen, ärgerlich. Zudem sind Weg und Landschaft zunächst wenig attraktiv. Es wirkt alles wie vertrocknet. Man kommt an einzelnen Gehöften vorbei und von Hof zu Hof bellen mehr Hunde am Gartentor, so dass bei der nächsten Gelegenheit der Hundeabschrecker aus dem Rucksack in die Hosentasche wandert.
Ich werde sauer, als der Weg durch Pampa führt, wo seit Jahren wohl niemand mehr lang gegangen ist. 


Zudem gibt’s hier in den kleine Dörfern weder Bar noch Alimentari, noch sonst irgendwas. Die Menschen sind auch etwas komisch, als wir nach Wasser fragen, schickt man uns zum Dorfbrunnen, ich habe da immer etwas Bedenken. Ob das Wasser trinkbar ist, weiß man aber nicht. Wir trinken und es wird uns nicht schlecht.


Allerdings entdeckt man auf solchen abgelegenen Wegen auch kleine Sehenswürdigkeiten, die man mit dem Auto überhaupt nicht erreichen würde.






 

Der Sentiero Ligure führt über Torazza und Civezza nach Lingueglietta. Immer wieder sehen wir das Meer und die Autobahn und man hat das Gefühl, man käme überhaupt nicht voran. In Civezza können wir dann nach sechs Stunden in einer Bar Wasser kaufen. 



 

Um allerdings ans heutige Etappenziel zu kommen, muss der Pilger nochmals 200 hm bergab und 300 hm bergauf. Zum Glück spielt das Wetter mit und wir haben gelernt, unsere Ankunftszeit immer nach hinten zu verlegen.
Auf dem Sträßchen bergab passiert es dann, ich fühl, dass ich auf irgendetwas „rolle“, und zwar schneller als ich laufen kann, der Rucksack zieht mich nach hinten und schwups liege ich wie ein Maikäfer auf dem Rücken. Mein Mann kriegt von alledem zunächst nichts mit, der sammelt gerade Kräuter am Wegesrand, als er mich auf der Straße liegen sieht, eilt er zurück und muss mir aufhelfen. Das rechte Knie schmerzt etwas. Jetzt erst nehmen wir wahr, dass die Straße mit vertrockneten Olivenkernen übersät ist, und wenn man drauf tritt, kommt man ins Rollen. 

 
Der heutige Gastgeber ist nicht daheim und hat seine Mutter beauftragt, uns die Schlüssel auszuhändigen. Lucia ist eine ältere Dame, führt uns ins BnB, das auf der website mit der Via della Costa und Pilgerpreisen wirbt. 

Und wir haben eine hübsche kleine Wohnung mit Schlafzimmer und Bad und Küche. Blöd, heute gibt’s ne Küche aber keine Einkaufsmöglichkeit, nur gesammelte Kräuter, Majoran, Thymian, Wacholder und Eukalyptusblätter zaubert mein Mann hervor. 



Er kriegt auch nach langem Herumtüfteln die Heizung im Bad an und wir können den Schweiß, der heute bei dem vielen Bergauf und Bergab in Strömen floss, abduschen. Im Ort gibt’s zwei Restaurants, falls hier aber kein Platz mehr sein sollte, so Lucia, sollen wir sie anrufen, dann macht sie uns Pasta. Da ist sie wieder - die italienische Gastfreundschaft :-)



Erkenntnis des Tages:  
„Auch auf Olivenkernen kann man ausrutschen ! „

Samstag, 27. April 2019

Tag 15, 27.04.2019, von Albenga nach Imperia


Agricamping Zafferano in Albenga

Albenga – Alassio 10 km
Alassio – Andora Bus
Andora- Imperia (Porto Mauritzio) 10 km

Wir können schlecht einschlafen, das Essen ging vier Stunden, bis Mitternacht im kalten Zelt.
Eigentlich möchte ich weg hier. Das viele Asphalttreten gestern Abend war es nicht wert.
Um nach Imperia zu kommen, müssen wir zunächst wieder Straße unter die Füße nehmen und anschließend über die Berge. Denn die Felsen sind hier so schroff, dass kein Weg an der Küste entlang geht. Lediglich die Bahnlinie und weiter oben die SS 1.

Kurz nach vier ziehen wir los. Wir packen leise die Feldbetten zusammen und verlassen die Küche im ordentlichen Zustand. Natürlich gibt’s die Spende für das Kinderkrankenhaus.
Manchmal sollte man vielleicht doch eher ein passendes BnB suchen, denn mit der Oferta ist das so ein Ding. Man weiß nie so recht, welche Höhe angemessen ist und ob die zivilen Gastgeber damit auch zufrieden sind.
Wir müssen heute etwas umdisponieren, auch das gehört dazu. Ich muss dringend schlafen, mich fröstelt. Und heute Morgen ist es aber auch kalt.
Mein Mann sieht Gespenster, indem er meint, ein Wagen mit vier jungen Burschen verfolge uns, und er bewaffnet sich mit dem Pfefferspray.
In Alassio streike ich, die Straße ist viel zu gefährlich. Ich studiere den Busfahrplan, lieber warte ich eine halbe Stunde als dass ich mich den Abhang hinunter stürzen lasse, die italienischen Autofahrer sind schon ein bisschen verrückt. Die Rennradler kommen gleich danach.


Ab Andora laufen wir dann wieder und nehmen uns in Imperia kurzerhand ein BnB, das ist nicht viel teurer und wir beide brauchen ein bequemes Bett, übermüdet ich und Rücken er.






Zum Glück haben wir noch einen Puffertag und splitten jetzt zwei Wandertage in drei Tage.
Als ich die Unterkünfte plante, schrieb ich mehrmals ein BnB in Taggia an, die bis heute nicht reagierten. Das war mir zu heikel und ich buchte ein anderes. Hier gibt’s oftmals Pilgersonderpreise. Und genau jetzt schickt das BnB in Taggia eine WhatsApp mit der Frage, wann wir den morgen einträfen.

Die Gastgeberin hier in Porto Mauritzio in Imperia staunt nicht schlecht als da zwei Rucksackreisenden die Treppe herauf kommen und zeigt uns dann voller Stolz ihre Pilgerurkunde vom Jakobsweg.
Bingo ! Wir müssen aus der Strecke Imperia- Linguilietta-Bordighera jetzt
eine Drei-Tages-Tour machen und Taggia mit einbauen. Und Brunella, die BnB Gastgeberin hier, wird dolmetschen. I

Und siehe da, nach mehreren Anrufversuchen, kriegen wir das hin.

Klingt jetzt ein bisschen kompliziert, aber wenn es klappt, geht’s morgen in die Berge.


 
Irgendwann kann man nach zwei Wochen Molen und Strandbars nicht mehr sehen.

So, und heute haben wir das BnB offensichtlich ganz allein. Mein Mann kann zwar hier nicht kochen, dennoch zaubert er uns ein nettes kleines Abendbrot, halb sieben, wie es sich gehört. Und dazu läuft vom Handy Eros Ramazotti.



Erkenntnis des Tages:  
Nicht jeder Tag, der nicht gut beginnt, endet auch so.“

Tag 14, 26.04.2019, von Finale Ligure nach Albenga



26.04.2019, von Finale Ligure nach Albenga 

23km, viel Wind

BnB A Campanina in Finale Borgo

Tiziana hat uns für das Frühstück Cuppons für die Bar nebenan gegeben, Cappuccino und Brioche. Wir beschließen, in der Wohnung zu frühstücken und mein Mann schickt mich nach nebenan, den Kaffee und die süßen Teilchen holen. 


Auch das ist kein Problem, die Barfrau trichtet alles fein säuberlich auf einem Tablett und ich bringe später das Geschirr zurück. Wir lassen es ruhig angehen. Während mein Mann nochmals sein Glück mit der Drohne versucht, die Gnädigste aber keinen Satellit findet, will ich noch Fotos machen. Als ich plötzlich jemanden meine Namen rufe höre, taucht schon Tiziana auf, sie trifft dann eine andere Nachbarin, erzählt der auch nochmal von unserer Pilgertour und ich fotografiere die von mir trappierten Rucksäcke vor der BnB Tür. Beide Frauen zücken ihr Handy und machen schließlich auch noch Fotos von den Rucksäcken mit der Muschel. 


Irgendwie ist hier oben die Welt noch in Ordnung, jeder grüßt jeden, jeder kennt jeden, niemand hat es eilig.
Nützt alles nichts, wir müssen los.
Gewaltig stürmt es heute und wir haben die ganze Zeit den Wind von vorn. Selbst im Tunnel fegt ein deftiger Sturm. 



In Loano gibt’s ne größere Pause. Wir wechseln ins Städtchen und rasten auf der hübschen großen sonnigen und windgeschützten Piazza. Mein Mann will in einen Supermarkt, er hat Appetit auf Schinken. Lässt mich also mit Sack und Pack auf einer Parkbank sitzen. Als er nach über einer halben Stunde noch nicht zurück ist, mache ich mir Sorgen. Mann fand keinen Supermarkt und wanderte in ein anderes Stadtviertel, als er bepackt mit einem Wochenendeinkauf zurück wollte, gingen die Schranken herunter und nicht wieder hoch. Eine geschlagene halbe Stunde wartete er geduldig mit anderen Passanten. Ich unterdessen, auf der Parkbank sitzend, bewache beide Rucksäcke und beobachte das bunte Treiben auf der Piazza. Väter spielen mit ihren Söhnen Fußball, Mamas zaubern ihren Töchtern Seifenblasen, Omas fahren die Kinderwagen spazieren und Opas ? Ja, die stehen an der Schranke.



 

Der Tag ist trotz des mächtigen Windes abwechslungsreich und kurzweilig, weil es immer was Neues zu entdecken gibt. Und ab und zu gibt’s auch Gelati. Da kann den restlichen Zähnen nicht viel passieren.


Aber das letzte Stück hat es nochmals in sich. Nicht an Höhenmetern oder Treppen, diesmal heißt es Asphalt treten, entlang an riesigen Gewächshausanlagen, teils verottet, teils bewirtschaftet, die hübschen Geranientöpfe sind vom Sturm alle umgeweht wurden und Laster mit sechs Stockwerken Lavendeltöpfen beladen brausen an uns vorbei.


Wir haben uns heute auf einem Campingplatz angemeldet, ein Mobilhome soll zur Verfügung stehen. Die Besitzer sind voll im Stress, die Gastgeberin hat zu einem Benefizessen zugunsten eines Kinderkrankenhauses in Genua eingeladen und wuselt herum. 12 Gäste,
meisten Camper, haben sich angemeldet. Wir sollen auch kommen, um acht geht’s los, in einem Zelt auf dem Campingplatz. Mein Mann wollte heute mal für uns kochen und ist etwas enttäuscht, findet aber die Idee gut und wir sagen zu. Dennoch fühlen wir uns deplatziert. Das Mobilhome gibt es nicht, wir schlafen auf Feldbetten in der Küche. Geht schon mal, die sind aber noch gar nicht gerichtet, da ja noch das „Festessen“ vorbereitet wird. Und die Dusche ? Nachdem mein Mann einen Blick in die Abstellkammer wirft, ist sein Kommentar: „Wie in Nepal“, da hat er nicht ganz Unrecht. Was allerdings stört, Dusche und Toilette sind nicht abschließbar, es ist eher ein großer Abstellraum, in dem eine Unmenge an Scheuertüchern hängt. Ich dusche trotzdem. Aber ein Waschbecken zum Zähne putzen oder zum Rasieren sucht man umsonst. Erst nach mehreren Nachfragen können wir die Feldbetten aufbauen, das wollte der Hausherr nach dem Dinner machen, welches allerdings bis Mitternacht geht. 

 
Wir sind erschöpft, fühlen uns, obwohl von dem Benefizgedanken sehr beeindruckt, etwas überrumpelt.
Das Gekochte schmeckt gut, und kurz vor zwölf verabschieden wir uns. Die kleine sechsjährige Tochter eines Camper- Ehepaares ist bereits am Tisch eingeschlafen. Das ganze findet in einem Zelt statt, na ja, so richtigen Benefizcharakter hat es nicht, ist aber eine sehr soziale Geste.
Es zieht, trotz langer Unterhosen ist mir kalt, wir sind müde und erschöpft. Hinzu kommt, dass wir und vom Hausherren etwas herab lassend behandelt fühlen. Warum wir nicht jetzt bis Santiago laufen, hallo, wir müssen mal wieder arbeiten. Oh ja, und Frankreich, das wird sehr teuer. Und ob wir auch ja den im Wanderführer angegebenen Pfad laufen. Vielleicht bin ich jetzt auch etwas ungerecht, aber so nehmen wir das wahr.
Noch weit nach Mitternacht wuseln Mutter und Tochter in der Küche herum. Um Kaffee für die Gäste zu machen, müssen sie jedes mal über die Liegen steigen. Nachts kann ich nicht schlafen, das Feldbett ist ausgelegen, ein Aggregat in der Küche springt laufend an, das grüne Licht der Kaffeemaschine leuchtet mir in die Augen.

Erkenntnis des Tages:  „Nicht jeder Tag, der gut beginnt, endet auch so.“



Freitag, 26. April 2019

Tag 13, von Savona nach Finale Ligure

21 km, 350 hm bergauf, 350 hm bergab
7 km Zug
 
Seminaro Vescovile in Savona 60,- Euro DZ HP


 
Als wir heute Morgen aus dem Fenster schauen, erblicken wir im Hafen zwei Luxusliner, die wahrscheinlich Kurs auf Korsika nehmen.
Im Refektorium ist das italienischen Frühstücksbuffet für uns gerichtet, man hat für 6 Personen eingedeckt, wir beide sitzen aber allein unter dem Gemälde „Das Abendmahl“ und schlürfen unseren Kaffee.
Savona ist eine große Stadt an der Küste und von diesen Küstenorten führen Straßen an der Küste entlang oder in die Dörfer in den Bergen. Diese Orte in den Bergen sind allerdings kaum miteinander verbunden, so dass man, will man von einem Ort in den Bergen zum anderen, immer zunächst an die Küste muss, dann hier parallel zum Küstenstreifen entlang zum nächsten Küstenort, um von hier dann wieder in die Berge zu kommen. Manchmal kann aber der Wanderer auch nicht durchgängig an der Küste entlang laufen, so dass heute zwei größere Abschnitte über die Berge gehen müssten. Wir beschließen daher, von Savona den Zug bis Noli zu nehmen. Wir durchfahren sozusagen den Fels und kürzen damit einen Landzipfel ab, steigen dann auf halber Höhe aus und haben somit nur 350 hm vor uns. Das klappt gut und wir kommen zügig voran.



Die Obstpause gibt’s in einem kleinem typischen italienischem Dorf, Alimentari, Tabacchi, Bar und das gesamte Dorfleben vereint auf 20 qm.
Mein Man will zwei Cappuccini bestellen und kommt mit Brot, Prosciutto und Käse wieder heraus und zu meinem Erstaunen mit einer knüppelharten Salami, die will er in Scheiben schneiden und lutschen.
Die restlichen Zähne überstehen das auch und es geht über Waldwege weiter.





Die Gegend hier ist ein beliebtes Bikergebiet und die Radler sind nach dem gestrigen Regen gut verdreckt. Viele Deutsche scheinen das Bikergebiet entdeckt zu haben.
Der Abstieg nach Finale Ligure ist nicht ganz einfach, geht man doch auf einem sogenannten Singeltrail hinab, das ist mehr oder weniger eine ausgefahrene Radspur, schön schmal.







Heute geht’s nicht an die Küste, wir durchqueren bereits oberhalb der SP den Ort und stehen plötzlich vor diesem wunderschönen Kleinod aus dem 12. Jahrhundert, Finale Borgo, ein winziger alter Stadtteil mit engen Gässchen, durch die sich zugeschlammte Radler mit ihren ebenso zugeschlammten Bikes drängen, hübsche kleine Lädchen, Bars und Restaurants, und alles mit wunderschönen Blumen geschmückt. Man merkt schon, dass man der Blumenriviera immer näher kommt.
Und in einem dieser kleinen Gässchen befindet sich unser BnB.
Als ich reservierte erhielt ich folgende Mail
Liebe Kerstin und Hans-Jürgen!
Entschuldigung für die Verzögerung dieser Antwort
Super dein Weg!
In der Zeit von Ostern bis zum ersten Mai gilt sie hier als Hochsaison mit großem touristischen Einfluss.
Die Preise für ein Doppelzimmer betragen € 70 pro Nacht, und wir fordern normalerweise einen Mindestaufenthalt von zwei aufeinander folgenden Nächten. Für Sie kann ich eine Ausnahme machen, weil ich glaube, dass Pilger, die zu Fuß reisen, heilig sind. Wenn ich die ganze Brücke gut bearbeiten kann, möchte ich auch einen Rabatt für Sie gewähren.
Ich warte auf deine Antwort.
DANKE und einen herzlichen Gruß aus Ligurien!
Tiziana





Und obwohl wir Tiziana noch gar nicht kannten, war sich uns schon jetzt sympathisch.
Wir rufen sie also an, sie wohnt 2 km entfernt, spricht deutsch und benötigt ca. 20 Minuten, denn sie hat sich wie sie sagt „gerade den Kopf gewaschen“.
Es gibt Menschen, denen man im Leben begegnet, da stimmt von Anfang an die Chemie, man schwimmt auf einer Wellenlänge, und Tiziana ist solch ein Mensch. Man könnte meinen, wir würden uns schon jahrelang kennen. Sie hat drei Jahre eine Auszeit in einem Kloster in der Nähe von La Verna verbracht und möchte sich gern mit uns noch unterhalten, lädt uns zum Kaffee ein und hier in diesem Städtchen scheint auch jeder jeden zu kennen. Die Nachbarin läuft über den Weg, der stellt sie uns vor und erzählt ihr über unser Vorhaben, im Cafe dem Bekannten am Nachbartisch ebenfalls.
Wir fühlen uns pudelwohl. Die kleine Wohnung ist warm, das Wasser heiß, das Bett bequem. Denn Tizianas Tochter ist Volleyballspielerin und wenn sie ihre Sportkollegen mitbringt, schlafen die im BnB, deshalb hat sie ein zwei Meter großes Bett gekauft. Da die Turmuhr auch nachts schlägt, gibt es für die Gäste im Nachttisch Ohrenstöpsel. Perfekt, brauchen wir aber nicht.


Als wir uns verabschieden, ist bereits dunkel, wir müssen aber noch das Städtchen besichtigen, überall ist noch was los, in den Gassen, auf der Piazza, man meint sich hier in einem kleinen Mikrokosmos. Finale Borgo haben wir sicher nicht das letzte Mal besucht.
Buona Notte.




Erkenntnis des Tages
 „Du findest sie noch, die hübschen Überraschungen des Lebens !“