Samstag, 11. Mai 2013

Tag 12, 11.05.2013, von Chiaravalle della Colomba nach Fidenza, 13 km



Als wir gestern durch diese trostlose Landschaft von Fiorenzuola bis Chiaravalle liefen, sprach niemand von uns ein Wort, jeder sehnte sich nur auf den letzten 6 km endlich die Abbazia herbei mit Dusche, sauberem Bett und vielleicht einer kleine Küche wie gestern.
Es gab Agriturismen, die nicht sehr einladend aussahen, verfallene Cascina, Bauernhöfe, vertrocknete Felder mit kleinen Tomaten- und Kartoffelpflanzen, beides übrigens Nachtschattengewächse.
Wir waren Froh, angekommen zu sein und wollten das, was uns geboten wurde, dankend annehmen und am nächsten Tag weitergehen.
In der Trattoria kam es dann irgendwie über meinen Mann, Zweifel, warum das alles, warum machen wir das.
Seine Sonnenallergie, die er sonst eigentlich gar nicht kennt, juckte auf den Unterarmen, ständig musste er sich kratzen. Es juckte schließlich von den Fußsohlen bis zu den Haarwurzeln. Er hatte das Bad in der Herberge vor der Benutzung geschrubbt. Und das Essen schmeckte plötzlich auch nicht mehr. Die Luft war raus. Hinzu kam, dass wir sinnlos 15,- Euro verpulverten, um die Beiträge in den Blog zu stellen, weil ständig der Funk zusammenbrach. Ein Platzregen brachte schließlich das Fass zum Überlaufen.
Bedrückt gingen wir in die Unterkunft und er meinte, dass er endlich mal wieder in einem sauberen Bett schlafen will und dass wir uns hoffentlich keine Flöhe holen.
Wir beschlossen, uns beizeiten aufzumachen.  Der Gedanke an Flöhe und sein Schnarchen ließen mich nicht schlafen. Als die Glocke schließlich viermal schlug krabbelte ich aus dem Schlafsack und versuche, mich anzuziehen. Die durchgeschwitzten Sachen und das nasse Handtuch sind noch feucht, wir machen drei Gasflammen an und versuchen, die Anziehsachen etwas aufzuwärmen.
Wir wollen einfach weg hier, obwohl das Kloster und die Anlage sehr schön sind, sogar einen künstlich angelegten Teich gibt es im Klostergarten. Eine riesige schöne Anlage. Vor den Klostermauern aber ein Nest, wie es ärmlicher nicht sein kann, offensichtlich hat sich da jemand verplant mit dem geschlossen Hotel und den Ruheinseln, die von Gras überwuchert sind.
Die Straße hierher ist mit Schlaglöchern gespickt, vor dem Kloster wird gerade teures Pflaster verlegt.
Irgendetwas passt nicht.
Zehn vor fünf sind wir mit Packen fertig und verlassen das Haus, die angefangene  und anscheinend schon länger offenstehende Rotweinflasche des Vorgängers haben wir entsorgt und den Küchentisch abgewischt, sein benutztes Glas haben wir weggeräumt, das ranzige Öl und die vergammelte Marmelade haben wir stehen lassen.
Dass Dorf liegt noch im Dunkeln, die Abbazia wird von Scheinwerfen angestrahlt. Auch das passt alles nicht zur Stimmung.
Das schmiedeeiserne Tor ist mit einem Vorhängeschloss verriegelt, die Klostermauern sind zu hoch für uns, zum Glück ist das große Holztor hinterm Teich nur mit einem Schieberigel geschlossen.
Der im Wanderführer beschriebene Weg soll jetzt über verschiedene Ortschaften führen und beschreibt 16 km Strecke recht weit entfernt von der eigendlichen Via Francigena. Wir betrachteten uns die Strecke auf dem GPS und lasen in Wikipedia, dass die ursprüngliche VF eigentlich über Alseno führte und von dort auf der heutigen Via Emilia, der SS 9 nach Fidenza. Bis Alseno  sind es 5 km, dann 5 km Strada und in Richtung Fornio kann man diese wieder verlassen, um rechts  der Hauptstraße nach nochmals 4 km Findenza zu erreichen, also wesentlich kürzer als durchs Pilgerschutzgebiet.
Gesagt, getan, in Alseno sind wir gegen sechs und in der einzigen Bar des Ortes wird wieder italienisch gefrühstückt. Die Bardame und die Fahrer bestätigen uns, dass man Straße gehen kann, die Fahrer seien an Pilger gewöhnt. Eigentlich spekulierten wir auf den Zug zwischen Alseno und Fidenza. Die Stazione gibt es zwar noch, aber ein Zug, so erfahren wir hält da schon lange nicht mehr.
Wir nehmen 4 km Straße unter die Füße, vorbei an Möbeldiscountern und einem großen Feldlager der Alpini, die alle noch zu schlafen scheinen, und sind schnell am Abzweig zu Fornio. Hier trifft man auch wieder auf Wegemarkierungen, die noch auf die alte Streckenführung hinweisen. Es ist wie immer Asphalttreten angesagt. Findenza ist gegen halb neun erreicht und bietet mal kein Industriegebiet, dass kilometerlang durchritten werden will. Die Sonne scheint und  schnell ist der Dom erreicht, der auch geöffnet ist. Wir gehen hinein und setzen uns.
Und jetzt hat es auch mich erwischt, Stimmung und Motivation sind auf dem Nullpunkt. Tränen kullern und ich lass meine Kopf auf die Schultern meines Mannes fallen: „ Ich will nach Hause.“ Schluchze ich leise.
Die Füße brennen, drei Blasen und Herpes sind genug. hinzu kommt, dass man seit zwei Tagen im Hintergrund immer wieder die Berge erkennt, über welche die nächsten Tage führen sollen.
Unsere ursprüngliche Planung dieser Etappe ging bis Fidenza.
Wir bräuchten ganz einfach mal einen Ruhetag. Fidenza bietet sich an. Es ist hier ganz anders als in Piacenza. kleiner, sauberer, freundlicher.  Auch die junge Frau in der Touristeninfo ist nett, spricht deutsch und sucht uns ein nettes kleines Hotel heraus, die großen sind alle von den Alpini belegt. Da wir so  die Bergetappen aber nicht mehr schaffen, um Pfingsten wieder zu Hause zu sein, denn dann wäre der Urlaub zu ende, muss der Cisa-Pass eben warten. Wir kommen auf jeden Fall wieder.
Eine passende Zugverbindung für morgen sucht sie uns auch gleich heraus und wir werden morgen von Fidenza über Milano nach Ivrea die Heimreise antreten. Bleiben  noch eine Nacht in Ivrea wie geplant und werden Montag wieder daheim sein.
Das Hotel in Fidenza  ist schön, liegt nicht weit vom Zentrum entfernt, wir besorgen uns gleich die Fahrkarrten für morgen und lassen die schmutzigen Sachen fallen, duschen und schlafen.
Wir haben zwei Packungen Compeed-Blasenpflaster, eine Packung Herpes Pflaster, eine ganze Tube Sonnencreme und zwei Meter Leukoplast verbraucht.
Wir sind ein bisschen traurig und auch das schlechte Gewissen plagt etwas, dennoch tut es dem Körper gut. Respekt allen Pilgern, die am Stück diesen Weg laufen sind und noch mehr Respekt denen, die allein gehen. Wir wissen nicht, wo Markus steckt und wünschen ihm buon Camino, auch Everdiene alles Gute, sie ist vor einigen Tagen in Rom gestartet und läuft weiter in den Süden.
Danke allen Kommentatoren, wir hoffen, ihr seid im nächsten Jahr wieder mit dabei.
Arirvederci und Grazie mille.
P.S. Drei Flohstiche sind es heute morgen  bei meinem Mann.

Erkenntnis des Tages:  auch ein Pilger braucht ab und zu ein saubres  Bett !


Abendstimmung an der Abezzia

Morgenstimmung über der Via Emilia


am Dom von Fidenza


Freitag, 10. Mai 2013

Tag 11, 10.05.2013, von Montale nach Chiaravalle della Colomba, 29 km



Haben gut, ruhig und sauber geschlafen, die drei Alpini waren als wir heute Morgen um 6.10 Uhr das Ostello verlassen, noch nicht da.
Die Herberge in Montale ist sehr zu empfehlen und lässt keine Pilgerwünsche offen.
Nicht nur des Nieselregens wegen benutzen wir heute die roten und orangenen Rucksackregenschutze, sondern auch dass uns die Autofahrer sehen. Zusätzlich benutzt mein Mann noch dieTaschenlampe. Früher sind die Pilger von Piacenza bis Fidenza auf der Straße gegangen, jetzt hat man Wege markiert, die oftmals auch große Umwege bedeuten. Nach einer  Stunde haben wir gute 4 km bis Pontenure zurückgelegt und es gibt Frühstück wie immer  Cappuccino, Tee, zwei Croissants, wie immer 4.50 Euro, wie immer sind hier Pilger nichts Neues. Weiter geht es über Cadeo, Roveleto und Fontana Fredda, wobei die Orte durch große Einkaufszentren zusammenhängen und hier ausreichend Platz zum Gehen ist. Da wir nun aber doch mal die ausgeschilderte Strecke bis Fiorenzuola d´ Arda nehmen wollen und in der Hoffnung beide im Wanderführer geschilderten Furten hinter uns zu haben, verlassen wir in Fontana Fredda die SS9 und wandern über Straßen, die zu einzelnen Bauernhöfen führen immer der Markierung nach.
Kurz darauf stoßen wir nun aber doch auf eine Furt, die selbstverständlich nicht ausgetrocknet ist.
Einem Pilger bricht es das Herz, mühsam zurückgelegte Kilometer zweimal gehen zu müssen. Also werfen wir die Rucksäcke ab und kramen unsere Badelatschen heraus, denn der Grund ist sehr steinig. Zuerst bringt mein Mann unsere Rucksäcke ins Trockene und ich folge, knapp kniehoch und vorsichtig, es ist sehr kalt, aber trotzdem lustig, bringt es doch mal etwas Abwechslung ins triste Straßen laufen.
Wir verstauen die Badelatschen in Plastiktüten, trocknen die Füße ab und richten den Inhalt der Rucksäcke und auf  geht’s.
Bald darauf erreicht man Fiorenzuaola, indem man eine Straße unterqueren muss, leider steht die Unterquerung ebenfalls unter Wasser, und diesmal wäre die Furt zu tief, so dass wir uns über ein Tankstellengelände Zugang zum Eingang der Stadt verschaffen. Es ist 13.00 Uhr, in einer Bar gibt’s Panini und aus Cola und Fanta selbstgemixte Spezi und von neben an noch ein Frozen-Jogurt-Eis mit toller Nutellasoße.
Und auch hier treffen wir immer noch unsere Freunde, die Alpini.
Da es heute Morgen schön klar war, konnte man rechts von uns schon die Bergkette des Apennin deutlich erkennen und man ist froh, wenn endlich wieder etwas Abwechslung ins tägliche Laufen kommt, obwohl die Po-Überquerung ohne Zweifel eine ganz tolle Abwechslung war.
Eigentlich wäre nach Plan Fiorenzuaola unser heutiges Etappenziel gewesen, aber weil in den nächsten Tagen auch Höhenmeter zu überwinden sind, haben wir die nächsten beiden Etappen etwas umprogrammiert und gehen weiter als geplant.
Daher waren dann auch die letzten 6 km noch mal quälend und man ging stillschweigend nebeneinander her, zumal die Landschaft auch wirklich Nichts bot.
Gegen Drei erreichen wir endlich das Nest, und etwas anderes ist es nicht, Chiaravalle mit seiner großen Abbazia. Dieser Ort hat zwar eine samstags und sonntags geöffnete Touristeninformation aber keine Einkaufsmöglichkeiten  außer dem Klostershop, in welchem man Bonbons, Schnaps und Parfüm erstehen kann.  Das im Outdoorführer beschriebene Hotel ist geschlossen und die Trattoria eher eine Dorfkneipe.
Die Abtei ist ein Zistersienserkloster, das Mutterkloster ist Clairvaux, welches wir ja von der zweiten Pilgeretappe schon kennen. Der Heilige Bernard von Clairvaux war an der Gründung persönlich beteiligt und der Legende nach hat eine weiße Taube (Colomba) einen Zweig an der Stelle abgelegt, an welcher das Kloster gebaut werden sollte.  Und kein andere als Napoleon hatte im 19. Jahrhundert die Abtei geschlossen und zur Pfarrkirche umgebaut, was sie auch heute noch prägt.
Wir müssen erst eine Weile suchen bis wir einen passenden Ansprechpartner finden.
Don Rocco erweist uns die Ehre das Zimmer zu zeigen, das von allen vorherigen Nutzern nicht gerade im reinlichstem Zustand hinterlassen wurde.  Das Bad besitzt statt Dusche Badewanne, die mein Mann  erst schruppt, bevor man hineinsteigt. Ich weiß, wir sind piensig und ich versuche ja auch immer den Gedanken zu verinnerlichen, nimm, was dir geboten wird,  sei  dankbar und geh am nächsten Tag weiter,  es gelingt mir nur nicht immer.
Nachdem wir nun den Gasherd in Gang bekommen haben, um es etwas warm zu bekommen und alle Wehwehchen versorgt sind, machen wir eine Klosterbesichtung. Und der Kreuzgang ist wirklich sehenswert  und wunderschön. Danach versuchen wir, irgendwo etwas Essbares aufzutreiben und landen in der hiesigen Trattoria. Abendessen gibt es aber wie immer erst halb acht, der gute Wirt stellt uns zum Bier aber ein paar Brote mit Schinken hin und wir sind unendlich dankbar. Die Wirtin aber rückt ihren privaten wifi-code nicht raus und wir nehnen es ihr nicht für übel. Deshalb ist es auch manchmal schwierig, tagegenau die Tagebucheinträge weiterzuleiten.
Morgen soll es nach Costamezzana t gehen und wir überlegen, mal 7 km mit der Bahn zu überbrücken, um uns den Dom von Fidenza in Ruhe anzuschauen und um eine wieder ausgeschilderte Furt zu vermeiden.
Erkenntnis des Tages: Wenn du denkst, du hast den Po überquert, stellt sich irgendeine nasse Furt in den Weg.




Rucksack - die Erste

Rucksack - die Zweite


 Abazzia

 Kreuzgang mi Knotensäulen


Tag 10, 09.05.2013, von Calendasco über Piacenza nach Montale, 18 km



Das Zimmer in Calendasco hat ein Doppelstockbett und ein Feldbett, sonst wirklich nichts, keinen Stuhl, keinen Tisch, keinen Schrank und ist somit viel zu teuer. Den Aufenthaltsraum mit Spielen und Reliefkarte so wie der Wanderführe es beschreibt, hat man wohl abgeschafft und auch die versprochene Saune sucht man vergeblich.
So machen wir uns heute Morgen um acht auf den Weg in Richtung Piacenza.
Gefrühstückt wird in der ersten Bar im Ort, wobei das italienische Frühstück aus Cappuccino, Tee und zwei Croissants besteht. 
Verlaufen kann man sich heute nicht, es geht nur kleine Landstraße von Dörfchen zu Dörfchen. Sehr trist. Da freut man sich, wenn eine Oma Buon Camino wünscht und sich nach unserer Herkunft erkundigt oder ein Mann auf einem Rad uns als Pilger erkennt und den Weg nach Piacenza weist.
 Die Stadt ist dann auch schnelle gegen 11.00 Uhr erreicht , es dauert aber noch gute fünf Kilometer bis man im Zentrum ist, Autohäuser, Tankstellen, MC Donald, Nachtclubs und wieder Autohäuser. Viel Gestank und noch mehr Lärm.  Als Autofahre ist einem das gar nicht so bewusst, geht man aber selbst durch solch ein Industriegebiet zu Fuß, atmet man nur Dreck.
Gestern dachten wir noch, die Alpini im Hotel machen so eine Art Jahrgangstreffen, anscheinend ist es aber ein ganz großes Spektakel, was hier in den nächsten drei Tagen abgeht. Alpini wo man geht und steht, es werden Bierzeltgarnituren aufgebaut, Häuser und Straßen sind mit Grün-Weiß-Rot geschmückt, von den Dächern der Bars und Cafés prangen große grüne Hüte. Selbst die Kinder laufen mit dieser Kopfbedeckung herum. Daher ist es auch nicht verwunderlich, wenn man im Zentrum von den vielen Sehenswürdigkeiten gar nicht viel mitbekommt. Alles ist zugestellt mit Festzelten und Verkaufsständen, an denen man blaue T-Shirts, grüne Hüte und bunte Luftballons kaufen kann. Selbst die Kirchentüren sind mit dem Logo der Alpni geschmückt.
Wir suchen die Tourismusinformation und möchten die Damen bitten, uns für morgen in der Abbazia in Chiaravalle della Colomba  anzumelden. Die sind aber total überforder mit den Alpini, die noch ein Hotel suchen und daher auch nicht gerade freundlich, Wir Pilger werden einfach links liegen gelassen und sollen halb eins nochmal wiederkommen.  Ich bin sauer und humple unverrichteter Dinge davon, lass mich auf eine Bierzeltgarnitur nieder und von meinem Mann  blasentechnisch versorgen. Zuvor haben wir mal wieder ein Vermögen in der Farmacia gelassen, um uns mit Blasenpflaster, Herpes Pflaster, Labello und Desinfektionstüchern einzudecken.  Eine Nadel und Faden werden sterilisiert, die Blase wird aufgestochen, der Faden durchgezogen und das Ganze mit Blasenpflaster und dem guten Leukoplast verklebt, so dass der Faden rechts und links noch herausschaut und somit wie eine Drainage wirkt.
Dann gibst noch Panini und weil heute Männertag ist zu Mittag schon ein Bierchen und selbst auf die Toiletten im Café darf man nicht mehr, man soll die öffentlichen nutzen, was ich mir verkneife. Hier scheint alles verrückt zu spielen. Man bereitet sich auf ein Riesenspektakel vor, Oktober- und Weinstraßenfest in einem.
Bei meinem zweiten Anlauf im Tourismusbüro habe ich dann endlich Erfolg und man zeigt sich gnädig, das mit der Unterkunft geht klar und nun soll ich mich auch in eine Pilgerliste eintrage.
Trotzdem sind die Bediensteten des Tourismusbüros in Piacenza Pilgern gegenüber sehr überheblich, wie ich finde.
Ohne große Besichtigungen geht es also Richtung Montale, das gehört  fast noch zu Piacenza. Wieder vier Kilometer durch Lärm und Abgase.  Immer mehr Alpini strömen in die altehrwürdige Stadt. Mit geschmückten Autos laut hupend und aus Lautsprechern tönt la Montanara.
Als wir schließlich die Herberge erreichen, machen wir uns keine besondere Hoffnung auf eine schöne Unterkunft. Den Schlüssel gibt’s wie immer in der Bar, die Bardame schickt uns zur Zeitschriftendame nach nebenan, die wieder zur Bardame. Prost Mahlzeit. Als wir schließlich die Herberge betreten, sind wir beide positiv überrascht. Das nennt man mal eine pilgerfreundliche, nette saubere Unterkunft.
Sie ist in der aus dem 12. Jahrhundert stammend Kirche untergebracht, besteht aus großer Küche, einem Einbettzimmer mit sauberem Bad unterm Dach, einem Vier- und Zweibettzimmer und Bad im Obergeschoss und einer Küche im Erdgeschoss. Man hat Durchgang zur Kirche und wir nehmen das Vierbettzimmer in Beschlag. Im Gästebuch sehen wir, dass Markus vor zwei Tagen auch hier war, man, legt der  Strecken zurück. Demnach muss er an einem Tag die Strecke Pavia – Piacenza am Stück gelaufen sein.
Pater Silvio kommt und wir machen ein Schwätzchen. Ein hübscher junger Pfarrer, der uns seine kleine Kirche zeigt und auf die baulichen Besonderheiten hinweist. So ist San Pietro viermal gespiegelt, was einem erst auffällt, wenn man es weiß.  Architektur scheint seine Leidenschaft zu sein, er zeigt uns den Fußboden, alte Säulen und nach 20 Minuten verabschiedet er sich mit dem Hinweis, dass heute noch drei Alpini mit hier übernachten werden.  Die Einwohnerzahl Piacenzas beläuft sich auf 300.000, die Anzahl der Alpini, die am Wochenende hier her strömen auf 400.000.
Nach Duschen und Blasenversorgung, nutzen wir heute die Gelegenheit einer eigenen Küche und kochen und Nudeln mit Basilikum Pesto und geriebenen Peccorino. Als Dessert gibt es Joghurt aus dem Supermarkt gegenüber.
Da wir morgen wieder früh rauswollen, geht’s jetzt schnell ins Bettchen und vielleicht sind wir schon weg, wenn die Garde hier einmarschiert.
Erkenntnis des Tages:  Grüner Hut und Feder – wird wohl ein Alpini sein !

Vielen Dank für die netten und aufbauenden Kommentare, die machen wirklich Mut und wir freuen uns über jeden Zuspruch. Per Handy können wir sie auch immer gleich lesen und wenn man gerade unterwegs ist, macht es wieder richtig Laune, weiterzulaufen.  Grazie !




 Kirche und Ostello S. Pietro in Montale

im Ostello

mit Don Silvio



Mittwoch, 8. Mai 2013

Tag 9, 08.05.2013, von Santa Cristina e Bissone nach Calendasco, 24 km, 3 km Umwege, 3 km Bootsfahrt



Don Pietro telefoniert wie versprochen mit dem Fährmann in Calendasco und wir sollen 14.00 Uhr an der Anlegestelle in Corte S. Andrea sein. Ist für uns zwar etwas spät aber es sollte sich beweisen, dass genau das unser Glück war.
Zu Abend essen wir in der von Asiaten betriebenen Spaghetteria und die Pasta nach einem Wandertag schmeckt köstlich, ebenso das gute Moretti-Bier.
Die Nacht verläuft ruhig und um halb sechs klingelt wieder der Wecker.
Im Bad gibt es zwar ein BD aber keinen Spiegel, so dass heute unrasiert losmarschiert wird.
Zugetapt an allen Wunden und aufgescheuerten Stellen geht es 6.15 Uhr los, wir haben für die 20 km bis zur Fähre gut Zeit und wollen irgendwo im nächsten Ort, Miradolo Terme, frühstücken.
Wir machen uns auf durchs noch schlafende Dorf. Am Wochenende soll hier wahrscheinlich Kerwe sein, denn viele Karrusselwagen stehen schon auf den Straßen. Nun ja, die Geisterbahn könnte man sich sparen, denn 2 km SS 234 ist Höllenfahrt genug. Liebe Pilger nehmt nicht diese Route, sie ist lebensgefährlich, jedes Mal, wenn ein Lkw an meinem Mann vorbeirauschte, kniff ich die Augen zu und war froh, wenn er  noch da war, wenn ich die Augen wieder öffnete.
Das war die Strecke zwischen Corteolona und Santa Cristina.
So, und heute soll es ja nur abseits der Straßen entlang gehen.
Als wir den ausgeschilderten Weg erreichen, müssen wir leider feststellen, dass es sich um einen Wiesenweg mit hüfthohem Gras und völlig nass handelt. Das wäre tödlich für Schuhe und Füße.
Nun irren wir in Santa Cristina umher, denn es muss eine Alternativroute gefunden werden, die SS 234 fällt aus !
Nach eine Dreiviertelstunde verlassen wir endlich statt Richtung Osten das Nest in Richtung Süden und lassen uns mal wieder vom schlauen GPS leiten, um einen Feldweg zu finden, der voller tiefer Pfützen steht und jetzt gibt es doch nasse Schuhe. Gut eine Stunde ist rum und immer noch 4 km vor uns bis zur geplanten Frühstückspause.
Dadurch erreichen wir auch den nächsten Ort an einer anderen als im Wanderführer angegebenen Stelle. Nun waren die Ausschilderer der Via Francigena aber recht fleißig und stellen an jeder Ecke Schilder auf und an jedem Laternenmast klebt ein Pilgermännchen.
Und nun gibt es auch den ersten handfesten Zoff, die Wegweiser sagen etwas anderes als der Wanderführer, und der sagt wieder etwas anderes als das GPS und das sagt wieder etwas anderes als die Männer, die wir fragen.
Wir folgen mal den Schildern und landen, wie sollte es auch anders sein, in der Pampa. Glücklich darüber, dass das Schuhwerk langsam wieder trocknete, stehen wir jetzt mitten auf dem Acker, ein Weg, der hier entlanggehen soll, ist nicht auszumachen.  Trotzdem gibt es an einzelnen Bäumen Pfeile und wir trampeln wieder durch Gras und über Schollen. Wir haben  nasse Schuhe und immer  noch kein Frühstück. Es ist mittlerweile 10 Uhr, als wir Chignolo Po erreichen, jetzt endlich stellen wir fest, dass wir einer alten Ausschilderung gefolgt sind, die Markierungen wurden nicht entfernt und somit stimmte irgendwann keine Webeschreibung mehr. Um halb elf trinken wir Kaffee und essen etwas und ab dann wird es auch wieder friedlicher und wir reden wieder miteinander.
Glücklicherweise finden wir jetzt den richtigen Weg und machen uns auf.  Mit Blick auf die Uhr gönnen wir und allerdings keine Pause mehr und gehen schließlich noch viele Kilometer auf einem Damm.  Es ist Mittag und die Sonne brennt, ab und zu wird im Gehen etwas getrunken und 13. 15 Uhr sind wir völlig geschafft an der Anlegestelle. Die Fußsohlen brennen und die Mittagssonne brennt auch.
Pünktlich erscheint dann auch ein Motorboot stromabwärts und der Fährmann Danielo Parisi legt an.
Er ist schon 63 und betreibt aus Spaß an der Freude diesen Service für Pilger und bringt sie über den Po, der hier die natürliche Grenze zwischen der Lombardei und der Emilia Romagna bildet.
Nach ca. 8 Minuten ist dieses schöne abwechslungsreiche Abenteuer zu Ende und man legt in Soprarivo an, Danielo führt uns in sein Haus und verpasst  den Pilgerpässen einen extragroßen Stempel, der ist neu, weil den alten sein Hund gefressen hat und wir müssen uns in sein dickes Buch eintragen. Seit  den 90‘er nimmt der Pilgerverkehr hier zu, den Höhepunkt hat er im letzten Jahr mit 533 Überfahrten gehabt. Danielo führt exakt Statistik. Es ist richtig idyllisch in seinem Garten und es scheint ein bisschen die Zeit stehen geblieben zu sein.
Nach etwa 3 km und gegen um vier ist dann Calendasco und das Ostello „Tre Corone“ erreicht.
Betrieben von einem Geschwisterpaar englischen Ursprungs, die offensichlich eine Marktlücke entdeckt haben, und hier eine Herberge errichten.  Das Zimmer ist mit 44,- Euro total überteuert, haben wir doch in Pavia für die supersaubere Herberge das gleiche bezahlt. Aber die kleine Eva hat hier alles im Griff und ist recht locker drauf, die Verständigung klapp und sie wäscht auch in ihrer privaten Maschine unsere verdreckten Klamotten, no Problem. Der Bruder ist ein begnadeter Koch und zaubert uns ein festliches Abendmenü, bestehend aus Pasta, Spare Ribs, Auberginenlasagne, Potatos und Linsen.
Für morgen wollten wir uns dann mal ein schickes BnB in Montale gönnen, ist aber alles belegt.
Hier ist bis Montag eine große Come-Together-Party der Gebirgsjäger-Senioren, der Alpinis, die hier auch im Hotel untergebracht sind und mit ihren Hüten mit Feder  lustig aussehen.
Wir sind müde und geschlaucht und werden morgen behutsam und skeptisch auf die Ausschilderung achten.
Bouna notte !

Erkenntnis des Tages: 
Nur die Harten kommen in den Garten . (und die Härteren werden Gärtnerin)



die alternative Via Francigena zum Wiesenweg mit hüfthohem patschnassen Gras

Dammweg vor Corte S. Andrea





auf der Fähre

Pilger mit Fährmann Danielo Parisi

und im Gasthaus Caupona di Sigerico in Soprarivo wird gestempelt

überteuertes Zimmer in Calendasco...

... aber nette Wirtin Eva, die unsere schmutzigen Hosen wusch !
Grazie !