Mittwoch, 15. Juni 2011

Tag 13, 15.Juni 2011, Martigny nach Orsieres, 15km

Hotel Alpes Martigny, 2 Pers. ÜF 154,-CHF

Gestern Abend saßen wir für den Blog in der Lobby und der holländische Pilger gesellte sich zu uns. Es sind Vater(57) und Sohn(21).
Er ist Jurist und war mit seinem ältesten Sohn schon einmal den gesamten Jakobsweg mit Pferd gepilgert. Der zweite wollte mit ihm gern mal in die Berge, da bot sich die Bergetappe der Via Francigena an. Die gehen jetzt beide von Montreux nach Aosta. Seine Frau hat er samt Cabrio in Montreux gelassen. Mit seinem dritten Sohn will er dann irgendwann Mal nach Jerusalem pilgern.
Um zehn fallen wir in die Betten, um sechs klingelt der Wecker und pünktlich 6.45 Uhr sitzen wir am Frühstückstisch. Gegen halb acht geht es los, Martigny ist schnell verlassen und die Wegweiser führen uns an der linken Talseite einen schmalen und anstrengenden Weg hinauf. Unten in der Stadt kündigt ein Schild an, dass im Gebirge alle Pässe geöffnet sind.
Da wir beizeiten gestartet sind, können wir noch im Schatten gehen. Das Tal ist halt sehr eng und der ganze Verkehr in Richtung St. Bernard quält sich hier durch. Unser Wanderweg ist auch nicht einfach, viele ausgesetzte Stellen, teilweise muss man auch über Felsplatten und Geröll klettern. An Steinmännchen orientieren wir uns. Liebe Pilger, bitte nicht bei schlechtem Wetter diesen Weg laufen, er ist gefährlich. In Bovier müssen wir die mühsam erklommenen Höhenmeter wieder hinabsteigen, mein Mann hat gut Lust, die Bahn zu nehmen, wir sind nicht wirklich vorangekommen, gerade mal vier Kilometer, und wir sind schon gute zwei Stunden unterwegs. Wir entschließen uns, am Ortsausgang Rast zu machen, ich will etwas zum Trinken besorgen und gehe ins Dorf. Und das nennt man Schicksal, plötzlich scheppert und kracht es kurz hinter uns. Ein Auto ist in einen Laternenmast gerast, der Mast wackelt, die Lampe fällt herab, das rechte Autorad löst sich und der Airback öffnet sich. Dem Fahrer ist zum Glück nichts passiert. Hätten wir uns nicht entschlossen, zu rasten, dann hätte er uns voll erwischt. Deshalb entschließen wir uns, weiter den gelben Pfeilen zu folgen, um Abseits der Straße zu gehen. Die Holländer sind jetzt auch wieder da, sie gehen ziemlich flott, ich beneide die beiden, sie schauen aus, wie aus dem Ei gepellt in ihren beigefarbenen Shorts und den hellblauen Wanderhemden. Den Burschen kenne ich von irgendwo her, der sieht richtig hübsch aus mit seinen blauen Augen, den langen braunen Haaren und den weißen Zähnen, und er lacht immer. Als wir auf die italienische Sprache zu sprechen kommen, erfahren wir dass er einige Zeit in Florenz gelebt hatte. Ah, der ist Fotomodel, den kenn ich von irgendeiner Jeanswerbung oder vieleicht auch Rasierwasser. Wenn ich Vater und Sohn nochmal begegne, werde ich ihn fragen. Jetzt geht es auf der rechten Talseite hinauf, hinab, über Stock und Stein, furchtbar. Ich überlege, wie Alleinpilger unbeschadet hier durchlaufen können. Man muss auf die gelbe Raute und die Wurzeln achten. Bei uns achtet mein Mann auf die Pfeile und ich auf die Wurzeln.
In Sembrancher wollen wir nochmals rasten, der Ort ist wie ausgestorben, kein Laden, kein Cafe.  Viele Häuser sind verlassen. Am Ortsausgang gibt es dann eine Pizzeria. Mit Spaghetti gestärkt verlassen wir dann den Ort, aber jetzt Straße, noch sechs Kilometer, das geht, biegen dann auf die alte Passstraße ein und gehen ohne Autoverkehr bis fast nach Orsieres unser heutigem Ziel. Das ist eine schöne Strecke, die Sonne brennt und wir überlegen, ob wir nochmals Wasser besorgen sollten, als auf der linken Seite ein B&B auftaucht und ohne es zu wissen, stehen wir schon vor dem kleinen Hotel, das wir gebucht haben. Und siehe da, das Zimmer ist hübsch, hat eine Dusche und zwei Betten.
Während ich Bettwäsche und Handtücher checke, interessiert sich mein Mann für die Silikonfuge in der Dusche, alles perfekt und sauber.
Das Ankommen erfolgt in der Regel so, ich sitze zuerst eine gefühlte halbe Stunde auf der Bettkante, rühre mich überhaupt nicht. Wenn er dann vom Duschen kommt, werde ich aus meine Lethargie geweckt, dann sitze ich aber noch ein paar Minuten, dann bewege ich mich ganz langsam, streife die Klamotten ab und suche meine Waschutensilien zusammen.
Nach dem Duschen geht es dann etwas besser. Die Zimmeraufteilung erfolgt strikt nach einem festen Plan, das Bett darf ich mir aussuchen, wegen Feng Shui. Jeder bekommt einen festen Stuhl zugeordnet, sollte noch ein Tisch da sein, Hälfte meiner, Hälfte seiner.
Dann setze ich mich wieder aufs Bett und Häufe den Rucksackinhalt um mich herum, frische Wäsche wird hervorgekramt, Haare gekämmt, Füße eingesalbt, Gesicht gecremt, Herpes versorgt, nach Zecken abgesucht. Dann wird gewaschen, die herumliegend Sachen einigermaßen geordnet, und das erfolgt alles im Zeitlupentempo. Dann Ausstrecken, Durchatmen, im Zimmer herrscht geordnetes Chaos und morgen findet doch alles wieder Platz im Rucksack.
Dann soll es nach Bourg-Saint-Pierre gehen, 17 km, 800 Höhenmeter.

Erkenntnis des Tages:    Ausgeschilderte Wanderwege sind nicht immer die kürzesten!

Steinmännchen

Video Schwitzen

2 Kommentare:

  1. Hallo Kerstin,

    habe mich heute erst in Eurem Blog eingeloggt. Phantastische Beschreibungen fesseln mich beim Lesen Eurer tollen Erlebnisse. Einfach genial!
    Ich wünsche Euch noch viel Spass für den weiteren Weg und viele tolle Begegenungen! ICh werde morgen wieder schauen und bin gespannt,was ihr heute erlebt habt

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  2. Es war sicherlich eine schwierige Strecke, aber sehr schön.
    Everdiene

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