Donnerstag, 16. Juni 2011

Tag 14, 16.Juni 2011, Orsieres nach Bourg St Pierre, 15km

Le Catogne BnB, La Douay, 2 Pers. ÜF 96,-CHF

Vornweg gleich von mir ein Hinweis zum BnB.

Das BnB-Restaurant befindet sich nicht in Orsieres, sondern etwa 2km vorher in La Douay                                                              Erreichen kann man es nicht über den Wanderweg 70, sondern ab Sembracher die Passstraße entlang, nach ca. 1km beginnt rechts die alte nicht befahrene Passstraße (für Fahrräder ausgeschildert) nach Douay. Darauf entlang 2-3km und endet die alte Straße, dann ist quer auf der anderen Seite das BnB Le Catogne. Nach Osieres sind es dann nochmal 2km weiter.  

Gestern Abend sind wir nach einem Käsefondue um acht ins Bett gefallen.

Heute Morgen klingelt wie gehabt um sechs der Wecker und halb sieben sitzen wir beim Frühstück. Viele Höhenmeter warten auf uns. Das B&B ist sehr schön und zu empfehlen. Alles ist aus Holz und es ist schon ein kleines Hotel mitten im Wald an der alten Passstraße. Die Zimmer sind schlicht gehalten, die Treppenaufgänge und Flure sind mit alten Sofas und Möbeln dekoriert, an den Wänden hängen alte Ski. Es ist ausgebucht, da viele Schweizer dies offensichtlich als Durchreisestation nutzen.

Kurz nach 7.00 Uhr verlassen wir das Haus und wandern erst einmal nach Orsieres. Der Aufenthalt in Martigny hat ein wenig unsere Reisekasse durcheinander gebracht und wir müssen die Raifeisenbank und anschließend den Supermarkt plündern.

Außer dem kleinen Marktplatz ist in Orsieres eigentlich nichts so richtig sehenswert. Vielleicht macht es die Nähe zu Italien, aber die vielen Fähnchen und Wimpel fehlen und man vermisst etwas.

In dem kleine Supermarkt treffen wir unsere beiden Pilgerfreunde, heute trägt man braune Shorts und rosa Wanderhemd, frisch gebügelt. Auch sie decken sich mit Proviant ein.

Während wir uns für die Straße entschieden haben, um Strecke zu machen, wollen sie den ausgeschilderten Wanderweg gehen. So laufen sie auf der rechten und wir auf der linken Talseite nach Bourg Saint Pierre.

Da wir sehr früh dran sind, hält sich der Verkehr in Grenzen und es geht voran.  Stetig bergauf, bergab geht es jetzt nicht mehr.

Die Sonne lacht und wir schwitzen, trinken nicht vergessen.  Auch auf der linken Seite führt ein kleiner etwa 1 km langer Weg nach Liddes, den nehmen wir und sind jetzt wieder abseits der Straße. Von hier oben hat man eine tolle Aussicht zurück auf Orsieres, auf die gegenüberliegenden Wälder und vor uns die hohen Gipfel. Unser Weg verläuft jetzt über kleine Wiesen, es riecht nach frischem Heu, umliegend kleine Rapsfelder und Gemüsegärten. Total klare Sicht, wir bleiben stehen und genießen einfach.

Gegen 11.00 Uhr erreichen wir Liddes, machen eine längere Pause und reservieren per Telefon unser Zimmer im Hospiz für morgen. Da sollten wir uns ein paar Tage vor der Ankunft nochmals melden. Ich kann aber nur zwischen 10.00 bis 11.30 Uhr anrufen um den „Reservierungsmönch“ zu erreichen.

Der nette Mann am anderen Ende spricht deutsch und möchte wissen, ob wir Lager oder Zimmer möchten, wir entscheiden uns für Zimmer.

Zum Panache verspeisen wir unsere Brote und die Bananen vom Frühstücksbuffet, niemanden stört es, wenn wir unseren Proviant am Cafe-Tisch ausbreiten. Mein Mann hat da immer ein paar Hemmungen, ich nicht.

Wir nehmen die letzten 4 km unter die Füße und gehen kurz hinter Liddes den mit der gelben Raute ausgeschilderten Weg, der im Winter als Loipe genutzt wird. Diesen Weg kann man getrost auch bei schlechtem Wetter gehen, er ist breit und nicht gefährlich. Bevor wir auf den Weg einbiegen begleitet uns noch eine junge Frau mit Kinderwagen durchs Dorf, sie hat unser Via-Francigena-Zeichen am Rucksack entdeckt und spricht uns an. Sie findet es gut, dass wir diesen Weg pilgern, er ist hier in der Gegend nicht ganz unbekannt, sie kommt eigentlich aus Belgien und hat einen Schweizer geheiratet, der hier einen Bauernhof mit Schafen betreibt, sie liebt die Landschaft und die Natur. Sie erklärt uns auch, dass der schneebedeckte Gipfel vor uns nicht der Mont Blanc sondern der Velan ist.

Und das sind die Begegnungen, von denen wir zehren, spontan, kurz, ehrlich und etwas Bewunderung scheint auch durchzuklingen, als sie uns Bon Chance wünscht. Da geht das Herz auf, Schweiß und Muskelkater sind Nebensache.

Und hier ist sie nun, die Magie, von der Sylvie aus Vufflens geschwärmt hat, die großen Blumenwiesen, gelb von Löwenzahn und Butterblumen, roter Klee, weiß die Kamille und blaue Glockenblumen. Da ist es auch nicht verwunderlich, dass viele Bienenkästen aufgestellt sind. Ab und zu begleiten uns kleine Schmetterlinge. Ich würde mich ja gern mal hinlegen und ein Foto so kurz über den Blumenköpfen machen, aber ich käme ja nicht wieder hoch.

So gegen 13.00 Uhr kommen wir dann in Bourg-Saint-Pierre an, wir haben keine Unterkunft gebucht und wollen uns erst einmal auf Hotelsuche begeben. Der Ort ist nicht groß. Am ersten Haus dann entdecken wir ein Schild „Chambre de hotes“. Ich wußte gar nicht, dass es das in Bourg-Saint-Pierre gibt, obwohl ich so gründlich im Internet recherchiert habe.

Wir überlegen nicht lange und klingeln. Eine junge Frau öffnet, klar hat sie das Zimmer noch frei, schnappt sich die Schlüssel und zeigt uns eine nette kleine Wohnung, Essküche mit Spülmaschine, Herd, Kühl- und Gefrierschrank. Couchecke mit Fernseher und eine Etage tiefer liegt ein Schlafzimmer mit Dusche. Ob wir Frühstück möchten, fragt sie, das kostet dann insgesamt 74,- Euro, selbstverständlich können wir auch mit Euro bezahlen. Da sie auf uns nicht vorbereitet war, bezieht sie die Betten und richtet den Frühstückstisch, Selfservice, das Ehepaar sorgt für Brot, Marmelade, Butter, Kaffee, Milch und Saft, wann wir frühstücken, ist uns überlassen. Auch dass wir nur eine Nacht bleiben, ist nicht schlimm, Pilger allerdings hatten sie noch keine.

Dass wir uns gleich für die kleine Ferienwohnung entschlossen haben, war gut so, denn gerade zwei Hotels sind geöffnet und teurer. Auch einen Supermarkt gibt es nicht, lediglich drei Shops vollgestopft mit Plüschbernhardinern. So richtig zu Essen kann man sich nichts kaufen. Puippe, so heißt der Wirt bietet uns an, mit dem Auto nach Liddes zum Einkaufen zu fahren. Na, wir werden schon nicht verhungern.

Ich wundere mich laut, dass ich diese nette Chambre de hotes nirgendwo im Netzt finden konnte, das wäre nicht verwunderlich, denn im BnB-Katalog Switzerland erscheinen sie nicht, weil diese viel Geld für die Veröffentlichung wollen und weil sie das ganze auch erst seit zwei Jahren betreiben. Deshalb hat er auch keinen Stempel für unsere Pilgerpässe, aber gibt uns Visitenkarten. Glück gehabt.

Nach der lethargischen halben Stunde und der Dusche wird gewaschen und auf ins Dörfli. 

Kaum zu glauben, da wandert mein Göttergatte völlig frei von Ischiasschmerzen kilometerweit, stundenlang, mit Rucksack und kaum will ich Sightseeing machen und ein bissel shoppen, vielleicht zweihundert Meter, ein paar Minuten, ohne Gepäck, hat er plötzlich Rücken. Ich fass es nicht. Der Rucksack, so meint er, wirke eben wie ein Korsett.

Gut, dann gehe ich allein, auch kein Problem. Ich schlenkere also durch dieses kleine Dorf, das voller Geschichte steckt, kam doch nicht schon der gute alte Napoloen mit seinen Truppen hier durch, an einem alten Haus, in dem er genächtigt haben soll, findet sich auch ein Hinweis. Obwohl die Häuschen kaum geschmückt sind und viele auch leer stehen, hat das Örtchen etwas.

Die Straße ist fast menschenleer, eine Frau geht vorüber und grüßt.

Und siehe da, unser Strahlemann kommt einen kleinen Weg herauf, durchgeschwitzt und will sich gerade eine Zigarette anstecken. Papa ist noch nicht auszumachen. Also erkläre ich ihm mal gleich, welche Hotels geöffnet haben, das es keine Supermärkte gibt und er erzählt mir, dass er in Florenz Filmkunst und italienische Literatur studiert hat und jetzt in Amsterdam Jura studiert.

Beide sind nach Liddes auf der anderen Talseite weiter gewandert, der Weg muss recht anstrengend gewesen sein, die gelbe Raute an der Loipe haben sie nicht gesehen und es gibt mehrere Varianten.

Jetzt regnet es und wir haben es uns im Wohnzimmer schön warm gemacht. Zu essen wird es wohl den restlichen Proviant geben.

Morgen dann 13 Kilometer auf den Col du Grand Saint Bernard, der auf 2500 m liegt.

Erkenntnis des Tages:   Die kleinen Freuden liegen oft am Wegesrand.

auf dem Weg nach Bourg St Pierre

Tagesvideo

3 Kommentare:

  1. Hallo liebe Kerstin,nun seit ihr schon fast am Ende eurer Tour und ich habe es endlich mal geschafft unseren PC zu aktivieren.
    Die Berichte sind absolut klasse!!!
    Da sollte unbedingt ein Buch draus werden.
    Ich freue mich schon auf die persönlichen Berichte und wünsche noch eine gute Zeit ohne Rücken-Füsse-Zäne u.s.w.
    Liebe Grüsse
    Birgit
    Das Büchlein hat mir übrigens viel Freude bereitet.
    DANKE

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  2. Ich meine natürlich Zähne!!!!!

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  3. Noch ein Tag und dann seit Ihr da. Die St. Bernard ist wörtlich und bildlich ein Höhepunkt.
    Everdiene

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