Freitag, 10. Juni 2011

Tag 8, 10.Juni 2011, Vufflens la Ville-Lausanne nach Cully

Sylvie und Pierre-Andre Vullioud
Grand Vigne 7
1302 Vufflens la Ville - Halbpension -frei (Spende)

Als wir gestern Cossonay verlassen, sind es ungefähr noch 6 Kilometer bis Vufflens-la-Ville.
Irgendwie verpassen wir dann einen Wegweiser und müssten Straße gehen, da aber schon der Feierabendverkehr eingesetzt hat, ist es zu gefährlich. Anstatt zurück zu gehen, suchen wir, Meister der Abkürzungen, einen Weg durch den Wald. Meinem Mann geht es heute gut, er hat wohl im Eisenwald genügend Energie getankt, die Wanderung, so einsam und recht zügig, war auch wirklich schön. Er schreitet mit Blackberry schnell voran und ich dumme Pilgernuss brav hinterher, wird schon stimmen. Eigentlich müssten wir jetzt mal die Familie anrufe, um eine Verspätung anzukündigen, den die wird es sicherlich geben. Nicht, dass wieder jemand mit dem Essen auf uns warten muss. Flott voran geht es über Wege, die nur zu ahnen sind. Als das Gras dann aber nicht mehr knöchel- sondern, ungelogen, mannshoch ist, rufe ich, ob er auch sicher sei, dass wir wieder auf dem rechten Weg landen und drohe mit den Wanderstöcken.
Jetzt habe ich die Nase voll und laufe an einem Feld entlang, zwar ohne Weg, aber ich kann wenigsten wieder etwas sehen, zum nächsten Dorf. Wutentbrannt zische ich laut bei jedem Schritt das Wort mit Sch… vor mich her. Ich schaue nicht zurück, die Orientierung hab ich ja, es muss irgendwie nach links gehen. Im Dorf nehme ich die Biege nach links und ab, Straße, egal ob Autos oder nicht. Als er mich schließlich eingeholt hat, bekomme ich eine kleine Blume mit einer Entschuldigung und der Aussage, dass es jetzt nur noch 4 Kilometer seien. Wir haben uns also nicht so direkt verlaufen und mit der Wut im Bauch ging es gleich nochmal so schnell. Vorsichtshalber frag ich aber doch nochmal einen Bauern am Wegesrand, als der dann sagt, dass es eigentlich nur noch 3 Kilometer sind, bin ich wieder versöhnt. Uns sind schon ganz andere Sachen passiert.
Die letzten Kilometer haben es dann aber nochmal in sich. Erst bergab, dann wieder bergauf, und zu guter Letzt noch ungefähr 60 Treppenstufen hoch. Das Haus von Sylvie und Pierre-Andre liegt an einem Weinberg, der seinem Vater gehört, und steht ziemlich weit oben. Geschafft.
Beim Fotos und Videos- Überspielen, bemerken wir dann auch, dass wir einen Teil unseres Equipments verloren haben, das Überspielkabel für die Kamera liegt auf dem Kirchhof von Romainmotier.
Anrdre meint, in Lausanne, gibt es jeder Menge Elektrogeschäfte, da können wir uns ein neues besorgen.
Heute Morgen frühstücken wir mit der ganzen Familie und nachdem Charlotte noch ein Bild für uns gemalt hat, geht sie in den Kindergarten.
Wir bekommen unsere Stempel und Sylvie bittet um einen Eintrag ins Gästebuch. Wir sind erst die dritten. Obwohl die Via Francigena genau an ihrem Haus vorbei geht und die jungen Leute kostenlos die Übernachtung anbieten, kommen selten Pilger. Das hängt damit zusammen, dass alle vier Länder nie so richtig zusammenkommen, um Informationen für die Pilger mit richtigem Kartenmaterial und Unterkunftslisten zu verfassen. Deshalb will Andre jetzt auch etwas erstellen und wir versprechen ihm, sämtliche GPS-Daten unserer ersten beiden Etappen zu mailen. Nur sollte er sich nicht strengsten daran halten.
Als wir unsere Rucksäcke schnüren und verabschieden wollen, sagt Sylvie: „Okay, wir kommen ein Stück mit.“, Also, das Baby, den Kinderwagen, Fotoapparat und Turnschuhe geschnappt und los geht’s.
Das Paar begleitet uns noch zwei Kilometer, es ist herrliches Wetter und wir gehen zwischen Getreidefeldern mit Blick auf Lausanne und den Lac Leman, den Genfer See, plaudernd zu viert auf dem Weg..
Die zwei Kilometer sind recht kurzweilig. Beide möchten, wenn die Kinder groß sind, auch mal eine Weitwanderung machen. Sylvie  möchte gern einmal in die  Dolomiten.
Sie kennt die Gegend um den großen St. Bernard und meint, wir hätten uns eine schöne Zeit ausgesucht, im Juni blühen da oben alle Bergblumen und es sei „magic“. Das macht Mut und Lust.
Die beiden sind total unkompliziert, und ich überlege, ob ich daheim auch mein Badezimmer, das Kinderzimmer oder die Wohnung mit wildfremden Leuten teilen würde. Aber genau das scheint für beide selbstverständlich zu sein. Das junge Paar ist und mit so viel Gastfreundschaft begegnet und will keine Geld, Kost und Logi sind frei, auch das ist für sie selbstverständlich.
Danke Sylvie und Pierre-Andre.
Ab Lausanne-Bussigny nehmen wir den Zug ins Zentrum und ersparen uns damit mühselige Kilometer Industriegebiet. Wir befolgen Sylvies Rat, deponieren die Rucksäcke in der Gepäckaufbewahrung und steigen hinauf zur Kathedrale. Diese betritt man durch ein eindrucksvolles Portal und weil es sehr sonnig ist, strahlen die Buntglasfenster im Inneren wunderschön. Von einer Nonne im Shop lass ich unsere Pilgerpässe abstempeln, ihr Blick bleibt am Stempel von Clairvaux hängen und sie blättert  sorgsam die Ausweise durch, es freut sie, dass wir da schon überall waren und sie wünscht eine gute Reise.
Ein Elektrokabel bekommen wir dann auch noch und verlassen über das Hafenviertel Ouchy die Stadt.
Hier haben wir einen schönen Blick auf den See. Leider ist es etwas diesig, so dass man das gegenüberliegende Ufer schlecht sieht. Aber die majestätischen Berge türmen sich am Ende des Sees auf. Da soll es in den nächsten Tagen rauf gehen.
Wir schlenkern die Uferpromenade entlang, viele superschöne, superteure Hotels, das Olympische Museum, kleine Häfen und Badeplätze.
Über Pully und Lutry erreichen wir gegen 16.00 Uhr dann unser heutiges Ziel, das B&B von Yolande Perdrizat-Duboux  in Cully.
Sie erwartet uns schon und es gibt auf der Terrasse mit herrlichem Blick über die Weinberge und den See erst einmal kalten Tee und Wasser mit Holundersirup.
Eigentlich verläuft so eine Begrüßung immer gleich, die Zimmer werden gezeigt, das Bad eine Etage drüber, die Essenszeiten werden ausgemacht und heute können wir uns auch wieder auf deutsch unterhalten.
Yolande hatte gestern einen italienischen Pilger hier, der von Rom nach Canterbury läuft und heute nach Lausanne wollte. So zehn Via Francigena-Pilger im Jahr kehren schon bei ihr ein.
Zum Abendessen gibt es Porreesuppe, Linsen und Wurst, Käse und wir dürfen zwischen fünf Sorten löslichem Nescafe wählen. Mit uns am Tisch sitzen noch die 17- und 19 jährigen Töchter Emilie und Lucy und das 18-jährige Au Pair Mona, sie kommt aus der deutschsprachigen Schweiz und lernt bei der Familie französisch, die junge Aargauerin bewegt sich auch genauso langsam wie sie spricht, wir müssen lächeln.
Die beiden Teenager haben ihre Mutter voll im Griff, zu uns sind sie aber höflich und sprechen gut deutsch,  einen Vater gibt es anscheinend nicht, so dass heute mein lieber Mann mit fünf Frauen zu Abend essen muss. Die Mädels sind nur mittelmäßig an unserem Vorhaben interessiert und entschwinden schnell.
Jetzt sitzen wir auf Yolandes Terrasse, schauen auf den Genfer See, in der Ferner sieht man schon Montreux, unser morgiges Ziel.
Leider machen wir immer den gleichen Fehler, planen die Etappen teilweise zu lang und keinen Ruhetag. An den Rucksack habe ich mich gewöhnt, aber die Füße schmerzen trotzdem jeden Abend.
Wie ich sie heute mal kurz im See baumeln ließ, meinte ich auch, sie wären etwas geschrumpft, kein Wunder, sind auch schon eine Woche auf den Beinen, darum soll es heute mal früher ins Bett gehen.

Erkenntnis des Tages: Der Weg ist das Ziel !


Lausanne


Rast am Genfer See

das Weinanbaugebiet
mit den Alpen im Hintergrund

 
Video1 
Video2

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