Dienstag, 14. Juni 2011

Tag 12, 14.Juni 2011, Saint Maurice nach Martigny, 15km

Foyer Franciscain, 2 Pers. HP 132,-CHF

Nachdem ich gestern das Tagebuch geschrieben hatte, besuchte ich noch den Klostergarten. Die Belgier machten sich über die Himbeeren der Mönche her, gibt es denn so etwas.
Der Garten war sagenhaft, alles exakte Beete, akkurat angelegt, gemähter Rasen und viele alte Obstbäume, ein Grillplatz und viele Rückzugsnischen.
Wir haben gut geschlafen und um sieben wecken die Kirchenglocken.
Über den Bergen geht die Sonne auf und kündigt einen warmen Tag an, die Belgier schwirren schon wieder im Garten herum. Und ich, das hatten wir bis jetzt noch nicht, habe Riesenherpes, prima.
Um acht gehen wir zum Frühstück, etwas spartanisch, aber in Ordnung, als Brotaufstrich wird Apfelmus gereicht. Die Käseplatte haben unsere belgischen Freunde schon leer gefuttert, aber die nette Köchin legt nach.
Die ältere Dame aus Zürich ist auch wieder da, sie mach heute mit dem Zug einen Ausflug zum Genfer See, ein Auto hat sie nicht. Auch sie mag es, auf der Promenade entlang zu spazieren.
Als wir uns verabschieden fordert sie uns noch auf, das restliche Brot als Proviant einzupacken und wir nehmen ihren Rat an.
Im Gebäude ist noch eine wunderschöne Kapelle mit vielen Buntglasfenstern, die das Leben des Franz von Assisi darstellen.
Irgendwie ist schon erkennbar, dass Gelder hier her fließen. Aber gut, dafür hatten wir für schweizer Verhältnisse eine preiswerte und tolle Bleibe. Nun, es soll bald anders kommen.
Ein junger Kapuzinermönch mit brauner Kutte nimmt an unserem Tisch Platz, er stellt sich als Franzis aus Indien vor, ist 38 und lebt seit fünf Jahren in der Schweiz, erst zwei Jahre in Fribourg, dann in Sion und jetzt in Saint Maurice. Wir unterhalten uns auf englisch und Franzis will viel von uns wissen, was wir machen, wo in Deutschland wir genau leben, über die Familie und als wir dann schon mit unseren Rucksäcken über den Hof gehen kommt er noch einmal, um Fotos zu machen.
An der Rezeption bekommen wir unsere Stempel und bezahlen. Der junger Mann spricht deutsch und erzählt uns auch von der Pilgerin, die am Freitag hier war und Richtung St. Bernard unterwegs ist, auch sie hat sich beklagt, dass sie auf dem ganzen Weg von Nordfrankreich bis hierher keinem weiteren Pilger begegnet ist.
Als wir gestern durch die kleine Fußgängerzone schlenderten, fielen uns zwei Männer auf, sie hatten eine tolle Fotokamera dabei, wir konnten aber schlecht erkenne, ob es Trekker oder Pilger waren. Das Tal wird enger, die Berger höher. Auf einem Waldweg geht es Richtung Martigny. Wir schwitzen mächtig, und dabei geht es doch nur stückchenweise bergauf.
Es geht durch wunder schöne kleine Dörfer, mit farbigen Häusern und bunter Fensterläden, und aus  fast jedem Blumenkasten winkt ihr Nationalstolz, die Fähnchen und Wimpel machen alles noch bunter, mir gefällt das. Die Menschen grüßen freundlich, ein alter Mann sitzt auf einer Bank, neben ihm ein Rollator, und winkt uns zu. Richtig idyllisch.
Jetzt stößt man auch schon auf Cafes und Restaurants namens „Napoleon“.
Um zwölf machen wir dann Pause in La Balmaz. Da es heute nur eine Schlafmöglichkeit und kein Abendessen und Frühstück gibt, beschließen wir, zu essen und bestellen das Tagesgericht, Steak, Pommes und Salat, Kaffee, 18,- CHF.
Man staunt immer, die Restaurants in den kleinen Orten mit Plastikstühlen und –Tischen wirken nicht gerade sehr einladend, aber das Essen schmeckt und Restraurants werden zu Mittag immer richtig voll, die Toiletten sind auch immer sauber.
Da ziehen die beiden Männer von gestern vorbei, sie haben den Light Foot Guide in der Hand, einen englischen Reiseführe, den Everdiene letztes Jahr auch mitführte, also doch Pilger. Sie winken uns noch zu, ziehen dann aber weiter.
Die restlichen Kilometer sind unattraktiv, man geht an einem großen Wasserfall vorbei, und um die Straße zu meiden, führt der Weg durch Wald, es ist sandig und staubig.
Martigny begrüßt eine mit vielen älteren, aber gut erhaltenen Häuser, einige kleine sind direkt in den Felsen gebaut. Viel Blumenschmuck, Cafes und Restaurants.
Heute also habe ich in der Pfarrei gebucht. Der E-Mail-Verkehr erfolgte auf englisch und es sollte alles klar sein. Wir denken nun, man führe uns ins Gästehaus oder so etwas ähnliches. Dass Selbstversorgung ansteht, ist und bekannt.
Der Pfarrer geht mit uns in seinen großen Gemeindesaal mit viele Tischen und Stühlen, und noch mehr Platz auf dem  Boden, das ist nämlich unser heutiges Nachtquartier. Wie bitte ?
Ich habe ja schon gelesen, dass Pilger auf dem Fußboden schlafen, die hatten dann aber wenigsten Isomatten und Schlafsäcke dabei. Gut, einen Schlafsack habe ich auch, der war aber dafür gedacht, dass ich in einem Kloster mal auf einer Pritsche oder Liegen schlafen sollte, aber hier ist rein gar nichts, keine Dusche, keine Liege. Eine kleine Küche mit viel, viel Geschirr ist da, die nützt mir jetzt erst einmal nicht viel. Dem guten Mann erklären wir, dass wir dafür eigentlich nicht ausgerüstet sind, er bringt vier Isomatten und einen dünnen Schlafsack und beteuert, dass alles clean sei, das glaube ich auch.
Dann geht er, gibt uns die Schlüssel und legt wert, ja einen Stempel in unsere Pilgerpässe machen zu dürfen.
Wir rollen die Matten und Schlafsäcke aus, was soll es.
Dass man einmal nur mit einem Waschbecken vorlieb nimmt und keine Dusche hat, damit kann ich leben, aber auf dem Boden schlafen, liebe Leute, das haben wir nicht verdient.
Ich wasche mich und hieve mühsam die Füße ins Becken. Jetzt bin ich richtig wütend.
Meinem Mann und seinem Ischias ist das nicht so recht. Da schläft man eine Nacht ein paar Kilometer entfernt in einer so netten Herberge und die fast gleiche Institution hat einen Tag später nicht mal eine Liege. Ich verstehe die Welt nicht mehr. In der Küche steht eine offene Flasche Rotwein und ich genehmige mit erst einmal ein Glas.
Dann kullern bei mir die Tränen und meinem Mann tut es leid, so dass er den Vorschlag macht, einfach auszuziehen. Klasse. Wir gehen ohne Gepäck ist nächste Wanderhotel, dass wir beim Betreten der Stadt gesehen haben, die freundliche Dame gibt uns zwei Zimmerschlüssel und wir dürfen uns die Räume ansehen, bevor wir buchen.
Schnell sind unsere Rucksäcke zusammengeworfen, in Badelatschen und Wanderschuhe in der Hand stiefeln wir die paar Meter zum Hotel. Das hat natürlich seinen Preis und ist mit 154,- CHF aber immer noch das günstigste im ganzen Ort. Das wiederum erfahren wir von den beiden Pilger, denen wir schon begegnet sind und die auch hier wohnen. Es sind Holländer, Vater und Sohn und gehen von Montreux nach Aosta. Wir erzählen unser Missgeschick und sie meinen auch, dass es besser ist, in einem Bett zu schlafen, zumal wir schon so viel Kilometer auf dem Buckel haben und morgen eine recht anstrengende Tour bevor steht.
Zum Rucksack schreibe ich später noch etwas.
Morgen geht es nach Orsiers 20 km, 400 Höhenmeter.

Erkenntnis des Tages:   Wer Luxus will, der muss auch zahlen.

vor Foyer Franciscain in Saint Maurice



1 Kommentar:

  1. Viel Luxus braucht man nicht als Pilger, aber ein gutes Bett ist sogar sehr wichtig.
    Everdiene

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