Freitag, 26. September 2014

Tag 2, 26. September 2014, San Quircio - Agriturismo Passalacqua (Castiglione), 17km




San Quirico d`Orcia, Foresteria Parrocchiale, 10,- Euro Ü p.P.
 



Kinder – das Leben ist schön!

Um acht krochen wir gestern in die Schlafsäcke, um neun schleichen sich die Franzosen mucksmäuschenstill in die ihren. Die Nacht ist, dafür dass 7 Menschen im Raum schlafen, recht still, kein Schnarchen oder andere Körpergeräusche.
Um sechs heute Morgen wacht die Gruppe auf und macht sich fertig, wieder sehr rücksichtsvoll. Wir beide beobachten dass Geschehen vom Stockbett aus, ich aus der unteren, er aus der oberen Etage. Bald ist der Raum von vorsichtigem Tütenrascheln und dem Duft nach Fuß-Geh-Wohl-Creme erfüllt. Die Gruppe will heute nach Radicofani und verabschiedet sich.
Die vier deutschen Frauen in der Etage über uns werden jetzt auch langsam munter.
Wir räumen bedächtig die Rucksäcke ein und brechen gegen acht auf. Die erste Bar am Platz ist unsere und bei Cappuccino und einem süßen Teilchen beginnen wir den Tag. Als wir die Bar betreten, sitzen da schon 4 englische Pilger. Der Mann kommt an unseren Tisch und wir plaudern übers Wohin und Woher. Seine Gruppe ist am 23. August in Bourg Saint Pierre aufgebrochen und sie wollen am 3. Oktober in Rom sein. Der Marsch durch die Poebene war für sie alle terrible, wie er beschreibt, sie konnten sich vor Moskitos kaum retten. Aber die Po-Überquerung mit Danilo Parisi war grandios. Die Gruppe nächtigt in kleinen Hotels oder Agriturismen.
Als sie aufbrechen kommen die vier deutschen Frauen herein und bestellen sich, so wie wir, ihren Kaffee und was Süßes.
Kurz darauf ziehen wir los. Im Städtchen ist es noch recht ruhig, die Geschäfterl sind noch geschlossen. Für die Einheimischen sind Pilger keine Seltenheit mehr.
Entgegen unseren bisherigen Gewohnheiten, nehmen wir heute brav die ausgeschilderte Strecke, laufen hinter San Quirico Richtung Bagno Vignoni und genießen ganz einfach die Aussicht. Toskana-Genusswandern ist angesagt.
Wir sind allein, gehen durch einen Olivenhain, Mundrauben ein paar Feigen am Wegesrand und sammeln Walnüsse, genießen mit allen Sinnen. Ein Duft von Wachholder liegt in der Luft und wir erfreuen uns an den kleine Alpenveilchen rechts und links des Weges. Und immer wieder schweift der Blick über die Landschaft. Keine Wolke ist am Himmel zu sehen.
Kurz vor Bagno Vignoni holt uns dann die Erste der deutschen Frauengruppe ein und wir kommen ins Gespräch, woher wir kämen und wie weit es heute gehen soll. Plötzlich fragt sie: „Kann es sein, dass Ihr einen Blog  habt?“
Ich schau an mir herunter, klar, wir haben ja auch fast immer das Gleiche an auf den Fotos und den Videos, kein Wunder, dass Leser sich daran erinnern.
Aber weit gefehlt, sie hat meine Stimme (hört, hört!) erkannt, die kam ihr gleich so bekannt vor, und sie erinnerte sich an die Tagesvideos, vor allem an den „…und wir haben gute Laune…“-Spruch. Die Wahlbayerin, das ist sie nämlich, hat sich wirklich daran erinnert, dass wir im Frühjahr bis nach Buonconvento gelaufen sind und im Herbst weitermachen wollten und hat tatsächlich gehofft, uns zu begegnen. Es ist bemerkenswert, im finalen Abschnitt begegnen wir nach fünf Jahren und fast 2000 km unserem ersten Fan.
Zwischenzeitlich haben die Mitstreiterinnen aufgeholt und unser Fan klärt ihre Wandergefährtinnen auf. Eigentlich, so meint sie, hat sie gehofft, auch mal im Blog aufzutauchen, kein Problem, ruck zuck ist die Kamera hervor geholt und mein Mann fotografiert die Fan-Gemeinde. Die Vier sind in der Nähe von Florenz gestartet und werden auch bis Rom laufen. Vielleicht sehen wir uns noch.
Eigentlich dachte ich, kann heute den schönen Wandertag nichts mehr toppen, aber diese Begegnung hat ihn noch schöner gemacht.
Auch der kurze Abstecher nach Bagno Vignoni ist sehr lohnenswert und wir müssen über die asiatischen Touristen schmunzeln, die pärchenweise unter einem Olivenbäumchen für Fotos possieren. Welche italienischen Filme kennen die wohl? Ob sie auch wissen, dass die große Sophia Loren vergangene Woche 80 geworden ist?
Weiter geht es auf den Weißen Straßen, wir sind immer noch auf dem Wanderweg, überschreiten auf einer Fußgängerbrücke die Orcia und nach und nach überholen uns bestimmt 10 Amerikaner (innen) mit Tagesrucksäcken.
Der Weg verläuft zwischen Weinbergen, Feldern und einsamen Gehöften stetig bergauf und hier oben auf dem Höhenrücken kann man heute sogar Siena in der Ferne ausmachen. Herrlich !
Um die Mittagszeit herum beschließen wir, Pause zu machen und steuern auf ein Gehöft zu, neben welchen sich eine Bank und eine Wasserstelle befinden.  Erstaunt stellen wir fest, dass hier für die amerikanschen Wanderer ein Buffet aufgebaut wurde. Mit Hilfe eines kleinen Transporters wurden Speisen und Getränke heran geschafft und ein junger Bursche ist dabei, Nudeln zu wärmen und Wein zu kühlen.
Wir packen unser trockenes Brötchen und die Bananen aus und jetzt wollen ein paar Amerikanerinnen von uns wissen, wo es losging und wie lange wir schon unterwegs sind. Und nun hauen wir auch mal auf den Schlamm und prahlen. In Canterbury, erklären wir ganz cool und als ich die erstaunten Gesichter sehe, schiebe ich schnell nach „since 2009“. Schnell verstehen sie, dass wir jedes Jahr einen Abschnitt unter die Füße nahmen und dass das jetzt wohl der krönende Abschluss ist. Schließlich bemerkt eine Amerikanerin „ist’s fantastic“, stuppst ihren Mann an, den das alles nicht so sehr zu interessieren scheint, wie sein halbleerer Nudelteller, „Darling, isn`t it? “ zum Niederknien.
Schließlich bringt uns der junge Kellner zwei Becher Rotwein und der schmeckt fantastic. Nicht lange und wir machen uns wieder auf den Weg.
Weil mir die Strecke San Quirico – Radicofani eindeutig zu lang ist, haben wir für heute ein Agriturismo gebucht. Das Passalacqua liegt direkt am Weg und die junge Hausherrin Elena erwartet uns schon. Wir bekommen ein nettes Appartement und sie kocht für uns. Es ist schon ein bisschen wie Urlaub in der Toskana, aber nicht dekadent.
Zu Abend gibt es Gemüse aus dem Garten, Nudeln und Wildschein, das ihr Papa, der Jäger, selbst erlegt hat. Und auch der hauseigene Wein schmeckt köstlich.
Die Schlafsäcke können heute im Rucksack bleiben und im Garten trocknet die Wäsche. Pilgerherz, was willst Du mehr?


Erkenntnis des Tages: Hurra, wir haben einen Fan!

Tagesvideo


Unterkunft in San Quirico

Wegweiser nach Rom

Blick zurück nach San Quirico

geballte Frauenpower unterwegs nach Rom

Bagno Vignoni - Thermalbecken

Fußgängerbrücke über die Orcia

Meine kleine stimmlose Pilgermaus

mein kleines Pilgermännchen - auf der weißen Straße der Toscana

unsere heutige Unterkunft liegt direkt am Weg

Hausherren Elena und Matteo


1 Kommentar:

  1. ...und schon geht's weiter mit Eurem 2. Eintrag.
    Welch ein blauer Himmel und welch eine gute Stimmung. So viele nette Mit-Pilger bei Eurer letzten Tour gab es in den vergangenen vielen Kilometern nicht. Bei den Amis auf den Schlamm zu hauen (den Ausdruck merk ich mir -hab sehr gelacht-) hätte mir auch gut gefallen. Gut gemacht Ihr zwei. Vor allem ist es toll, daß keine Meldungen kommen mit Blasen und schwerem Rucksack. Ihr seid mental wohl allerbestens drauf und das ist super.
    Ich wünsche Euch einen tollen 3. Tag.
    Liebe Grüße Eure Alke-Brigitte

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