Montag, 29. September 2014

Tag 5, 29.September 2014, Acquapendente - Bolsena, 24km



29.09.2014, von Acquapendente nach Bolsena   24 km

Convent Cappuccini Casa Lazzaro, Spende

Herrlich erholsam war die Nacht im ruhigen Convent. Kein Motorengeräusch, keine lärmenden Mitbewohner. Die beiden Schwestern des Hauses leben im anderen Trakt und wir hatten im Prinzip die ganze Etage  für uns.
Bis, ja bis auf meinen jammernden Mann, er hatte Schmerzen vom kleinen Zeh bis zum Scheitel und musste sich mehrmals eine Ibuprofen einwerfen, die half dann immer zwanzig Minuten. Heute Morgen waren die Schmerzen weg. Keine Ahnung, was es war.
Um sieben verlassen wir das Convent und kehren in der ersten geöffneten Bar ein.
Hier empfängt uns schon Jochen mit den Worten: „Na, was macht Dein Knie? “. Claudia steht neben ihm, sie muss vom Sturz und dem lädierten Bein erzählt haben, denn ihr hatte ich gestern die Wunde gezeigt.
Jochen kommt aus Bielefeld und ist etwa in unserem Alter, hat unbezahlten Urlaub genommen und will einen Teil der Strecke demnächst mit seinen beiden Kindern gehen, die sind 12 und 14, daher checkt er jetzt die Via Francigena zwischen Martigny und Rom auf Teenie-Tauglichkeit. Auch nicht schlecht.
Während beide losziehen, genießen wir in Ruhe Cappuccino und Brioche.
Wir halten uns an den Wanderführer und gehen gehorsam die ausgeschilderte Strecke. Hier im Latium ist die Landschaft geprägt von vielen Feldern und Wiesen. Sonnenblumen- und Maisfelder warten darauf, abgeerntet zu werden, andere Äcker sind bereits wieder grün und auf den Stoppelfeldern weiden Schafe. Wir kommen uns ein bisschen vor, wie Farmer, die zufrieden einen morgendlichen Herbstspaziergang über ihre Ländereien machen.
Die Sonne meint es wieder gut mit uns und bald hat man San Lorenzo erreicht. An der Bar mit Stempelstelle ziehen wir vorbei, weil mein Göttergatte schon von weitem eine Gelateria entdeckt.
Hier hat es sich bereits Gerard bequem gemacht und erkundigt sich ebenfalls nach dem Knie, mein gestriger Sturz hat sich also herum gesprochen. Wir gesellen sich zu dem Franzosen. Als wir uns gegenseitig fotografieren und ich die typisch weibliche frage stelle: „Wie sehe ich aus?“, meint er nur humorvoll, ob englisch, französisch, italienisch oder deutsch, es ist immer das Gleiche mit den Frauen. Danach lästern wir noch über ein paar Mitpilger ab und er demonstriert uns sein Samsung, er hat seine Streckenführung abgespeichert und das Gerät so programmiert, dass er , wenn er in Gedanken versunken vom Weg abkommt, mit einem Piepen „geweckt“ wird. Coole Funktion, das Gerät würde allerdings bei uns beiden Streckenbastlern permanent pfeifen. In diesem Moment läuft Abraham über die Piazza und winkt. Beide ziehen dann gemeinsam weiter. Wir müssen nun doch erst noch einmal in eine Pharmacia und uns gegen eventuelle erneute nächtliche Muskelschmerzen mit Voltaren eindecken.
Sobald man die Piazza überquert, eröffnet sich dem Wanderer ein gigantischer Blick auf den Bolsenasee, dessen Wasseroberfläche in der Sonne wunderbar glitzert.
Man verlässt San Lorenzo und geht jetzt einen Wanderweg weiter, der oberhalb des Sees verläuft und sich wie Kaugummi zieht. Nach etwa der Hälfte der Strecke sehen wir schon von Weitem den kleinen weißen Transporter, der wieder Lebensmittel und Getränke für die amerikanisch-kanadischen Tagesrucksäckler bringt. Julio, der junge Spanier, der fürs Buffet zuständig ist, bietet uns wieder Wasser und Wein an. Einen Liter Mineralwasser lassen wir in uns hinein laufen, den Wein lehnen wir dankend ab. Seine Pilgergruppe lässt noch auf sich warten.
Gegen 15.00 Uhr schließlich erreichen wir Bolsena, ein hübschen touristisch erschlossen Städtchen am See, müssen durch wieder mittelalterliche Gassen hinabsteigen und stehen schließlich vor unserer heutigen Unterkunft, welche die nette Schwester Livia vom Convent in Aquapendente gestern für uns telefonisch fest gemacht hat.
Herzlich werden wir von Schwester Filippa aus Tansania begrüßt. Nachdem sie unsere Pässe abgestempelt hat, erklärt sie uns, dass  bereits andere Pilger eingetroffen sind und sie daher nur noch ein Bett hat, der andere von uns müsste auf einer Matte am Boden schlafen.
Für meinen starken, kräftigen und gesunden Mann ist das auch seiner Ansicht nach überhaupt kein Problem. Das ich ich lache ! Ich jammere und sie besorgt wenigstens noch eine zweite Matte.
Im großen Zimmer befinden sich fünf belegte Liegen, die Dusche und die Toilette für alle, das bedeutet, man muss nachts über den Flur, dann über fünf Liegen steigen, um zum Klo zu kommen.
Auch damit könnten wir leben, dass der ganze Spaß dann aber noch dazu 25,- Euro kosten soll, macht uns wütend und ich könnte heulen. Hinzu kommt, dass unser Zimmer zur Straße liegt und der Lärm unermesslich ist.
Die Unterkunft hatte ich eigentlich ausgesucht, weil laut Wanderführer eine Küche und eine Waschmaschine vorhanden sein sollen. Beides suche ich vergeblich, auch der große Aufenthaltsraum ist abgeschlossen. Den Text schreibe ich jetzt liegend auf der Matratze, weil das Fotoeinstellen bereits so viel Zeit in Anspruch nimmt und man ja nicht ewig in einer Bar sitzen kann, die Wi-Fi anbietet.
Jetzt wissen wir, warum wir nicht nach Santiago pilgern, das Wettrennen um die besten Schlafplätze ist nichts mehr für uns. Und die Prahlerei der „Jakobswegsammler“ geht uns langsam auf die Nerven.
Mal sehen, was die Nacht so bringt und wie die Stimmung morgen ist.
P.S. Liebe Alke, danke fürs Kommentieren Deine Treue und fürs Mut machen.

Erkenntnis des Tage: Auch beim Pilgern gilt – wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!



Tagesvideo

Eingang zum Convent

nach der Reizüberflutung in der Toscana freut man sich im Lazio hierüber

Begegnungen am Weg

mit Gerard in San Lorenzo Nuovo

Bolsenasee

...und täglich grüßt uns Julio

Pilgervesper

Ortseingang Bolsena

zu guter Letzt ein fast alpiner Abstieg



3 Kommentare:

  1. Hallo Ihr zwei kranken Pilgermäuse.
    Es ist so schade, daß ich nicht länger und lauter Heile, heile Gänschen gesungen habe. Dann hätte davon noch ein bissi der gute Hans Jürgen abbekommen. Wollen wir hoffen, es ist nichts Ernstes. Vielleicht ist es Stress, oder er hat Angst um Dich und verkrampft, oder kalter Schweiß vom T-Shirt. Auf alle Fälle müßt Ihr die Sache beobachten. Heute ist Euer Bericht mit einem leichten Unterton zu lesen. Ich glaube, wenn man ab und zu einen netten Wanderer trifft ist das schon schön. Aber bei Euch ließt es sich ja wie eine Pilgerautobahn. Ich fürchte, das wär nix für mich und schreckt mich auch von SdC ab. Und dann auch noch so ne lausige Heia. Ich sage Euch. In Thüringen am Grünen Band da bekommst Du einen feinen Tanzsaal und eine nagelneue Naßzelle mit einem perfekten Frühstück für 25 Euronen. Jetzt hab ich mal gezählt. Es dürften noch 7 Tage sein bis Ihr auf den Petersplatz kommt. Ich wünsche Euch von Herzen, daß Ihr die letzten Stunden noch viel Freude, gutes Wetter und einige gute Tropfen Rotwein habt. Die gute Laune wird ja jeden Morgen bestätigt. Ich verfolge Euch noch bis Freitag Abend. Am Samstag Nacht schlafe ich schon in Avignon. Vermutlich im Regen.
    Fühlt Euch umarmt und paßt auf Euch auf.
    Eure Alke-Brigitte

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  2. Hallo Ihr beiden, liebe Grüße aus dem hohen Norden ab in den Süden. Coole Wegbeschreibungen sind wieder von Euch zu lesen, sehr schöne Bilder von den Landschaften und den Orten. Na ja, die Unterkünfte !!! aber wie es aussieht ganz nette Leute. Mehr als 100 km habt Ihr schon geschafft. Tolle Leistung , wie immer. Kleinere Stürze beeindrucken Euch doch nicht. Ein neuer Tag bringt Euch näher an das grooooße Ziel. Meinen Segen habt Ihr, den vom Heiligen Vater holt Ihr Euch persönlich ab. Den letzten Stempel gibt’s im Petersdom. Radio Vatikan hat auch schon angerufen und möchte einen Termin. Spaß muss sein! Wünschen Euch weitere schmerzfreie, lustige, schöne, erlebnisreiche Pilgerkilometer. Wir folgen im blog Eurem Weg.
    Romy und Volker

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  3. Hallo Ihr Beiden!
    So, jetzt muss ich mich doch auch mal melden... Hach, wie weit öffnet sich das Herz, wenn ich deine Berichte lese, liebe Kerstin, und deine wunderbaren Bilder anschaue, lieber Hans Jürgen! Da werden doch viele, viele Erinnerungen wach.
    Verletzungen kommen nun mal vor. Ich erinnere mich wohlig schaudernd an meinen Sturz beim Aufstieg aus dem Lahntal, wo ich mit der Nase bremste und mein Wheelie mich erbarmungslos immer weiter den Hang hinunterzog. Bin trotzdem in Rom angekommen.
    Tja, und dann die Unterkünfte... Ich erinnere mich eigentlich sehr gerne an dieselbigen gerade in den letzten ca. 14 Tagen. Aber vielleicht ward Ihr dann doch nicht unbedingt in denselben wie ich. Trotzdem noch eine dringende Empfehlung: einen Kilometer hinter Vetralla, Kloster "Regina Pacis". Also ich hatte da ein schönes Doppelzimmer für mich alleine, außerdem einen schönen Garten zum Relaxen.
    Werde nun mit wachsender Begeisterung euren weiteren Weg verfolgen. Möge das Schöne überwiegen, aber das weniger Schöne gehört eben auch dazu. Bon Camino!!!

    Reinhard

    Übrigens: Im nächsten Jahr werde ich wohl ab Mitte April vom Dreiländereck bei Hof an das Grüne Band bis zum Priwall unter die Füße nehmen.

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