Mittwoch, 11. September 2024

 08.09.2024 St. Christol - St. Genies des Mourgues  12 km
 
Wir verschwinden alle drei schnell in unseren Schlafsäcken. Wo die vielen Autos herkommen, die hier bis Mitternacht ununterbrochen vorbei rauschen, können wir uns nicht erklären, wirkten doch die Orte wie ausgestorben. Jerome kündigte an, dass er morgens noch vor halb sieben aufbrechen will, er hat vor, bis Saint-Guihelm-le-Desert zu laufen, das ist zwei Tagesetappen hinter Montpellier und wären über 60 km. Wegen der Mücken bittet er, die Fenster zu schließen. Als gegen Mitternacht der Mistral doch noch den Regen bringt, öffne ich die Tür, beobachte im Straßenlaternenlicht, wie es Blasen regnet und atme die frische Luft ein. Wohl dem Wanderer, der heute den Feldweg am Damm entlang muss; wir sind bereits über große Pfützen balanciert. Die Nacht ist außergewöhnlich ruhig, niemand schnarcht und kein Bett quietscht. Wir bemerken kaum, wie Jerome bei Tagesanbruch aufbricht und in der Küche abwartet, dass es zu regnen aufhört.  Gegen acht schlüpfen wir aus den Schlafsäcken, genießen das saubere Bad, mein Mann schlüpft zum Bäcker und besorgt Kaffee und Croissants. 

 


Zwar bietet die Küche alle Möglichkeiten, um ein Frühstück zu machen, nur das Örtchen eben keine Möglichkeit, um Lebensmittel einzukaufen. Emile schaut nochmal vorbei und ich muss ein bisschen schmunzeln, trägt er doch heute zum Sonntag ein rotes Hemd mit Stieren drauf. Unsere Pilgerherberge liegt übrigens gegenüber der Arena. Er berichtet, dass sich für heute 4 Pilger, davon 3 Deutsche und für morgen ein Deutscher angemeldet haben. Den Schlüssel sollen wir dann in den Briefkasten werfen. Wir trödeln herum, waschen ab, ich richte nochmal alle Decken auf den Betten, finde Putzmittel im Schrank und gehe nochmal über die Armaturen im Bad, mein Mann fegt die Zimmer aus, wollen wir doch unseren Landsleuten eine saubere Unterkunft hinterlassen. Im Gästebuch mussten wir uns eintragen und man weiß ja nicht, ob man sich nicht doch nochmal begegnet. Ich stelle  den Blumentopf mit den Kunstblumen auf den Küchentisch und trappiere das Gästebuch und den Stempel darum. Sieht einladend aus, wenn man den Raum betritt. Dann ziehen wir langsam zum einsam und verlassenen Städtele hinaus. 




Es ist bewölkt, aber windstill. Mein Mann drohnt und wir sind bis St. Genie fast allein. Es mutet fast an wie ein Sonntagsvormittagsspaziergang  mit großen Rucksäcken. Zwischen Weinbergen, einem kleinen Wäldchen und einer Pferdekoppel geht’s entlang. An der Koppel gibt es eine große Lokalität für Feierlichkeiten und wir begegnen den Resten der gestrigen Hochzeitsgesellschaft.  Nach dem Videodreh am Kanal brauchen wir eine kleine Pause und finden tatsächlich in einem Vergnügungspark, der heute kaum besucht ist, ein Cafe, der junge elsässer Kassierer lässt und so rein , doch kaum haben wir die Rucksäcke abgestellt, fällt auch schon ein Mückenschwarm über uns her, man kann sich einfach nirgends hinsetzen, bei diesem feuchtwarmen Wetter bietet  man im durchgeschwitzten Shirt die perfekte Angriffsfläche für die Blutsauger. Wir nehmen Reißaus und folgen jetzt einem Rad- und Wanderweg direkt bis nach St. Genie. Dieser Ort gefällt uns, gepflegt, sauber, freundlich grüßende Bewohner und ganz wichtig, es gibt ein Restaurant und das ist sogar geöffnet, bietet aber wegen einer Familienfeier und weil Mittag schon vorbei ist, kein Essen mehr an. Ich übersetze mit Hilfe google und bitte um wenigstens eine Kleinigkeit und der Koch macht uns eine Platte mit Salami, Schinken und Käse.  

 




Wir bleiben lang sitzen und checken unsere heutige Unterkunft. Bis Montpellier wäre es für uns zu weit gewesen, der Wanderführer empfiehlt daher eine Auberge mit Restaurant an einer Schnellstraße, die man sicher durch den Wald erreichen kann. Der Mailkontakt ging zügig und flott von statten und man bot uns zum, wie man mir schrieb, Pilgersonderpreis, ein Doppelzimmer mit Halbpension an. Die gleiche Unterkunft hat auch booking im Angebot und wir checken die 6,0 Gästebeurteilungen. Da wir aber morgens ziemlich trödelten, machts jetzt wenig Sinn, bis Montpellier zu laufen, das schaffen wir nicht, zumal wir dort auch noch gar nichts zum Schlafen haben. Ich rufe kurzerhand in einer Gite im Dorf an, kriege aber verständlicher Weise eine Absage. Bleibt nichts übrig, wir ziehen weiter, genießen den hübschen Ort und ich bestaune nach wie vor die bunten Symbole an den Hauseingängen. Rosa sind die Flamingos, blau der Reiter auf dem Pferd, rot oder schwarz der Stier und braun das Wappen des Heraults, und dann gibt’s noch den Anker mit dem Herz, Glaube, Liebe, Treue, und alle anderen kann ich nicht deuten. Wir gehen wieder an einer diesmal recht großen Stierkampfarena vorbei und ich bemerke, dass hier die Straßennamen bereits auch in Spanisch ausgeschildert sind. Als wir die Auberge erreichen, herrscht dort gerade nachmittägliche Aufbruchstimmung im gut besuchten Restaurant. Die Wirten drückt meinem Mann ein Hufeisen mit einem Schlüssel in die Hand, weist uns den Weg ins Nebenhaus und verschwindet wieder im Gastraum. Es ist ein sehr großes Anwesen, so stell ich mir eine Hazienda vor, ein großes Wohnhaus mit Restaurant, einer Terrasse und einem Festsaal. Nebenan das riesige Gästehaus mit einem hohen großen Foyer und bestimmt 20 Zimmern, verwahrlost, in die Jahre gekommen, ungepflegt, eine große Abstellkammer. Den Schimmel im Zimmer weiß übertüncht. Eine alte Badewanne. Am schlimmsten aber ist das Holzwürmer-Bett, das, um die Kuhle darin zu füllen, vergeblich mit etlichen Matratzen aufgestockt wurde. Auf dem Balkon schmutzige Gartenmöbel, das Fenster schließen wir schnell wieder, Mücken und Bremsen. Es bietet sich ein Blick auf eine verwahrloste Pferdekoppel übersät mit Pferdeäpfeln, auf dem ein verknöchertes Pferd weidet. Armselig. Eine Nacht. Augen zu und durch, denken wir. Gegen sieben versuchen wir dann, im Restaurant unsere gebuchte Halbpension zu bekommen. Es riecht nach Hund, zwei davon bespringen uns, die Oma im Nebenzimmer schaut fern und regiert erst auf meine recht laute Begrüßung, führt uns in einen großen Saal, hier sind alle Tische mit weißen Tischdecken eingedeckt. Wir solle uns irgendwo hinsetzen, dann fährt sie einen Servierwagen vor mit undefinierbaren Tapas, wir können es nicht erkennen, halten uns ans Brot, saure Gurken und eingelegte Pilze, alles, wo Essig dran ist, da kann man, so meine ich, nichts falsch machen. Ab und zu schauen die Hunde vorbei. Es ist einfach gruselig. Teller besorgen wir uns aus dem Nachbarzimmer, finden auch neben dem vielen unabgewaschenem Geschirr ein paar saubere. Irgendwann kommen dann auch noch drei weiter Gäste. Die kriegen das Gleiche vorgesetzt. Einzig und allein die Nachspeisen, die auf einem weiteren Servierwagen vorgefahren werden, Torte und Schokoldenmouse, können uns ein bisschen aufheitern. Eine der Gäste ist eine ältere Deutsche, die mit ihrem Auto eine Südfrankreichtour macht und sich hier für drei Tage einquartiert hat, weil sie in der Herberge, die sie ursprünglich buchte, partout wegen der Unsauberkeit nicht bleiben wollte. Ach, kuck mal an, es gibt also noch dreckigere Spelunken als diese hier. Prost Mahlzeit. Sie bittet meinen Mann, ihr das Wlan auf ihrem Handy einzustellen, aber auch das ist hier draußen unmöglich. Es ist schon dunkel als wir im Zimmer verschwinden. Im Foyer sind die Kronleuchter die ganze Nacht an und flackern, eine blinkende Lichterkette ist gespannt und Bremsen fliegen umher. Ein wahres Gruselkabinett. Das verspricht eine schlaflose Nacht.
 

Erkenntnis des Tages: Schlimmer geht immer ! 



 


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