03. September 2024, Arles- Prieure Notre Dame Bouchaud 14 km
Nachdem wir die zwei Tage auf dem Campingplatz in Fonteiville zur Akklimatisation und für die Stadtbesichtigung Arles nutzten, ging es heute morgen mit dem Bus nach Arles.
Der Ausgangspunkt der Via Tolosana oder Chemin d Arles ist das aus dem 5. Jahrhundert stammende Alyscamp, ein römischer Friedhof. Sehr beeindruckend. Mit Pilgerpass erhält man freien Eintritt, und als solche erkennt uns der Mann am Einlass ob der großen Rucksäcke sofort. Wir sind fast allein und streifen durch die elysischen Gefilde, wie man Alyscamp übersetzt. Dann geht’s recht flott aus der Stadt hinaus, die uns wirklich beeindruckt hat und nicht von Touristen überlaufen ist. Wir überqueren die Rhone und gehen ein Stück direkt auf der anderen Seite an ihr entlang.
Es ist heiß, sehr heiß, und wir sind jeder mit 2 l Wasser ausgerüstet. Der Weg ist unspektakulär und staubig. Dass nicht nur in der Lombardei sondern auch hier unendlich viel Reis angebaut wird, ist und neu. Es geht durch bereits abgeerntete, grüne und schon gelbe Reisfelder. Anstatt dass man sich hier ab und zu mal einen Stein aus dem Schuh schütteln muss, sind es hier Reiskörner. Möglichkeiten zur Einkehr bieten sich keine, auch keine Sitzgelegenheiten, und so trotten wir schweißbadend über Bewässerungsdämme ohne jemandem zu begegnen. Irgendwann stehen wir vor einem Bauerngehöft, zwar bewohnt aber keiner zu sehen. Das Tor ist verschlossen, die Tür zum Hof aber kann man öffnen. Wir überqueren das Anwesen, denn die mal wieder selbstgebastelte Strecke soll genau hier entlang führen. Ich vertraue meinem Mann. Bis dann ein Schild am Ausgangstor vor Toros warnt. In der Arena in Arles werden regelmäßig Stierkämpfe durchgeführt, man spürt halt schon die Nähe zu Spanien. Die Camargue ist halt auch geprägt von Stierzucht und dass sich die hiesigen Farmer auf die Zucht der Bullen konzentrieren, wird uns fortan auf Schritt und Tritt bewusst.
Das Tor ist nur angelehnt, ein Schild mit der Aufschrift „Danger Toros“ und einem Stierkopf warnt allerdings. Wir sehen keine Bullen und überlegen, aufgespießt oder Mut zur Lücke ? Da kommt auf der anderen Seite ein junger Mann im Auto, steigt aus und ermahnt uns, nicht durchzugehen. Mein Mann zeigt ihm den Weg zum Kloster, unserer heutigen Unterkunft, auf seinem Handy. Der Farmer erkennt unser Problem, bittet um zwei Minuten, um seine Bullen vom Weg zu treiben und lässt uns dann passieren, zeigt eine Abkürzung, die vor hüfthohem Gras und Brombeeren garnicht mehr auszumachen ist, und aus den vorausgesagten 20 m werden schließlich knappe 100 Meter. Ganz langsam taste ich mich voran. Geschafft. Trinken, trinken, trinken.
Es wird heißer, und ich beschließe innerlich, dass der September wohl der falsche Monat ist, um die Via Tolosana zu beginnen, viel zu heiß, kein Schatten, keine Einkehrmöglichkeit zwischen Start- und Zielort. Seit Wochen haben wir die Wettervorhersagen für die Region gecheckt, Regen wurde angesagt, genau für unsere Wanderwoche. Also kamen Schirm, Regencape und Fleecejacke in den Rucksack. Was man aber heute braucht ist Sonnencreme, einen Hut, viel Trinken und ganz wichtig, da man entlang der Bewässerungskanäle für die Reisfelder läuft, Mückentötolin. Wir sehen in 100 m Entfernung einen Traktor, der ein abgeerntetes Reisfeld pflügt und ich meine fast, den aufgewirbelten Staub einzuatmen. Dann kommen schon mal die Zweifel, warum und weshalb und wieso das man sich antut. Mücken, Durst und Stiere werden in den kommenden Tagen unsere treuen Begleiter sein. Irgendwann schließlich kommt das Kloster in Sicht, die Brüder sind in der Kapelle, wir warten und mein Mann besorgt Wasser am Waschbecken in der Toilette, denn das aus den Gießkannen, so meint Bruder Jean, der uns begrüßt, sollten wir lieber nicht nehmen. Als mein Mann zurückkommt ist er ganz leise und flüstert mir nur zu, dass er auf sauberere Zimmer und Waschräume hofft. Die liegen in einem Nachbargebäude, sind annehmbar und man kann duschen.
Das Prioriat wird von einer Handvoll Benediktinermönchen bewirtschaftet und es ist tatsächlich schon ein Unterschied, ob man in einem von Frauen oder Männern betriebenem Kloster übernachtet. Beim Abendessen treffen wir den jungen Franzosen Tristan, der ist 25, gerade ohne Arbeit, heute in Arles gestartet und will am Stück bis nach Santiago laufen. Das Essen fällt spartanisch aus, Gemüsesuppe und Quiche. Am Rotwein nippen wir nur bevor ihn die Mönche in ihren Speiseraum holen. Wir unterhalten uns noch ein bisschen mit dem jungen Mann, bevor wir noch einen kleinen Abendspaziergang machen. Zurück im Zimmer duscht mein Mann ein drittes Mal und wir schlafen, auf Regen hoffend, mit geöffneten Fenstern (mit Gage) und Türen halbnackt auf unseren Schlafsäcken liegend ein.
Erkenntnis des Tages: Mücken oder Stiere – das ist hier die Frage !
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