Montag, 13. Juni 2011

Tag 11, 13.Juni 2011, Aigle nach Saint Maurice, 15km


B&B Maria Ausserladscheider, 2 Pers. ÜF 140,-CHF

Gestern Abend waren wir noch in der von Maria empfohlenen Pizzeria essen. Sonntags gibt es hier alle Pizzen, die sonst zwischen 18 und 23 CHF kosten, für nur 14,50 CHF. Die schmecken fantastisch, sind riesig und wir müssen die Reste einpacken lassen, das kennt der nette Kellner aber schon. Der kann deutsch, war schon ein paar Mal in Deutschland und ist Fan von Bayern München, bedauert aber, dass kein Italiener in der Mannschaft ist. Obwohl wir beide keine Ahnung haben, stimmen wir ihm zu.
Zurück im B&B schließe ich die Fensterläden, öffne das Fenster und gegen halb neun fällt mir das Buch aus der Hand und wir schlafen durch bis fast um acht. Das tut gut. Jetzt sind wir schon 10 Tage unterwegs, haben so viel erlebt und schlafen endlich mal richtig aus. Die Pudel bleiben in der Nacht schön leise.
Um halb neun gehen wir dann zum Frühstück. Die gestern so reservierte Maria öffnet sich etwas. Sie ist schüchtern und es ist nicht üblich, mit den Gästen zusammen zu frühstücken, die Engländer sind schon weg, also sitzen wir allein im großen Esszimmer. Alles da, die Schokobrötchen werden eingepackt. Den Stempel bekommen wir, und dann erzählt sie auch, dass ungefähr drei oder vier Pilger im Jahr bei ihr einkehren.
Gegen zehn verlassen wir Aigle Richtung Saint Maurice. Nach zwei Stunden gelangen wir nach Ollon, da setzen wir uns in ein Cafe und studieren die Karten. Ein Mann am Nachbartisch dreht sich um und fragt, ob wir Deutsche seien, er hat mal in Mannheim und Hockenheim gearbeitet, jetzt ist er Rentner, denn in der Schweiz können Frauen mit 64 und Männer mit 65 in Rente gehen. Als wir ihn nach dem Weg fragen, der übrigens auch gut ausgeschildert ist, holt er kurzerhand einen jungen Mann aus dem Restaurant, der uns in perfektem deutsch den Weg durch die Weinberge des Chablais, das ist das hiesige Weinanbaugebiet,  erklärt. Unterdessen geht der Ältere vor zur Kreuzung, um die Wegweiser zu überprüfen. Dabei lässt er Geldbörse und Autoschlüssel einfach unbeobachtet auf seinem Tisch liegen, so ist dass nun mal, nichts kommt weg, wir sind wichtiger. Von unserem Vorhaben ist er begeistert und meint, dass dieser Weg eigentlich nicht nur für den Kopf und das Herz sei, wie Yolande so schön sagte, sondern wohl auch für den Körper. Wie Recht er hat. Auf durch die Rebberge. Als wir etwas höher gestiegen sind und auf eine Weggabelung stoßen, hören wir wie der jüngere Mann uns die richtige Richtung von unten zuruft, er ist mit dem Auto auf der Straße im Tal weitergefahren und hat uns beobachtet.
Den Weinberg hinauf ist es nochmal sehr anstrengend, 621 m hoch, und oben angekommen ist es meinem Mann etwas schwindelig, zu wenig getrunken, also, einen halben Liter Wasser und ein Ricola, den wir sind ja in der Schweiz, und es geht schon besser.
Dann aber geht es einen anderen Weinberg supersteil hinab, aber nicht weit. Die Wanderstöcke sind sehr hilfreich. Eine Pause mit den Pizzaresten und den Schokobrötchen und dem Ausblick auf Zwei-und Dreitausender der Westalpen tut gut und weiter geht es.
Trotz Bewölkung ist es hier sehr mild und man schwitzt einfach nur. Irgendwann überqueren wir dann auch die Rhone und tauchen damit in den Kanton Wallis ein. Ab hier sind es noch drei Kilometer bis Saint Maurice, immer am Fluss entlang.
Diese Stadt betritt man nicht durch ein Industriegebiet, sondern ist gleich mittendrin, rechts eine hohe Felswand, links der Fluss, geradeaus die Fußgängerzone.
Kleine Patrioten sind sie schon, die schweizer Eidgenossen, an fast jedem Haus ist die Nationalflagge und die Kantonsfahne gehisst.
Heute schlafen wir im Foyer Franciscain, einem Gästehaus der Franziskanermönche. Das ist auch schnell gefunden und die nette Dame an Rezeption hat schon die Schlüssel parat liegen, meldet uns fürs Abendessen und wir gehen auf unser Zimmer. Das liegt in der zweiten Etage und man teilt sich das Behindertenbad mit einem zweiten Zimmer, welches aber noch unbewohnt ist.
Es ist wieder alles sehr nüchtern, aber supersauber und modern. Wir streifen erste einmal die verschwitzten Klamotten ab und legen uns aufs Bett, es ist fast schade um die weiße Satinbettwäsche.
So, und jetzt werden sich erst einmal gegenseitig die schmerzenden Körperteile vorgeklagt. Bei ihm sind es die Hüften, bei mir wie immer die Füße, denen man das aber gar nicht ansieht, weder Druckstellen noch Blasen sind zu erkennen, die Schultern erwähne ich erst gar nicht. An den Rucksack und die wahrscheinlich nie wieder abheilenden und mehrere zentimetertiefen Einkerbungen zwischen Schulterknochen und Halsansatz habe ich mich gewöhnt. Meinen armen Schrumpelfüßen aber gönne ich nach der Dusche eine vitalisierende Fußgewohl-Creme, die schleppe ich auch noch mit.
In der Behindertendusche mit Klappsitz lässt mein Mann lange den wärmenden Wasserstrahl über Rücken und Hüfte laufen.
Dann ist Sightseeing angesagt. Die Kirche ist sagenhaft und eine der schönsten an der Via Francigena, ehrwürdige alte Gemäuer und sehr gut erhalten.
18.00 Uhr besuche ich die Vesper. Sehr schön. Es sind ungefähr 18 Mönche und 20 Besucher anwesend.
Der Gesang der Mönche klingt sehr schön. Die Frau hinter mir singt auch sehr schön. Die Predigt verstehe ich selbstverständlich nicht, sie wird auf Französisch abgehalten, aber sie gefällt mir trotzdem. Bis auf zwei jüngere Mönche sind alle schon recht alt, mit weißen schütterem Haar, einer gähnt und zwei scheinen so alt zu sein, dass sie bei den Gebeten nicht mehr aufstehen müssen. Wenn die Besucher „Amen“ sagen, spreche ich es auch mit, zwar etwas Zeit versetzt, aber das merkt keiner.
Beim Abendmahl bleibe ich dann brav in meiner Bank, das traue ich mich dann doch nicht, es gibt auch nur eine Oblate, zu trinken bekommen nur die Mönche.
Ich bleibe dann wirklich bis zum Ende, warte bis die Mönche den Altarraum nacheinander verlassen und sehe, wie der eine ganz alte Mönch sehr langsam geht, kann dem niemand helfen ?
Zurück in der Herberge gehen wir dann auch gleich essen. Der Speisesaal ins gefüllt mit belgischen Bus-Pilgern, die an drei langen Tafeln sitzen.
Die nette Dame von der Rezeption winkt uns zu sich. An ihrem Tisch scheinen nur Bedienstete und eine ältere Dame zu sitzen. Mit der Züricherin kommen wir schnell ins Gespräch. Sie macht hier Urlaub, wandert und geht spazieren, das Zimmer hat sie schon vor Monaten gebucht. Das geht also auch. Einer französischen Rompilgerin ist sie vor einigen Tagen hier begegnet.
Zu essen gibt es Chamignonsuppe, Graupenrisotto, Hühnchen in Curry, Salat und Kirschtarte, Rot- und Weißwein. Die fleißigen Köchinnen sorgen für Nachschub.
Jetzt werden wir noch den Gemüse-Klostergarten besichtigen.
Morgen geht es nach Martigny. Den Klosterschatz können wir leider nicht ansehen, die Besichtigung ist nur am Nachmittag, schade.
Das war ein schöner Tag und wir haben immer noch gute Laune.

Erkenntnis des Tages:  Ricola weckt Lebensgeister.


Video 13.06.2011
mit unserer Wirtin Maria

Saint Maurice ...

... im Wallis

3 Kommentare:

  1. Nach wie vor verfolge ich begeistert die täglichen Berichte. Begegnungen, Unterkünfte, Essen, Umgebung, ja auch Rücken, Füsse - alles spannend geschildert.
    - Ich gehe jetzt gleich zur Arbeit - und grüße aus Landau - Gertrud

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  2. Hallo zusammen,

    ich habe mich heute als "regelmäßigen Leser" eingetragen und bin von Eurem "kurzweiligen" Block sehr angetan...

    Ich hattet mich vor kurzem auf meinem Block http://zufussnachrom.blogspot.com kontaktiert.

    Ich bin sehr gespannt auf die nächsten Etappen von Euch, da wir diese ebenfalls im Juli/August gehen werden und sicherlich viele gute Anregungen von Euch entgegennehmen werden. Wir werden dann von Sion aus den Hauptalpenkamm Richtung Aostatal überschreiten.

    Das mit dem Rucksack hört sich aber nicht gut an. "... An den Rucksack und die wahrscheinlich nie wieder abheilenden und mehrere zentimetertiefen Einkerbungen zwischen Schulterknochen und Halsansatz habe ich mich gewöhnt..." Das wird Euch auf die Dauer keinen Spaß machen. Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass sich die Füße und Beine an die Belastung gewöhnen, ein falscher oder zu schwerer Rucksack einen auf Dauer zermürbt. Ihr solltet wirklich prüfen, ob ihr einen qualitativ wirklich guten Rucksack verwendet. Der sollte eigentlich niemals Druckstellen am Rücken hinterlassen und mit dem Großteil des Gewichtes auf den Hüften sitzen. Auch solltet Ihr nicht mehr als 12kg Gewicht mitnehmen. Wir nehmen drei Garnituren Kleidung mit, und waschen jeden zweiten Tag unsere Sachen mit "Rei in der Tube" durch.

    So, ich hoffe, dass ich mich nun nicht zu sehr als "Besserwisser" geoutet habe und wünsche Euch weiter viel Freude...

    Bon Camino

    Norbert

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  3. Ich erlebe meine eigene Reise durch deine Geschichten.
    Everdiene

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