Montag, 15. Mai 2023

 08. Mai, Roquefort-les-Pins – La Roquette sur Siagne



Tagesvideo heute nur "Tagesfoto", falsch geklickt !

Das Foyer Charite, in dem wir untergekommen sind, ist eine gemeinnützige Einrichtung für Pilgerreisen und spirituelle Retraits und war bis in den 50ern ein Priesterseminar, so erfahren wir beim Frühstück im Haupthaus. Daher auch der große Komplex mit vielen Baracken, einer Kirche und einem weitläufigen vertrockneten Park. Claude erzählte, dass es seit drei Monaten hier nicht mehr geregnet hat, das erklärt die Trockenheit und den vielen Staub und auch die stillgelegten Dorfbrunnen. Einzig und allein die großen Aloe Vera gedeihen hier noch. An den Komplex angeschlossen sind Kindergarten und Schule, 200 Kidis von 2 bis 12 tummeln sich hier tagsüber. Heute aber ist Feiertag und alles scheint verlasse. Die Nacht für uns beide allein in der langen Baracke war ruhig und wir haben trotz ausgelegenen Matratzen gut geschlafen. Der nächtliche Gang zur Toilette an all den leeren Zimmern vorbei war aber schon ein bisschen gruselig, fast krimireif.

Das Frühstück bereitet man sich selbst, alles Zubehör findet man in einem großen Aufenthaltsraum. Die Mitarbeiter hier sind unheimlich nett und interessiert, wir dürfen uns Obst einpacken und auf geht’s. Zunächst erst einmal wieder Straße entlang, es ist Feiertag und der Verkehr hält sich in Grenzen, der Straßenrand ist wieder zugemüllt. Nur in der Nähe von Golfplätzen erscheint alles etwas aufgeräumter und wir sammeln zum Zeitvertreib die sich über den Zaun verirrten Golfbälle auf. 





Zu Mittag erreichen wir, mal wieder bei sengender Hitze, das Städtchen Vallbone.

Und je näher man jetzt der Küstenregion kommt, um so attraktiver scheinen wieder die Ortschaften zu sein. Der historische Stadtkern ist gut erhalten, in den vielen kleinen Gässchen laden Souvenirgeschäfte zum Stöbern und Cafes, Bars und Eisdielen zum Ausruhen ein. Wir gönnen uns die Pause und rasten sehr lange, bevor es durchs Industriegebiet wieder hinaus geht. 





Dass es wieder sehr warm ist, muss ich nicht erwähnen. Zum Glück haben wir heute genügend Wasser dabei. 



Nach ungezählten heißen Kilometern im Rhythmus Laufen, Rasten, Trinken kommen wir in die Stadt Mouans-Sartoux, auch hier herrscht heute ein buntes Treiben und der große Boule-Platz ist gut besucht. Als ich wieder zu Jammern beginne tröstet mich mein Mann damit, die restlichen vier km in 500er Metern herunter zu zählen, noch 3500 m, noch 3000, noch 2500, es ist unbeschreiblich wie sehr Kräfte und Lust nachlassen und wie sehr die Fußsohlen brennen. Ich glaube, auf noch keinem Pilgerweg sind wir so viel Asphalt gelaufen und haben die Füße so gebrannt.




Bei 500 m hört er auf zu zählen, muss sich jetzt aufs GPS konzentrieren, um die richtige Straße zu unserer Unterkunft zu finden. Noch strömt der Verkehr an uns vorbei und es ist unheimlich laut, biegt man dann aber in eine Seitengasse ein, herrscht plötzlich abendliche Ruhe und fast ein bisschen Idylle. Zwei Männer sitzen vor der Haustür, spielen Monopoly und grüßen freundlich. Wir müssen noch etwas bergauf und stehen am letzten Haus vor einem Gartentürchen, das eine Muschel schmückt, ein Zeichen dafür, dass wir richtig sind bei Nina und Robert in La Roquette sur Siagne. 




Das Paar, sie 76 und er 77 Jahre alt, begrüßen uns herzlich. Vor mehreren Jahren sind sie selbst von Menton bis nach Burgos gelaufen. Seit dem ihre fünf Kinder aus dem Haus sind, haben sie die beiden Kinderzimmer zu Pilgerzimmern umfunktioniert. Sie haben sich sogar einen eigenen Pilgerstempel anfertigen lassen. 



Das Paar ist wunderbar herzlich. Beide waren Lehrer. Robert weiß, wonach es einem Pilger bei der Ankunft lechzt und fragt spontan: „

Beer ?“, und obwohl wir kaum Alkohol trinken, nicken wir beide unmissverständlich, das 6,6 %ige tut gut und rinnt nur so die Kehle herunter. Danach zeigt er uns die Gästebücher mit den Eintragungen der bisherigen Pilger, ein Deutscher war bis jetzt hier, ich übersetze ihm die Worte ins Englische. Robert hat es sich zu einer schönen Angewohnheit gemacht, bei Abmarsch der Gäste am nächsten Tag vorm Gartentor ein Foto zu machen, das schmückt dann den jeweiligen Eintrag. Ich betrachte mir die Fotos, habe ein Auge aufs Outfit und die Figuren, und muss sagen, dass wir durchaus konkurrenzfähig wären. Im vergangen Jahr war auch eine belgische Familie mit vier Kindern hier, die sind mit den Kidis in geländetauglichen Kinderwägen bis Rom gelaufen.

Nach dem Duschen macht Nina für alle eine leckere Quiche mit Zucchini und Nudeln mit Tomatensoße, Robert öffnet eine Flasche Rotwein und als Dessert gibt’s süße Quiche mit Pflaumen und später zum Kaffee noch selbstgemachtes Zitronensorbet. 




Die Zitronen hat sie aus dem eigenen Garten, der wunderschön angelegt ist und in dem sich, nachdem ihnen die Kinder zwei Schildkröten mitbrachten und es hier so warm wird, dass diese auch ihre Eier ausbrüten können, mittlerweile zwölf kleine und große Schildkröten tummeln.

Zwischen Kuchen und Sorbet zeigen uns beide ihr sechstes Kind, einen alten VW C3 Kombi, den Robert selbst zum Wohnmobil ausgebaut und Nina bunt angemalt hat. 


Wenn sie ihre Tochter in Holland besuchen fahren, benötigen sie damit fünf Tage. Sie haben sich damit einen großen Jugendtraum erfüllt, erzählt mir Nina. Die Rückseite ziert der Spruch "Faites que le rêve dévore votre vie afin que la vie ne dévore pas votre rêve'' aus „Der kleine Prinz“ von Exupery, "Lass den Traum dein Leben verschlingen, damit das Leben deinen Traum nicht verschlingt". Herrlich.




Wir machen noch die Frühstückszeit aus und verschwinden in den Federn. 



Morgen werden Nina und Robert uns noch ein Stück begleiten. Danke.




Erkenntnis des Tages: Die beiden haben Recht „Träume nicht Dein Leben, sondern lebe Deinen Traum !


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