03.10.2014, von Vetrella nach Sutri 25km
Monastero Benedettine
Regina Pacis, 60,- Euro
Pünktlich um 19.30 Uhr gab es Abendessen im Speisesaal des
Klosters. Neben uns sechs Pilgern waren da noch sechs junge Frauen aus Nigeria
anwesend. Zunächst waren sie sehr ruhig, ein paar von ihnen servierten das
Essen, später erzählten sie, dass sie Lambedusaflüchlinge sind und hier auf
ihre Aufenthaltserlaubnis warten. Abraham berichtete, dass im Ostello am
Cisa-Pass junge afrikanische Männer untergebracht sind.
Es gibt Nudeln, Gnocchi, Bohnen- und Fenchelgemüse,
Schnitzel und Käse, Rotwein und Wasser.
Maria-Benedetta stempelt unsere Pässe ab und wünscht allen
noch einen guten Weg. Die Nonnen speisen separat.
Gegen 6.30 Uhr klingelt der Wecker und wir haben schnell die
Rucksäcke zusammen gepackt. Es war eine geruhsame Nacht in sauberen Betten und
mit sauberer, eigener Dusche und Toilette. Wie im Hotel eben. Die Schwester hat
bereits das Frühstück gerichtet. Es gibt Kaffee, heiße Milch und Tee und
abgepackte süße Sachen. Ben und Karla machen sich auf den Weg und wir anderen
vier sitzen noch und plaudern. Heute lassen wir es langsam angehen, starten
ohne Hast und freuen uns, mal nicht im Dunkeln los zu müssen.
Am Ortsausgang überholen wir freundlich grüßend eine ältere
Dame, die uns als Deutsche erkennt, sich bei mir einhakt und ein paar Meter
mitgeht, wissen möchte Woher/Wohin und erklärt, dass sie ursprünglich aus
Karlsruhe stammt aber schon lange hier lebt und es hört sich lustig an, wie sie
deutsche und italienische Worte in einen Satz packt.
In der ersten Hälfte des Tages heißt es wieder
Genusswandern. Durch einen großen gepflegten Wald verlasse wir Vetralla. Wieder
kann man sich über riesige Teppiche von Alpenveilchen erfreuen.
Es ist sonnig bei angenehmen Temperaturen, vor allem ruhig,
und es lässt sich wirklich gut laufen. Obwohl heute in Deutschland Feiertag
ist, checkt mein Mann ab und zu seine Dienstmails und muss immer mal wieder
ermahnt werde, doch einfach zu genießen, alles sacken zu lassen und nicht über
die Arbeit zu reden.
Mitten auf dem Weg finden wir einen Wanderschuh und stutzen
zunächst, er ist nass und die Schnürsenkel fehlen auch, demnach kann er niemand von den
Pilgern gehören, also bleibt er da, wo er ist.
Am Ende des Waldes kommt uns ein Pilger mit einem großen
Rucksack entgegen. Er muss entweder einen langen Weg vor sich oder schon hinter
sich haben und neugierig sprechen wir ihn an. Es ist Hermann aus Flensburg.
Eigentlich war er Koch an der dortigen Berufsschule, jetzt ist er schon über
ein Jahr unterwegs und auf seinem Rückweg. Er ist von Flensburg nach Santiago,
von dort nach Fatima und weiter nach Rom gelaufen, jetzt läuft er von Rom nach
Hause, hat ein Zelt dabei, und wenn er wieder daheim ist, hat ihm sein Chef
versprochen, kann er wieder in seinem Job arbeiten.
Hermann erzählt uns seine Beweggründe zu der langen
Wanderung, hat auch keine Probleme mit einem Foto und dass wir über ihn im Blog
schreiben, bittet aber darum, die Geschichte, die ihn bewog, den langen Marsch
auf sich zu nehmen, für uns zu behalten, lange konnte er nicht darüber reden,
und wir respektieren das selbstverständlich. Er wir noch ein paar Wochen unterwegs
sein, den Große Sankt- Bernhard-Pass
wird er nicht mehr zu Fuß überqueren können, deshalb will er über Arles gehen
und eventuell über Strasbourg nach
Deutschland. Wir geben ihm unsere Adresse und heißen ihn willkommen, sollte
sein Rückweg bei uns vorbei führen, muss er nicht im Zelt schlafen.
Durch solche Begegnen wird man wieder geerdet und
Dienstmails sind vergessen.
Eine Weile laufen wir beide schweigend nebeneinander und
lassen die kurze intensive Begegnung nachklingen.
Später geht es durch unendliche Haselnussplantagen und aus Ermangelung
eines Wegweisers nehmen wir für ein paar Meter den rechten statt den linken
Weg, erkenn aber schnell den Fehler und beim Zurückgehen, siehe da, kommen uns
Julio, der Fahrer des Buffetautos der Amerikaner, und sein Freund entgegen. Sie
tragen einen Wegweiser bei sich und wollen den genau an der Stelle anbringen,
an welcher wir zunächst in die verkehrte Richtung liefen. Wir finden das gut
und wollen beide fotografieren. Irgendwie
werden wir aus ihrem Gerede nicht ganz schlau, es wäre illegal, was sie da
machen und den Wegweiser haben sie von einer anderen Stelle weggenommen und,
und, und. Erst meinem Mann fällt auf, dass der Pfeil eigentlich in die
verkehrte Richtung zeigt, sie das Schild eigentlich auf Kopf aufstellen
müssten.
Wir lassen beide ziehen und machen irgendwo zwischen den
Bäumen unsere Obstpause.
Danach muss der Wanderer
an drei Türmen vorbei, da es immer noch durch Plantagen geht, kann man
wiederum die Richtung schlecht ausmachen. Auf der Straße angekommen, tauchen nochmals
die beiden Jungs mit ihrem Auto auf und wollen von uns wissen, ob wir an den
Türmen Schwierigkeiten hatten. Gewappnet mit einer Sprayflasche ziehen sie los,
um Markierungen anzubringen.
Jetzt kommen wir aber ins Grübeln und überlegen, was wohl
der weiße VW-Bus mit Berliner Kennzeichen, den beide fahren, den
Markierungseifer und die amerikanischen
Spaziergänger verbindet und es fällt wie Schuppen von den Augen. Wir laufen
gerade einen hübschen, von riesigen Pinien gesäumten Weg entlang, als es
fröhlich hinter uns plappert. Mein Göttergatte erkennt sofort die große
Amerikanerin mit den aufgespritzten Lippen;
aha, die Jungs haben ganze Arbeit geleistet, sie kennen die Schlüsselstellen,
buddeln einfach irgendwo Wegweiser aus, stellen dieser dort auf, wo man
Orientierungsschwierigkeiten haben könnte, spritzen zur Not einen Pfeil drauf und das
alles, damit sich die Edelpilger ja nicht verlaufen , womöglich das Buffet
verpassen und beim Veranstalter reklamieren. Na, Jungs, ob das richtig ist?
Als die drei Frauen uns schließlich überholen, denn mehr
wanderndes Volk ist von der Truppe nicht übrig geblieben, erkennen sie uns und
rufen: „Ah, it´s yours, oh, my god !“, und wenn sich Amerikanerinnen laut
wunder, wird die Tonlage ihrer Sätze konstant höher. Mit meinen derzeitlichen
Stimmproblemen kann ich die Wundertüte noch nicht mal imitieren.
Hermann aus Flensburg heute Morgen und die drei
Schnattertaschen heute Mittag – mehr Extreme kann es auf solch einem Weg nicht
geben.
Wir durchschreiten Capranica, rasten nochmals kurz am
Ortsausgang und freuen uns, dass es ab hier nur noch vier km sind. Die
allerdings haben sich nochmal gewaschen. Wir stolpern regelrecht durch eine
Schlucht, die sich Nationalpark nennt, über kaputte, notdürftige Stege,
matschige Wege und entdecken auch ein paar Handabrücke im Schlamm, Zeichen
dafür, dass hier wohl jemand gestürzt sein muss. Kurz vor vier sind wir schließlich
in Sutri. Ein erhabener Anblick bietet sich uns als wir den Wald verlassen und
ganz anders als Viterbo und Vetralla hat die Stadt Etwas.
Das Kloster ist schnell gefunden und das Einchecken diesmal recht
ungewöhnlich, denn die Karmeliterinnen leben sehr abgeschottet. Wir bekommen
die Nonne nur durch ein Gitter zu sehen, Ausweise und die 15,- Euro pro Person
werden auf einen Drehteller gelegt und nach 360 Grad bekommt man seinen
abgestempelten Ausweis und die Zimmerschlüssel. Das Zweibettzimmer mit Dusche ist sehr
spartanisch und kein Vergleich zum gestrigen Kloster.
Schade, dass wir so ausgepowert sind und so spät erst
ankommen. Dennoch nehmen wir uns die Zeit und schlenkern noch durch die alten Gassen.
Endlich mal wieder eine zentrale Piazza ohne Autos mit gleich zwei Eisdielen.
Wir treffen unsere Mitpilger wieder und sitzen aller sechs bei einem Bier auf
der Piazza.
Schließlich wollen sich Gerard und Araham heute ein
Pilgermenü gönnen und ziehen los. Karla, Ben und wir gehen in eine Pizzeria. Ben
war an der Uni in seiner Heimatstand Apeldorn
Dozent für Kunstgeschichte und Karla Lehrerin. Sie freuen sich, jetzt, wo sie
in Rente sind, solche ausgiebigen Touren unternehmen zu können.
Zurück im Gästehaus empfängt uns der immer gut aufgelegte
Franzose mit der Frage, ob wir nicht einen Schuh heute Morgen auf dem Weg
gefunden hätten, er fand ihn im Gebüch und hat ihn auf den Weg gestellt um uns
ins Grübeln zu bringen, der Scherzkeks.
Ein langer Tag geht zu Ende, die Füße schmerzen, der Kopf wird
frei.
Morgen steht die längste Etappe bevor, es geht nach
Formello.
Erkenntnis des Tages:
Extreme gibt´s, die gibt´s gar nicht.
Es war so besonders über der alte Via Cassia zu laufen. Über diesen großen Felsbrocken, wo seit Jahrhunderten die Menschen und Wagen über sind gegehen.
AntwortenLöschenIch kann mich die Haselnüsse erinnern. Was habe ich dort gewandert. Ich ging hinüber und zurück zu den Türmen als Wahrzeichen und versuchte es wieder. Im Frühjahr ging ich wieder und dann es war ein wenig einfacher, aber wirklich klar ist dass immer noch nicht.
Wie schön, dass Ihr Ben begegnet. Ich kenne ihn aus dem Verein Pilger Straßen. Wenn ihr ihn wieder seht, gibt ihr ihnen meine Grüße.
Ha ha, ja, die Nonnen in Sutri waren ziemlich spartanisch. Ihr hatte besser die B & B in Capranica können nehmen :-). Sie haben zusammen so ging es gut ist.
Everdiene