Dienstag, 30. September 2014

Tag 6, 30.September 2014, Bolsena - Montefiascone - Paoletti, 21,5km



30.09.2014, von Bolsena nach Montefiascone (Paoletti)  21,5 km

Instituto Suore Sacramento, 25,-Euro (1 Bett, 1 Platz auf dem Boden)

Der Pilgerfrieden ist wieder hergestellt.
Gestern Abend waren wir beide in der Osteria Francigena unweit der Unterkunft, da gab´s Wi-Fi, kaltes Bier und man wurde nicht schief angeschaut, wenn man nur Prima Piatti bestellte.
Gerard hatte uns zwar schon bei der Kaffeepause am Morgen gefragt, ob wir nicht zu dritt auf ein Bier ausgehen wollten, durch die seltsame Zimmerbelegung haben wir uns dann aber aus den Augen verloren.
Er ist dann wohl mit den anderen los und wir kommen alle gegen zehn zeitgleich zurück, als Jochen noch fragt, was man nun mit dem angebrochenen Abend noch macht? Wie, bitte schön? Als niemand reagiert, zeiht er allein los. Gerard berichtete uns gestern Morgen, dass Cynthia und Giuseppe, die beiden Italiener, die uns zum Bier in Radicofani eiladen wollten, morgens um drei in der Unterkunft waren und um sechs den Wecker klingeln ließen, was Abraham sehr verärgerte.
So weit, so gut. Vielleicht hätten wir uns alle noch im Aufenthaltsraum zusammensetzen können, aber der war ja abgeschlossen.
Wo die drei deutschen jungen Leute, denen wir nachmittags beim Gelati-Frust-Essen vor der Kirche begegneten, unter gekommen sind, wissen wir nicht. Mein Mann schickte sie zwar zum Eingang des Instituto und schlüpfte bei der Gelegenheit gleich mit hinein, um unsere Ausweise wieder einzufordern, denn die hatten wir immer noch nicht zurück und bei den vielen abgesperrten Türen, wussten man auch nicht, wann und ob man überhaupt die Pässe wieder bekam.
Lange Rede, kurzer Sinn, die Nacht verlief ruhig und wir verkniffen uns den Klogang. Dafür klingelt um fünf der Wecker, zunächst packe ich meine Sachen, dann rollen wir das Matratzenlager zusammen und mein Mann hat Platz zum Packen. Wir schleichen uns ganz leise die Treppe hinunter und 5.45 Uhr marschieren wir los. Die Bar am Ortsausgang ist bereits geöffnet, hat eine eigene Bäckerei und der junge Bäcker bringt Cappuccino und zwei warme Brioche. Gut bevölkert ist das Café gegen sechs, viele ältere Männer schlürfen ihren Espresso und lesen Zeitung, der erste Morgentratsch wird ausgetaucht und uns grüßt man freundlich.
Klar ist es noch stockdunkel zu der Jahreszeit, allerdings bereits so warm, dass wir draußen sitzen können und mein Mann bald kurzärmelig läuft. Bewappnet mit Stirn-und Taschenlampe geht’s los, ich leuchte vorn, er hinten. Soviel Autos sind noch nicht unterwegs, nach 2 km biegen wir auf die VF ein, gewinnen an Höhe und beobachten die Morgendämmerung über dem Bolsenasee. Wenig später kommen wir beim ersten heutigen Anstieg bereits ins Schwitzen, durchqueren einen Park mit riesigen Bäumen und gepflegten Sitzgruppen. Wir ahnen, wo Julio heute das Buffet für unsere Edelpilger aufbauen wir.
Wir kommen gut voran und erfreuen uns an den fliederfarbenen Alpenveilchen-Feldern im Wald. Zum überqueren einer Furth benötigt man heuer auch keinen Tauchschein, denn, sieh mal an, gleich zwei Möglichkeiten hat der Wanderer zum Überqueren, eine Brücke oder ein Seil.
Schnell erreicht man einen Bauernhof, wo Vater und Sohn, und Mann und Frau und Hunde und Gänse einen handfesten Streit ausfechten, uns dennoch freundlich grüßen und mir zu Liebe , die freilaufenden Hunde erst einmal festhalten bis wir ihren Blicken entschwunden sind. Auf einem Asphaltsträßchen geht es jetzt noch einmal bergauf, denn Montefiascone heißt nicht so ohne weiteres Monte … . Wir sind bis jetzt ohne Pause unterwegs und liegen gut in der Zeit.
Das Städtchen begrüßt den Besucher am Ortseingang mit einem großen „Montefiascone, Citta della Est!Est!!Est!!!“, das Schild ist schön, der Rest der Stadt ist schmutzig. Zunächst geht es wieder ähnlich wie in Piacenza durch Industrie-und Wohngebiet, die Gehwege sind kaputt, wobei man von diesen nicht viel mitbekommt, weil sie permanent zugeparkt sind, so dass der Fußgänger einen Corso um auf den Gehwegen kreuz und quer parkende Autos machen muss. Ich beobachte sogar Muttis mit Kinderwagen, die halsbrecherisch ihre Kleinen um die Autos jonglieren.
Es ist nicht wie in Radicofani oder Bolsena, wo man meint, durchs Mittelalter zu wandeln.
Als wir zehn Uhr vor der Touristeninformation stehen und die Stadt eigentlich nicht zum Verweilen einlädt, beschließen wir, weiter zu gehen. Die nette Angestellte des Touristenbüros kennt sich auf der Strecke Montefiascone bis Viterbo gut aus, allerdings sind 18 km bis dort hin zusätzlich für heute zu weit. So ruft sie kurzerhand in einem BnB in Paoletti, 4 km entfernt, an und eine Ferienwohnung ist frei. Man hat auch kein Problem, Pilger für nur eine Nacht aufzunehmen. Mein Göttergatte freut sich über die eigene Toilette und ein Bett.
Kurz hinter Montefiascone holt uns dann der erste Pilger ein, den  lautstarken Franzosen mit dem bunten Gamsbart am Hut kennen wir schon aus Radicofani. Er zieht schnellen Schrittes vorbei.
Wenig später dann wandeln wir auf der geschichtsträchtigen Via Cassia Antica, den uralten Steinen, auf welchem bereits vor uns Abertausende nach Rom zogen oder von dort kamen. Kaiser und Könige, Soldaten und Kirchenmänner, Händler, Kaufleute und Pilger. Hier kann jeder Stein Geschichten erzählen. Irgendwie schon ein erhabenes Gefühl. So kommt es, dass wir auch viele Fotos machen und kleine Videos drehen. Als normaler Tourist würde man wohl hiervon gar nichts mitbekommen.
Im BnB angekommen, wird geduscht, ich habe eine Waschmaschine und mein Mann ein Bett. Pilgerherz, was willst du mehr? Auch wenn wir heute mal nicht standesgemäß nächtigen, so doch wenigstens im BnB „Cassia Antica“.



Erkenntnis des Tages:  Der frühe Vogel fängt den Wurm!


Tagesvideo

Bolsenasee am Morgen

Alpenveilchen - Wald

Furth - wofür wird sie sich entscheiden ?

Montefiascone

Via Cassia antica

Kiwi - Plantage

1 Kommentar:

  1. Uiii Ihr frühen Vögel. Um 5 Uhr aufstehen. Der Reinhard schreibt, er will nächstes Jahr auf dem grünen Band. Wenn Ihr Euch da anschließt, geht das mit 5 Uhr früh nicht.
    Ich weiß nicht, ob Ihr das mit bekommen habt. In Montpellier versinkt alles im Regen. Also genießte die supertollen Tage in Italien. Ich hoffe, es geht Euch beiden besser. Die Wunden verheilen und die Schmerzen lassen nach. Beruhigend ist, daß Ihr heute passabel unter gebracht seid. Wenn nachts der Klogang zum Stress wird, ist das nicht lustig. Oh wie schön. So eine alte Römerstraße. Wißt Ihr noch? In der Schweiz in Martigny. Liebe Kerstin. Versuche mal eine Alpenveilchen-Blüte mit zu nehmen. Lege sie in den Reiseführer und presse sie. Vielleicht wird das ja was fürs Album.
    Jetzt wünsche ich Euch eine wirklich gute Nacht.
    Alles Liebe Eure Alke-Brigitte

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