Freitag, 26. September 2014

Tag 1, 25.September 2014, Buonconvento - San Quirico de Orcia, 17,5km



Hostel Pisa 60,-


Ich sag nur Murphys Gesetz – nicht dass unser ursprünglich 19.55 Uhr startende Flug vor zwei Tagen von Ryan Air um eine und eine halbe Stunde nach hinten verschoben wurde, weil Bauarbeiten an der Landebahn in Pisa das nötig machten; der verspätete Flug hatte dann nochmals eine knappe Stunde Verspätung.
Wir überlegen allen Ernstes, ob wir die 4 Stunden bis zur Abfahrt des Zuges dann nicht auf dem Flughafen oder dem Bahnhof in Pisa verbringen sollten anstatt 60,- Euro fürs gebuchte Zimmer in der Jugendherberge zu zahlen.
Im Flughafengebäude ist es zu laut, im Bahnhof, na sagen wir mal, uns etwas zu unwürdig. Und schließlich sind wir nun auch nicht mehr die Jüngsten, also wird es eine kurze Nacht im Hostel und ich schlafe wegen der Aufregung und der gut und laut funktionierenden Klimaanlage kaum.
Schließlich läuft dann zunächst alles nach Plan.  5.19 Uhr geht der Zug nach Siena mit Umsteigen in Empoli. Der ist pünktlich und wir haben in Siena noch gute zwanzig Minuten, um  die Busticket zu lösen und  den Bussteig zu finden.
Ich muss hinzufügen, dass ich vor zwei Monaten meine Schilddrüse loswurde und meine Stimme noch etwas kratzig klingt, mein Mann nun also einen glaubwürdigen Vorwand hat, mich nicht zu verstehen.
Während ich also mal für kleine Mädchen muss, soll er heraus kriegen, wo der Bus abfährt. Wohlgemerkt, der Bus, nicht der Zug.
Zurück vom Klo, nehme ich also wieder das Ruder in die Hand, die Zeit wird knapp, wir stürzen uns also in das allmorgendliche Gewusel von Schulbussen und Massen von Jugendlichen auf dem Bahnhofsvorplatz. Selbst die einzelnen Busfahrer wissen nicht, wo denn dieser Bus nach Buonconvento abfährt. Und als wir schließlich die Haltestelle finden, ist dieser längst weg. Da ist guter Rat zwar nicht teuer, denn zwei Stunden später geht der nächste, wohl aber der erste Zoff angesagt. Ich kann Schweigen.
10.50 Uhr sitzen wir dann im Bus nach Bounconvento -  denn hier hatten wir ja im letzten Abschnitt unsere Pilgertour beendet und hier soll es heuer wieder losgehen – auf getrennten Sitzen.
Nach einer knappen Stunde sind wir am Ziel, dass heißt 20 km Fußmarsch liegen jetzt noch vor uns.
War das morgendliche Siena noch nebelverhüllt, empfängt und das mittägliche Buonconvento mit strahlende Sonnenschein und schnell kommt Sonnenschutzfaktor 30 zum Einsatz.
Durch die hübsche Fußgängerzone verlassen wir das Städtchen, durqueren ein kleines Industriegebiet und nehmen die Straße, denn Reinhard hat Recht, wozu einen Hügel hinauf und wieder hinab steigen, um kurz darauf wieder auf der Straße zu laufen.
Außerdem haben wir zwei Stunden verloren. Gut und gerne könnten wir jetzt schon in Torrenieri sein. Ich lege vor, er legt nach, ohne Pause ziehen wir 10 km leicht aber beständig bergauf. Ein uns entgegenkommender Pilger wird nur gegrüßt, zum Schwatz bleibt keine Zeit und mich hört ja eh keiner. Dem jungen Mann scheint es ähnlich zu gehen.
Nach zwei Stunden haben wir erschöpft Torrenieri erreicht, es ist um zwei. Alimentari und Bar machen Siesta, das hübsche Restaurant am Ortsausgang bietet Mittagstisch an. Selbstverständlich reden wir wieder miteinander und haben auch gelernt, uns eine ausgiebige Mittagspause zu gönnen. Tortellini, Riboleta und Salat rücken den Haussegen wieder gerade.
Eigentlich sind zwanzig km für den ersten Tag für mich zu viel, zumal wir ja nun auch erst gegen Mittag los gelaufen sind. Aber das Muttchen am Telefon in Torrenieri hat mir, so meinte ich, zu verstehen gegeben, dass hier keine Unterkunft mehr angeboten würde oder man schon geschlossen haben, wir sollten weiter ziehen nach San Ouirico de Orcia, weitere zehn km.
Das tun wir dann auch und nehmen die im Wanderführer beschriebene Straße, wieder stetig bergauf. Wir genießen die Ruhe, wundern uns, dass uns lediglich zwei schwatzende Rennradlerinnen entgegen kommen und können langsam alles sacken lassen.
Die Felder rechts und links sind abgeerntet, die Scholle akkurat gepflügt und im Sonnenlicht nimmt sie verschiedene Umbratöne an. Alles wirkt friedlich und bodenständig, wird durchsetzt von den noch grünen Weinbergen und während ich so meinen Gedanken nachhänge, verkostet mein Göttergate die Beerenauslese am Wegesrand, entdeckt Fenchel, Majoran und Pfefferminze, der Straßengraben rechts und links entpuppt sich als ein einziger Kräutergarten und immer noch ist die zweispurige Straße gespenstisch verkehrsfrei.
Etwa zwei km vor San Quiricio entpuppt sich dann „des Pudels Kern“ in Form einer Straßensperre. Der Asphalt ist hier einige Meter aufgerissen und die Straße hat sich gesenkt. Gestern Morgen hatte ich mir nochmal Reinhards Blog zum heutigen Tag durchgelesen. Bereits Anfang Juli war hier gesperrt und was auch immer das hiesige Straßenbauamt veranlasst, bis dato keine Reparatur vorgenommen zu haben, den Pilger freut`s wahrscheinlich auch noch im nächsten Jahr.
Kurz bevor wir schließlich unser heutiges Etappenziel erreichen, werden wir mal wieder nass.
Die Herberge ist schnell gefunden und von so viel Pilgern bevölkert wie wir sie bisher auf der Via Francigena nicht auf einem Fleck erlebt und zu dieser Jahreszeit auch nicht vermutet haben.
Das Zimmer in der oberen Etage wird bewohnt von vier deutschen Pilgerinnen und wir werden von Anna, der Haushälterin,  ins untere größere Zimmer verwiesen. Von den sechs Doppelstockbetten sind die fünf unteren belegt von zwei französischen Ehepaaren und einer Schweizerin. Ich beschlagnahme schnell das sechste und meinem lieben Mann bleibt nichts weiter übrig, als oben zu schlafen.
Ein kurzer Streifzug durchs hübsche Städtchen folgt nach dem Duschen, ein Zwischenstopp in der Gelateria und hurra, die Pharmacia können wir getrost liegen lassen,  obwohl ich heute Hüfte habe. Bin wahrscheinlich die Strecke doch zu schnell angegangen, morgen kommen die Stöcke zum Einsatz und es wird umgeschichtet.
Ich weiß auch nicht was mich geritten hat, den Marco Polo für Rom samt Straßenkarten und die Gebrauchsanweisung für den Vatikan einzupacken.
Die halbe Bibliothek, das First-Aid-Kit und die drei Tüten Studentenfutter wechseln den Rucksack, das ist das Gute daran, wenn man als Paar zusammen wandert. Außerdem hab ich Hüfte und keine Stimme.
Während die anderen zum Pizzaessen aufbrechen, nutzen wir die kleine Küche und liegen um acht in den Schlafsäcken, denn wir haben viel Schlaf nachzuholen.



Erkenntnis des Tages: Auch schlaflose Jammertäler müssen durchwandert werden.





Es geht wieder los !

Start in Buonconvento

weiter auf der Via Cassia

Ortseingang Torrenieri - 13. Station Sigerics

Toscana im Spätsommer

leckere Weinbeeren am Wegesrand

Strada chiuso !

6-Stockbett-Zimmer in San Quirico


1 Kommentar:

  1. Na endlich !!!!
    Ich sitze vor dem Rechner und denke ...na heute muß doch Kerstin was schreiben. Siehe da, heute Eintrag Nr. 1.
    Jetzt lese ich erst mal und schaue Bilder...
    So, alles gelesen, mehrfach geschmunzelt, Bilder geschaut, natürlich auch Tagesfilm.
    Jetzt bin ich beruhigt und kann Kerstin nur gute Besserung für die Stimme wünschen.
    Ihr lieben Pilgerfreunde. Laßt es Euch gut gehen und paßt höllisch auf Euch auf. Keine Blasen und gutes Wetter mit megaguter Laune.
    Ganz liebe Grüße von der Alke-Brigitte

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