Sonntag, 14. Mai 2023

 05. Mai 2023, Castagniers/Aspremont- Saint-Paul-de-Vence



Um 6.30 Uhr sind wir heute schon munter, wollen mal früh los. Draußen ist es noch ruhig, nur die Vögel zwitschern und es ist bereits hell. Als wir zum Selfmade-Frühstück gehen, sitzt der junge Mann von gestern schon beim Frühstück und wir kommen ins Gespräch. Der junge Spanier lebt in Nizza, macht hier ein paar Tage Auszeit und will wandern gehen. Na, dann viel Spaß. Mit Sicherheit gibt es hier schöne hohe Wanderwege, aber eben unserer Erfahrung nach keinen von A nach B, sondern eher Rundwege, von wo aus man eine gute Sicht aufs Meer und die Alpen hat, als klassischen Pilgerweg kann man die bisherige Via Aurelia eigentlich nicht bezeichnen.

Der junge Spanier war schon in Santiago de Compostela und will von uns wissen, ob wir auch über Lourdes gehen, ein Freund, den er auf dem Jakobsweg kennen lernte, wohnt dort und es wäre sehr schön.

Vor haben wir es ja mal, allerdings kann das noch lange dauern, so wie wir voran kommen, es sei denn, man nimmt den Bus oder ein Taxi oder trampt.

Jedenfalls lässt sich der heutige Tag mal gut an und wir marschieren stramm zunächst etwas bergauf wieder nach Aspremont. 





Das einzige Hotel dort scheint seit langem geschlossen zu sein, so dass es gut war, in Castagniers reserviert zu haben. Der Wanderführer ist also in puncto Unterkunftstipps auch nicht mehr aktuell. Es gibt ab Aspremont wieder die bekannten Muschelaufkleber und man kann den Weg leicht finden. Um den Pilger von der Straße zu nehmen, geht der Pfad heute über Stock und Stein und Hügel zwischen den gefährlichen Kurven. Er verläuft an brachliegenden Gärten vorbei. Über die Zäune scheint man Baumüll geworfen zu haben, wir stolpern hier nicht nur über Kalksteine und Schotter, auch über Betonreste, Draht und Eisenteile. Man könnte fast meinen, es ginge über eine Müllkippe. 




Von den Hügeln aus kann man weit unten den fast ausgetrockneten Fluss Var erkennen, über den eine große stählerne Brücke führt. 





Da müssen wir hinüber und auf der anderen Seite wieder hinauf. Auch das Städtchen Saint-Paul-de-Vence, das auf einem anderen Hügel thront, kann man bereits erkennen. Luftlinie scheint es gar nicht so weit zu sein. 



In Colomares angekommen sacken wir auf einem Kinderspielplatz auf eine Bank und lassen uns von einem Einheimischen den kürzesten Weg zu Fuß an unser heutiges Ziel erklären. Er beschreibt da ganz was anderes als unsere GPS Karte und wir beschließen, erst mal über die Brücke zu gehen und bei MC unseren Durst zu stillen und die Wasserflaschen aufzufüllen, denn es ist wieder sehr heiß und trocken.

Gesagt, getan, und nach dieser Pause können wir uns kaum aufraffen. Immer unser heutiges Ziel vor Augen stapfen wir tapfer weiter. Und was soll ich sagen, es geht wieder Asphalt hinauf. Wieder ohne Schatten. Irgendwann hat dann auch mein Mann die Nase voll und flüchtet in ein Bushäuschen, zunächst nur des Schattens wegen. Als er so nebenbei den Busfahrplan studiert, fällt ihm auf, dass in 20 min ein Bus kommen müsste, der vielleicht in unsere Richtung fährt. Der Bus ist aber nach 30 min immer noch nicht da und er läuft weiter, typisch deutsch : Bus kommt nicht pünktlich, also kommt er heute nicht. Ich hinke hinter ihm her und was passiert ? Klar, der leere Bus huscht an mir vorbei mit 10 min Verspätung, ich reagiere zu spät, um ihn zum Halten zu bewegen und könnt die Wanderstöcke in die Ecke werfen. Zuvor hatte nämlich ein Mann mit Hund uns erklärt, dass hier wohl kein Bus käme, wohl aber von der Mairie in Gattieres mit Sicherheit einer nach Vence fahre, wir müssten bis dort hin nur der rot-weißen Markierung folgen.

Ich fluche und schimpfe und fluche und schimpfe. Ende gut – fast alles gut, eine Stunde später soll der nächste Bus kommen und wir entwickeln uns langsam zu Buspilgern. Mental ziemlich unten stückeln wir uns jetzt aus einer Kombination gogglemaps und französischen -Busfahrplan- Lesen einen Schlachtplan zusammen, um vor Einbruch der Dunkelheit unser heutiges Ziel zu erreichen. Als dieser Bus auch nicht pünktlich erscheint, legen wir mal kurz unsere pünktlich korrekte deutsche Mentalität ab und vertrauen auf was auch immer, und siehe da, ein Bus erscheint und der fährt auch noch nach Vence, ist diesmal allerdings so voll, dass wir uns mit den Rucksäcken regelrecht hineinquetschen müssen. Und der Fahrer braust in einem Affenzahn los, nimmt die vielen Kurven und Polder ohne zu bremsen und wir werden hin und her geschüttelt. Als der Bus leerer wird, ergattern wir schließlich zwei Klappsitze und sitzen mit dem Rücken zur Hangseite. Auf der anderen Fensterseite rauscht eine Felswand an uns vorbei. Mir wird schwindelig, ich muss ab und zu hinter mir aus dem Fenster schauen, eine Frau hält sich ein Tuch vor den Mund, meinem Mann wird es schlecht, er rutscht vom Sitz und ich reiche im vor lauter Verzweiflung und aus Mangel einer Kotztüte meine Kappe. Nach dieser rasanten Tour erreichen wir schließlich Vence, ohne die Möglichkeit gehabt zu haben, beim Fahrer zu bezahlen. Nach einem kurzen Zu-Sich-Kommen geht’s weiter. 



In Saint-Paul-de-Vence, diesem historischen Künstlerstädtchen, herrscht wieder reger Touristentummel, man strömt auf den sogenannten Balkon der Cote Azur, wir aber laufen gegen den Strom und sind schnell am Kloster. Heute sind wir bei Dominikanerinnen, in einem wieder ziemlich großen Kloster mit Gästehaus untergebracht. 




Das gleiche Procedere, Duschen, Rucksackinhalt im Zimmer verteilen, Essen halb acht. Es gibt wieder grüne Suppe, grüne Bohnen mit vegetarischen Schnitzel und Apfelmus. Ein älteres französisches Ehepaar und eine junge Frau machen hier auch ein paar Tage Urlaub. Wir unterhalten uns etwas und verschwinden schnell in den Federn. Morgen ist Ausschlafen und Relaxen, große Wäsche und Sightseeingtour angesagt und wir hoffen, mal einen Tag ohne Bus auszukommen.



Erkenntnis des Tages: Auch Busfahren kann anstrengend sein !

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