Mittwoch, 1. Mai 2019

Tag 18, 30.04.2019, von Arma di Taggia nach Bordighera


25 km, viel Asphalt

Casa Taggiasco in Arma di Taggia   Spende in der Kirche
Villa Garnier in Bordighera   Spende



Genügend zum Frühstück haben wir ja und auch reichlich Proviant für unterwegs. Signora Taggiasco verabschiedet sich herzlich von uns. Ich habe ihr ein paar Zeilen auf italienisch geschrieben und die Oferta dazu gelegt. Wieder will sie das Geld nicht. Wir sollen es der Kirche spenden. In Taggia gibt’s aber viele Kirchen, zu San Giacomo sollen wir gehen, einige Straßen weiter, es sei eine große Kirche, wir könnten sie gar nicht verfehlen. Gesagt, getan, wir marschieren los, finden auch die Kirche, mein Mann meint, ich solle das Geld in die Spendenbox am Kircheneingang werfen. Er würde das fotografieren und per WhatsApp an Egli Taggiasco mailen. Ist mir nicht so recht, ich will´s persönlich übergeben und wenn schon, denn schon einen Stempel in den Pilgerpass. In der Kirche läuft aber gerade Messe. Mein Mann wartet draußen, seit einigen Tagen ist das mit seinem Rücken immer schlimmer geworden, er kann den Rucksack nicht abnehmen und sich in eine Kirchenbank setzen. Ich will mich aber auch nicht allzu lange aufhalten, denn es sollen wieder viele km werden. Und wie ich so in der letzten Reihe sitze und noch überlege, wie ich möglichst schnell die Spende an den Richtigen übergebe und zudem einen Stempel bekommen, entdecke ich hinter mir einen beleuchteten Beichtstuhl. Also müsste da ja jemand drinnen sitzen. Als ein Beichtender heraus kommt, die Muschel am Rucksack entdeckt und fragt: „Santiago ?“ und lächelt, fasse ich all meinen Mut zusammen. Ich war noch nie in meinem Leben in einem Beichtstuhl. Ich schnappe mir die Pilgerpässe, das Geld steckt in der Hosentasche, schaue mich nochmal in der Kirche um, die Menschen beachten mich nicht. Ich drücke also ganz vorsichtig die Klinke herunter und betrete die linke Seite. Die Zwischenwand ist aber nicht mit Gittern abgetrennt, sondern das Fensterchen ist völlig geöffnet und auf der anderen Seite sitzt ein hübsche junger Priester, die Augen nach unten gerichtet. Als ich ihn anspreche, schaut er mich an, ich halte ihm die Pilgerpässe unter die Nase und er bittet um fünf Minuten. Geduldig warte ich in der Kirchenbank und er nimmt mich tatsächlich nach fünf Minuten in die Sakristei mit, hier bekomme ich, während vorne die Messe läuft, meine Stempel. Ich erkläre ihm domire (schlafen) und mangare (essen) bei Signora Taggiasco, und dass wir die Oferta in seine Kirche bringen sollten. Er kennt Egli Taggiasco und weigert sich aber ebenso vehement, das Geld anzunehmen wie unsere Gastgeberin. Mir bleibt jetzt nichts anderes übrig, als unsere Spende in die Donationbox am Eingang zu stecken.




Als ich aus der Kirche trete, sage ich zu meinem Mann :“Schatz, ich muss dir was beichten.“ Dazu komme ich aber nicht, denn wieder fährt plötzlich ein Stromschlag, wie er es nennt, durch den Rücken, er zuckt so schnell zusammen, dass sogar eine Passantin besorgt stehen bleibt. Ich muss unbedingt Magnesium besorgen. Dass mit den Zahnkronen ist für ihn ein Klacks, dass mit dem Rücken ist schrecklich, noch ein paar Tage pilgern wären nicht drin. Abends lässt er lange heißes Wasser über den Rücken laufen. Wenn er dann Fotos einliest, kann er nicht einmal mehr die Maus bewegen, weil er Angst hat, dass bei jeder falschen Bewegung wieder solch ein Stromschlag durch den Rücken zischt.
Ein paar Sekunden später geht es dann wieder. Sobald er den Rucksack trägt, kann er kilometerweit laufen, sobald wir Pause machen, ist er wie gelähmt.
Der Weg verläuft heute über das auf einem Hügel liegende Bussana Vecchia. Ein ganz besonderes Dorf, das Ende des 19. Jahrhunderts von einem Erdbeben in Teilen zerstört wurde, nach dem 2. Weltkrieg haben es dann wohl italienische Wanderarbeiter als Unterkunft genutzt und seit dem 60 er Jahren hat sich eine Künstlerkolonie dort angesiedelt, die wohnen eher illegal dort oben, sind aber geduldet.
Es geht bergauf und bereits am Ortseingang wird man mit Free-Tibet-Aufklebern an Mauern und Masten begrüßt. Alles ist bunt bemalt und am Straßenrand liegen rot bemalte Steinherzen.




Uns kommen zwei Bewohner in Flip Flops entgegen, stellen sich als George und Frank aus Frankreich vor und wollen wissen, durch welche Orte in Frankreich wir noch laufen werden. Heh, und bleibt doch bei uns, wir wohnen gleich dort oben, Essen und Schlafen ist frei.
Hallo, Jungs, ich hatte heute schon Premiere mit dem Beichtstuhl, ein Joint muss es nicht auch noch sein.
Morgens kurz nach 10 sind wir vielleicht eine Handvoll Touristen dort oben. Wir machen Fotos ohne Ende, schlängeln uns durch uralte Gässchen und wundern uns wie in diesen steinalten Häuschen mit diesen winzigen Türchen Menschen wohnen können. Man kann das gar nicht beschreiben, fast hinter jeder Tür verbirgt sich ein kleines Atelier, Schmuck, Bilder, Fotos, Eisenbahnen. Wir passen mit den Rucksäcken gar nicht durch die Türen. Und dann diese alter Kirche, von der wirklich nur noch die Außenmauern stehen und in deren Innerem gerade mannshohes Gras gemäht wird. Man kommt aus dem Staunen und Fotografieren gar nicht mehr heraus. 













  

Nützt alles nichts, Bordighera heißt unser heutiges Ziel, und jetzt müssen wir erst einmal nach San Remo. Hierzu geht’s auf der anderen Bergseite einen halsbrecherischen Pfad hinab, den der deutsche Alpenverein längst gesperrt hätte. In solchen Momenten verflucht man die Markierer und die Autoren von Wanderführern. 

  
Während mein Mann hier überhaupt keine Probleme hat, muss diesmal ich ganz langsam machen. Er hat Verständnis dafür und vertreibt sich die Zeit damit, im Müll, der hier zu Genüge am Straßenrand liegt, nach einer passenden Verlängerung für seinen Bastone (den Wanderstab) zu suchen. Der Bambusstab, den er in Pietrasante fand, hat sich vom vielen Asphaltlaufen etwas abgenutzt und muss unten stabilisiert werden. Gestern fand er einen alten Gartenschlauch, der vom Durchmesser genau auf den Bastone passte, den sägt er sich mit dem Taschenmesser zurecht und befestigt alles mit einem Plastikkorken. Künstler !


San Remo zieht sich, ist aber schnell durchlaufen, vorm Casino gibt es einen Stopp, drinnen sitzen vorwiegend Frauen an den Spielautomaten und zocken. 



Das Eis ist ziemlich teuer und wässrig und Bordighera ist noch weit.
Machte die Palmenriviera ihrem Namen alle Ehren, kann man das von der Blumenriviera nicht behaupten. Wenn man von den Bergen hier auf die Landschaft herunter schaut, sieht man erst einmal Autobahn, Autobahntunnel, Autobahnbrücken und viele, viel Gewächshäuser, kommt man näher ist ein großer Teil davon kaputt, verfallen oder es stehen vertrocknete Blumen darin. Klar haben die Bewohner hübschen Blumenschmuck in ihren Vorgärten, aber in den Innenstädten und auch in Strandnähe vermisst man Blumen.



Um ein Kap abzukürzen, geht es durch einen 2 km langen Tunnel, und der viele Asphalt schlaucht jetzt, in Bordighera muss man wie immer zum Schluss nochmals bergauf. Aber, es lohnt sich, Punkt sieben klingeln wir an der Villa Garnier, ein Ferienhaus der Josephsschwestern. Und es ist wirklich eine Villa, erbaut vom französischen Achitekten Charles Garnier, mit einem herrlichen Garten, den wir nach dem Abendessen im Schnelldurchlauf besichtigen. Mit zahlreichen Palmenarten und Pflanzen aus aller Welt. Suore Angela zeigt uns das hübsche moderne Zimmer und wir bekommen in einer halben Stunde Abendessen. 







 

Die Verständigung mit Englisch klappt hier nicht mehr. Wir werden jetzt wieder französisch lernen müssen, denn bei der nächsten Etappe geht’s hinüber nach Menton.
Aber bis dahin müssen Zähne, Rücken, Hüften, Füße gerichtet und gepflegt, Eindrücke und Erlebtes verarbeitet werden, wir gesund nach hause kommen und unsere gute Laune behalten
Bis dann !



Erkenntnis des Tages
Ligurien ist eine zweite Reise wert !“
 

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