Donnerstag, 5. September 2024

 04.09.2024 Prieur Notre Dame Bouchad – St. Gilles
 
Die Nacht verlief trotz Wärme ruhig und an den Fenstern war Gage angebracht gegen die unzähligen Mücken. Wir lassen Tür und Fenster geöffnet und schlafen relativ gut. Es ist ein Gästehaus des Klosters mit vielen Zimmern, von denen wohl kaum noch Gebrauch gemacht wird. Die ganze Anlage überhaupt wirkt recht ungepflegt, wahrscheinlich kann die Handvoll Mönche das alles nicht mehr stemmen, zumal die meisten schon recht alt sind. Beim spartanischen Frühstück treffen wir auch wieder Tristan, der mit seinem 20 kg Rucksack schon auf dem Sprung ist. Bruder Joseph, der laut website des Prioriats, Hotelier des Klosters, gibt uns die Pilgerstempel, wir entrichten unseren Obolus und auf geht’s. Zunächst an einer Platanenallee und wieder an Reisfeldern entlang. Mein Mann will sich unbedingt noch den Modellflieger-Platz, der hier in der Nähe sein soll, ansehen. 

 

 

Heute Morgen sind zwar keine Hobby-Modell-Flieger hier, aber die große Landebahn findet seine Bewunderung. Dass wir uns jetzt in der Camargue befinden, in der unter anderem das bekannte Camargue Salz abgebaut wird, beweist unter anderem die Heide mit den salzliebenden Quellerpflanzen, die wir jetzt überqueren. Schon eine beeindruckende Landschaft, zumal hier alles menschenleer ist. 

 


Salinequeller

Ab und zu nieselt es leicht und Wolken ziehen auf. Wir haben gute Laune und marschieren mit Wanderliedern aus dem Handy den Wald- und Wiesenweg entlang, lassen uns von einer von Weitem schon sichtbaren Schranke nicht abschrecken, bis und genau mal wieder gegenüber ein Pickup entgegen kommt und die beiden Ranger uns den Durchgang verweigern, der Stiere wegen. Für uns bedeutet das aber 5 bis 6 km Umweg, ich jammere meinem Mann die Ohren voll und die Guten haben wohl Mitleid mit ihm, beraten sich kurz und öffnen die Schranke mit der Geste, auf die  Ladefläche des Autos zu klettern, sie würden uns über die Weiden bis zum nächsten Sträßchen mitnehmen. Gesagt, getan, Abenteuer pur. Hinauf komme ich noch geklettert, aber wieder runter ? Wir suchen uns ein einigermaßen fallsicheres Plätzchen zwischen Futtereimern und Pelletsäcken auf der Ladefläche, und schon geht’s los. Obwohl die Männer wirklich vorsichtig die Schlaglöcher nehmen, spürt mein Mann seine Bandscheiben bei jedem Loch, und mich überfallen Schwärme von Moskitos und pieksen durchs schweißgetränkte Shirt hindurch. Bei der Fütterung der Stiere machen wir uns nützlich, in dem wir die Futtereimer von der Ladefläche herunter reichen. Irgendwann stehe wir dann am Gehöft des Farmers und dürfen absteigen. 

 


 




Mein Mann öffnet die Ladeklappe und beide Männer ziehen mich regelrecht vom Hänger. Geschafft ! Wir bedanken uns, Geld wollen sie nicht. Weiter geht es auf einem einsames Asphaltsträßchen. Und wieder gibt es weit und breit keine Einkehrmöglichkeit, nicht mal etwa zum Hinsetzen. So trotten wir Sträßchen für Sträßchen, wohl an Gehöften vorbei, die sind aber zugesperrt und wirken leer. Irgendwann entdeckt aber mein Mann ein Schild an einem Tor, das Pilger zu einer Pause einlädt, wir suchen uns also im Hof eines offensichtlich verlassenen Pferdegestütes ein paar saubere Stühle und pausieren. St. Gilles ist nicht mehr weit und wir lassen uns Zeit. Als wir nicht mal eine halbe Stunde wieder unterwegs sind, bemerken wir am Straßenrand ein Paar, das eine Decke auf einem großen Stein ausgebreitet hat, auf der Picknicksachen liegen, die Frau winkt mit einer Weinflasche und lädt uns ein, ich erkläre ihr, dass wir pilgern und statt Wein für Wasser dankbar wären. 

 


 

Jetzt müssen wir dem kanadischen Paar alles über den Pilgerweg erzählen. Und als wir im Gespräch vertieft sind, tauchen drei weitere Pilger auf. Einer von ihnen stammt wohl auch aus Vancouver und es entsteht über die Straße hinweg ein angeregtes Gespräch und viele Fotos werden gemacht. Wir lassen den Männern einen Vorsprung ehe wir folgen und spätestens jetzt, als mein Göttergatte die strammen Waden bewundert, ist er froh, dass wir heute nicht in der kommunalen Pilgerherberge sondern in eine privaten gebucht haben. Und die Unterkunft bei Florence ist ein wahrer Glücksgriff. 

 




Saubere Betten, Dusche und Toilette heute nur für uns. Florence kocht auch für ihre Gäste, Tarte, Quiche, gebackene Auberginen, Melone und Schinken und zum Dessert Ziegenkäse in Olivenöl mit Kräutern der Provence und Kaffee. Sie isst mit uns und es wird ein sehr angenehmer Abend, mit einem Kauderwelsch aus deutsch, englisch und französisch. Soweit wir verstehen ist sie Architektin und hat dieses alte Bauernhaus zu einer Pilgerherberge mit sieben Zimmern umgebaut, hat das ganze Jahr über Gäste und zeigt uns ihr Pilger-Gästebuch. Ich schreibe noch blog, sie geht zu Bett und  überlässt und Küche und Esszimmer, einfach so.  
 
 



 
Erkenntnis des Tages:  Was ein Pilgerweg so alles bereit hält-Stiere, Mücken, Gastfreundschaft.
 


 

 
 
 
 
 
 
 

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