Sonntag, 12. Mai 2024

 10. Mai 2024, Le Muy - Lorgues 



 
Nachdem Stress konnten wir lange nicht einschlafen und am Morgen weckt uns die SMS der Wirtin, das Frühstück sei fertig, wenn wir möchten. Nach einer etwas reservierten Begrüßung konnten wir uns dann aber noch gut unterhalten, man bot uns sogar noch Proviant für unterwegs an.  
Heute wollten wir strikt den Wegweisern folgen, denn die Ausschilderung hier ist 1a, theoretisch folgt man immer einer rot-weißen Markierung des GR 563 oder an den Lichtmasten sind in unsere Richtung die Muschel und in Richtung Rom die gekreuzten Schlüssel angebracht. Natürlich ist der ausgeschilderte Weg immer länger als Straße und heute geht’s fast 25 km an Weinbergen entlang, mal kleine Wäldchen oder an Grundstücken mit großen Villen lang, die von hohen Zäunen und stählernen Toren bewacht werden. Es ist heiß, sehr heiß, und das Asphalttreten auf den kleinen Sträßchen zwischen den Weinbergen in praller Sonne zehrt am Gemüt. Einkehrmöglichkeiten gibt es nicht und als unser Wasservorrat, obwohl wir uns heute gut eingedeckt haben, zur Neige geht, entdeckt mein Mann ein geöffnetes Tor und geht durch den Garten, um nach Wasser zu fragen. Eine kleine ältere Frau ist zunächst erschrocken, versteht aber schnell unser Anliegen, füllt meine Flasche auf und verlangt auch die meines Mannes, schüttet beherzt sein mittlerweile ziemlich warmes Restwasser in einen ihre Blumenkübel und auch er kriegt frisches Wasser. Außerdem dürfen wir uns im Schatten ausruhen. 

 




 

Wir erzählen Wohin und Woher und die kleine Frau staunt, sie erzählt, dass sie eigentlich aus Spanien kommt und schon 82 ist und ich zeige ihr die Pilgerpässe, irgendwo ganz auf den letzten Seiten kommen dann vielleicht auch mal spanische Stempel hinzu. Jetzt holt Juanita ihren Mann Claude noch dazu, er bringt Kaffee mit und als er merkt, dass wir Deutsche sind fragt er meinen Mann „ein Glas Bier ?“, das wir aber dankend ablehnen. Wir palabern noch ein bisschen, werfen ein paar Brocken spanisch mit ins Gespräch und bei der Verabschiedung kommt ein bißchen das spanische Temperament bei Juanita durch, sie hört gar nicht wieder auf, uns zu küssen. Ich glaube für die beiden war das mal eine ungewöhnliche Abwechslung.
Das sind wirklich tolle Begegnungen am Wegesrand und lassen manchmal trotz Frust über Asphalt, Hitze, kaum Schatten, keine Einkehrmöglichkeit das Pilgerherz höher hüpfen. Claude erklärt, dass es auf der Straße noch 4 km bis Lorgues wären, wir aber gehen konsequent nach Beschilderung, viel, viel mehr als nur 4 km und müssen jetzt immer öfters Pause machen. Schon kommen leise Zweifel auf, weshalb man das alles macht und ob ein richtiger Urlaub nicht doch schöner wäre. Da wir viele Schlenker entlang der Straße laufen, kommen wir heute nicht durch ein Industriegebiet nach Lorgues, wir sind im Prinzip gleich mittendrin, und suchen und suchen die Unterkunft. Ich will nur noch duschen, etwas trinken und Füße hoch legen. Als wir mit Hilfe einer Restaurantbesitzerin die Kaschemme finden, die im zweiten Stock eines alten renovierungsbedürftigem Haus liegt, frustet es mich wieder etwas.  
Lieb- und geschmacklos notdürftig renoviert, Schlafzimmer ohne Tür und Fenster und Bettzeug. Wieder kommen die Einmalbettlaken und Schlafsäcke zum Einsatz und ich nehme mir vor, bokking.com zu empfehle, das Zimmer aus dem Angebot heraus zu nehmen. Wir duschen ohne mit dem Duschvorhang in Berührung zu kommen und ich haue mich auf Bett. Der Stress, die späte Nacht und das gestrige Theater, die heutige Hitze und alles sitzen in  den Knochen und im Gemüt, sowas wie ein bißchen Pilgerkoller. Zweimal habe ich das verschwitzte Shirt wechseln müssen, ganze drei Mal ist ein Auto der Gendarmerie langsam an uns vorbei gefahren. Mein Mann geht noch einkaufen, kommt zurück und will mich zum Essen einladen, die Stadt ist wirklich schön, buntes Treiben herrsche in den vielen Restaurants und in einer Bar singt eine Sängerin französische Chansons. Aber mich kriegen heute keine zehn Pferde mehr die Treppe runter und geschweige denn wieder hoch. Zum Glück hat er sich eine Büchse Linsensuppe mitgebracht, die macht er sich warm, schaut sich das französische Supertalent an und verabreicht sich zum Dessert Voltaren und Fußgehwohlcreme.
Morgen solls mal eine kürzere Strecke werden.
 
 



Erkenntnis des Tages:  Man ist das heiß !
 
 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 


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