09. Mai 2024, Puget sur Argens – Le Muy
Männertag
Bitte bis zum Schluss lesen!
Die Nacht in der kommunalen Herberge war sehr ruhig. Die Matratzen schienen neu zu sein und waren sauber, außerdem haben wir Einmalbettlaken dabei.
Diese Herberge muss es bereits seit 2016 geben, denn die ältesten Einträge im Gästebuch sind aus diesem Jahr, viele sind es nicht, alle auf französisch, offensichtlich sind wir die ersten deutschen Pilger, die hier die Gastfreundschaft in Anspruch nehmen.
Heute Morgen haben die beiden Bars und Geschäfte in diesem kleinen Dorf wieder geöffnet und wir genießen unser petit dejeneur gleich auf der Terrasse in der Bar neben der Herberge. Danach ist man schnell aus dem Ort hinaus und es geht einen Feldweg Richtung Roquebrune sur Argens. Wir bestaunen das Massif les Maures, ein riesiges rotes Felsmassiv, das sich hinter den kleinen Weinbergen auftürmt.
Es geht auf breiten Feldwegen durch einen Pinienwald mit versteckten hübschen Gehöften und Villen. Mal überquert man die Autobahn, mal geht man darunter hindurch und bald ist auch der Zumbarhythmus verstummt. Bis jetzt ist der Weg gut ausgemuschelt, selbst von der weißen Hauswand einer Villa weisen uns eine Muschelfliese und ein gelber Pfeil die Richtung.
Irgendwann hört aber die Beschilderung auf und wir haben die Wahl, 7 km gut befahrene Straße zu nehmen oder einen 6km weiteren Umweg durch Wald und Wiesen. Straße ist für mich nicht drin, 6 km zusätzlich aber eigentlich auch nicht. Mein Göttergatte nötigt gogglemaps, findet einen Weg und es kommt wie es kommen muss, Pampa, hohes Gras, Unrat, Steine – Zoff. Als wir wieder an der D7 landen und einen komischen Platz überqueren mit großen LKWs und Mobilhomes und teuren Autos und herumirren, kommt eine hübsche gepflegte ältere Dame mit Goldkettchen und Glitzershirt aus einem der etwas versteckt liegenden Mobilhomes, erklärt mir, während mein Mann einen kleinen bellenden Hund abwehrt, dass es keinen anderen Weg nach Le Muy, unserem heutigen Ziel, gäbe und wir an der Straße entlang müssten, ich verstehe nur petit Trottoir und 1 km und ich überlege, warum die Frau hier draußen auf diesem komischen Platz lebt. Als wir schon fast auf der Straße sind, bemerke ich aus dem Augenwinkel, dass sie uns mit einer kleinen schwarzen Unterarmtasche zuwinkt, ihr Auto öffnet und andeutet, uns zu fahren. Schnell sind Rucksäcke und Wanderstöcke im Auto verstaut und sie fährt uns ca 3 km bis ins Zentrum von Le Muy, Geld will sie nicht. Beim Aussteigen frage ich schnell noch nach ihrem Namen und wir bedanken uns herzlich bei Chantal.
Unsere heutige Unterkunft soll wieder eine kommunale Herberge sein, die wir auch recht schnell finden. Und fast so schnell wie wir sie finden, suchen wir auch wieder das Weite. Haben wir doch schon viel Schmuddel und Schmutz und Gerümpel erlebt, aber solch eine Mischung aus Bruchbude und Geisterhaus ist uns noch nicht untergekommen. Dank Chantals Hilfsbereitschaft können wir und bei dem jetzt einsetzenden Regen in das Haus flüchten. Der Betreiber hat uns mitgeteilt, dass er so gegen 17.30 da sein wird. Die Herberge lädt am Eingang der Müllkippe mit einem großen Schild ein, folgt man dem Trampelpfand zum Haus, erblickt man nicht nur von Gras überwucherten Unrat, Schrott und allerlei Gerümpel, es umgibt einen auch ein widerlicher Geruch, ein Blick durchs Fenster ins Kücheninnere lässt uns zurückschrecken, man hat uns heute Übernachtung mit Halbpension angeboten. Die Küche ist zwar verschlossen, aber die beiden obersten Etagen, die von außen den Eindruck erwecken, dass seit Jahren niemand mehr hier lebt, und die man innen über eine Wendeltreppe erreicht, sind kathastrophal. Mein Mann steigt zuerst hinauf und prophezeit gleich, dass ich dort nicht duschen werden. Ich überzeuge mich selbst, könnte mich eventuell mit der Dusche noch zufrieden geben, aber nicht mit den Toiletten und diesen vielen gruseligen Zimmern und zusammengestoppelten Betten, alten Möbeln und schmutzigen Matratzen. Schon bevor wir das Innere dieses Gruselhauses besichtigten, schauten wir flüchtig auf booking nach, fanden aber weit und breit kein Hotel. Dennoch nehmen wir Reißaus, ich maile den Besitzer an, uns sei was dazwischengekommen und wir schaffen es heute nicht mehr. Obwohl wir nicht wissen, wo wir heute schlafen, fällt uns beiden ein Stein vom Herzen, überall, nur nicht dort.
Mein Mann hat in der Nähe einen Supermarkt ausgemacht, uns zieht es dorthin und noch im Gehen goggle ich und finde tatsächlich in 2 km Entfernung vom Zentrum ein Hotel mit angeblich noch zwei freien Zimmern. Jetzt geht alles ganz schnell, mein Mann bucht über sein Handy, ich versuche, ein Taxi zu erreichen. Da spricht mich ein Security des Supermarktes an und fragt etwas reserviert, ob er helfen kann. Wir machen bestimmt einen verwahrlosten und heruntergekommen Eindruck. Ich bitte ihn, ein Taxi zu bestellen, spreche aber offensichtlich das Wort falsch aus, so dass sich dann noch eine Kundin einmischt und vom Englischen ins Französische übersetzt. Letztendlich kommt noch ein zweiter Security hinzu, beide versuchen jetzt, ein Taxiunternehmen anzurufen, zwecklos, nur der Anrufbeantworter. Das ist den Jungs wohl auch zu blöd und man beschließt, der eine beschützt weiter den Supermarkt und der andere fährt uns zum soeben über booking .com gebuchten Hotel. Also wieder Sack und Pack im Auto verstaut. Das Hotel liegt ziemlich außerhalb und hinter einem Eisentor versteckt. Der junge Mann hilft uns noch beim Ausladen und ich checke immer Brille ja, Handy ja, Brustbeutel ja, wenn diese Sachen an der Frau sind, ist alles andere zweitrangig. Schnell ist das Auto wieder davon und wir stehen vor dem Eisentor. Bingo! Auch nach wiederholtem Klingeln tut sich nichts. Im Garten ist alles ruhig. Wir stehen mitten im Niemandsland, recht und links nur Straße und weitere Eisentore. Wir rufen an, und es nimmt auch tatsächlich jemand ab, der Besitzer allerdings erklärt, dass heute geschlossen sei, er wäre auch gar nicht vor Ort, dann gibt er das Telefon wohl seiner Frau, die etwas besser englisch kann und mein Mann gibt mir das Handy. Nun geht’s zur Sache, beide fallen wir uns gegenseitig ins Wort. Nachdem ich heraushöre, dass sie heute in Nizza seien, werde ich laut, lauter, am lautesten. Dann gibt sie nach, erklärt, dass sie jetzt losfahre und gegen 22.00 hier sei, gibt mir den Nummerncode fürs Tor und der stählerne Koloss öffnet sich. Wir betreten einen herrlichen Garten mit Pool, Sitzecke, Liegen und vielen Palmen und müssen hier noch gut 4 Stunden ausharren. Ich würd ja gern duschen, was trinken und blog schreiben. Theoretisch geht das alles, mein Mann holt den Restproviant aus dem Rucksack, deckt den Tisch und ich steige im Evaskostüm in den Pool, er drohnt und ich schreibe blog. Es ist ein bißchen wie im goldenen Käfig, hinaus können wir nicht mehr, das Tor ist zu und geht von Innen nicht zu öffnen, das Hotel ist zu und geht von außen nicht zu öffnen, wir überlegen schon, wie wir die Polstermöbel zusammen rücken, um eventuell im Freien zu Schlafen, denn Schlafsäcke hätten wir ja dabei. Alles scheint besser zu sein als das Gruselhaus. Habe ich letzte Nacht noch überlegt, dass es als Frau allein in der Gite in Puget schon etwas grenzwertig sei, hätte ich heute gleich Reißaus genommen. Wie kann man solch eine Bruchbude nur als Pilgerherberge verkaufen. Nach etwa einer Stunde öffnet sich das Tor und ein junger freundlicher Mann fährt ein, stellt sich als Neffe der Besitzer vor und schließt uns ein Zimmer auf, stellt das heiße Wasser an und bestellt auf meine Bitte hin eine Pizza. Als er bemerkt, dass wir kein Auto dabei haben und wir erklären, dass wir zu Fuß unterwegs sind, ist er sehr interessiert und wir verplappern uns etwas. Als die Pizza kommt ist wieder alles gut, dennoch war das ganz schön viel Aufregung und Abenteuer pur zum Männertag.
Erkenntnis des Tages: Ende gut, alles gut !?
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