Sonntag, 12. Mai 2024


11. Mai 2024, Lorgues – Abbaye du Thoronet 


Heute Morgen geht’s schnell aus den Federn, wir werden in der Stadt frühstücken. Die in der Wohnung verstreuten Sachen finden wieder in die Rucksäcke und mittlerweile entwickelt man ein System beim Rucksack packen. Mein Mann hat wirklich Recht, Lorgues ist eine hübsche Stadt, mit vielen Restaurants, Cafes, einer großen Kirche und wie es scheint ziemlich relaxten Menschen. Alles erinnert ein wenig an Italien, wo die Einheimischen auch schon morgens in den Straßencafes sitzen und ihre ersten Einkäufe erledigen. Ich brauche noch einen Pilgerstempel und wir machen uns auf den Weg zur Kirche, ferme, geschlossen, auch die Marie hat heute zum Samstag nicht geöffnet. 

 Da kommt mir die Idee, unsere Pässe in dem Cafe, in dem wir unseren Cappuccino trinken, abstempeln zu lassen. Der Wirt ist ein bisschen grantig, versteht aber, was ich will und zack abgestempelt. Nun mag man sich vielleicht fragen, weshalb wir soviel Wert darauf legen, es ist halt ein Nachweis zu den Orten, die wir aller durchwandert sind und wo wir geschlafen haben und seit Rom haben sich da eben schon viele Unterkünfte angesammelt.
Nach dem Kaffee verlassen wir Lorgues und sind schnell  wieder auf solch einem kleinen Asphaltsträßchen. Der mittäglichen Hitze wollen wir heute etwas entgehen, deshalb wird auch nicht lange herumgetrödelt. 



Eigentlich ähnelt der Weg dem gestrigen, außer dass man heute nicht mehr an soviel Weinbergen entlang wandert. Ein Mann vor seinem Haus verwickelt uns in einen kleinen Plausch, erklärt, dass es bis zur Abbaye 11 km seien und letzte Woche ein belgischer Pilger hier entlang gekommen sei. Mit den 11 km wird er sich täuschen. Es werden doppelt soviel. Man darf halt diese Aussagen der Einheimischen zur Entfernung nicht so ernst nehmen, denn oftmals legen sie die Strecken mit dem Auto zurück und nicht zu Fuß und der Wanderweg ist fast immer länger als die Straße. Als wir unsere erste Pause machen, setzen wir uns vor eine dieser großen Anlagen mit hohem Zaun und stählernem Tor, weil hier ein paar Steine liegen, auf die man sich setzen kann, denn an Sitzgelegenheiten mangelt es weit und breit. Plötzlich kommt eine junger Frau aus entgegengesetzter Richtung zu Fuß, spricht uns an und als ich nur das Wort Pelerin ausspreche, muss sie bereits erkannt haben, dass wir Deutsche sind. Isabell ist aus Deutschland und hat hier ein Ferienhaus. Wie unterhalten uns angeregt, sie erzählt, dass wohl öfters Pilger hier entlang kämen und sie schon überlegt hat, hier eine kleine Würstchenbude aufzumachen, worauf ich auf die Marktlücke Wasser- und Stempelstelle hinweise. Auch erzählt sie, das letztens ein Pilger, der echt nicht mehr konnte, beim Nachbarn geklingelt hätte, woraufhin dieser wohl sein Gästezimmer zur Verfügung stellte und für den Armen gekocht hat. Ich erzähle wiederum von der manchmal verzweifelten Zimmersuche hier in der Nähe, weil erstens zu teuer und zweitens man oftmals für nur eine Nacht gar keine Chance hat und abgewiesen wird. Die Siedlungen hier nennt man Quartier und Isabell beschließt, in der nächsten Woche bei der Quartierversammlung die Problematik mal anzusprechen und die Ferienhausvermieter zu sensibilisieren, einfach auch Pilgerzimmer anzubieten. Dann verbschiedet sie sich und geht genau in das Haus, vor dem wir sitzen.
Wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich sicherheitshalber meine Flasche gleich wieder auffüllen lassen und während ich noch überlege, doch zu klingeln und mein Mann laut vom Lottogewinn träumt, um sich auch solch ein Haus in der Provence kaufen zu können, in dem uns die Kinder immer besuchen können, kommt eine Frau die Einfahrt herunter, meint, dass für einen Kaffee allemal noch Zeit ist, der Frühstückstisch sei noch gedeckt und wir könnte auch den Pool benutzen. Bis auf die Poolbenutzung nehmen wir Brunhildes und Ulis Einladung, das sind Isabells Eltern aus Hamburg, die im Urlaub hier sind, dankend an.  


Also folgen wir auf die Terrasse, kriegen Kaffee, Wasser, dürfen uns am Frühstückstisch bedienen und unsere Wasservorräte auffüllen. Wir bleiben lange, zu lange, schweben auf einer Wellenlänge, reden übers Pilgern, über Nepal, über Gott und die Welt, über eine fehlende Stempelstelle und zeigen auf ihren Wunsch hin unsere Pilgerpässe, sie erkennen am letzten Stempel von heute Morgen, dass wir genau in ihrer Lieblingsbrasserie waren, dann tauschen wir Handynummern aus und machen gegenseitig Fotos. Von wegen heute der Mittaghitze entkommen, weit nach 12 reißen wir uns endlich los. Diese Begegnung war einfach schön und wir zehren den ganzen langen Weg bis zur Abbaye davon. Asphalt und Hitze haben uns wieder und keine Einkehrmöglichkeit. Man kommt einfach nicht mehr durch belebte Orte. In einem Weiler flüchten wir in ein Bushäuschen und ich klingle wegen Wasser. Sonnencreme und Wasser sind heute wichtig.

 


Die Abbaye du Thoronet ist ein ehemaliges Zisterzienserkloster, heute ein bekanntes Ausflugsziel, und liegt versteckt mitten im Wald. Das Kloster der Schwestern von Bethlehem liegt noch etwas versteckter. Am Eingang nimmt uns die freundliche polnische Schwester Annuncia in Empfang und wir kauderwelschen, wie mein Mann später feststellt, in fünf Sprachen, ein paar Brocken polnisch und französisch, ab und zu mal englisch, das sie aber nicht spricht, ein paar Brocken deutsch und einigen uns schließlich auf russisch, das wir alle drei noch in der Schule gelernt haben. 

 


Dieses Kloster liegt ziemlich versteckt, ist aber eine Oase. 

 Wir kriegen in einer Art Gästehaus unser kleines einfaches Zimmer mit Bad und Balkon. Annuncia zeigt uns die Küche, die Pilger essen hier anders als in Italien, nicht mit den Schwestern gemeinsam, aber der palästinensische Koch hat für uns Essen vorbereitet, wir machen uns in der Mikrowelle Suppe und Tarte warm und kochen uns Kaffee, dazu hat er Schokoladenkuchen gebacken. 

 








Andere Gäste sind nicht da. Es gibt endlich große Handwäsche und alles trocknet wunderbar auf der Terrasse vor unserem Zimmer. Das ganze erinnert mich ein bißchen an Santa Croce in Assisi, gastfreundlich, schlicht und einfach und sauber.
Und sage und schreibe, alles auf Spendenbasis. Es herrscht eine wunderbare Ruhe hier draußen und lässt Staub und Straße und Hitze und Schweiß und Stress und Frust schnell vergessen. 




 
Erkenntnis des Tages: Manchmal braucht man Pilgerengel !
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen