Samstag, 13. Mai 2023

 03. Mai 2023, Menton – Laghet


Obwohl heute laut Wanderführer 25 km, fast 1000 m im Auf-und 700 im Abstieg vor uns stehen, lassen wir es ruhig angehen. Die Sonne lacht, es bleibt warm und trocken. Der Schwierigkeitsgrad wird schwer und die Kondition mit fünf von sechs Punkten eingestuft.

Das Hotelfrühstück ist kein le petit dejeneur, sondern man kann hier richtig frühstücken. Im Hotel wollte ich mir keine Stempel geben lassen, habe aber in Frankreich auf der Via Francigena die Erfahrung gemacht, dass man im Touristenbüro oder der Mairie, dem Rathaus, oftmals Pilgern sehr zuvorkommend und hilfsbereit begegnete. Das versuchen wir hier auch. Die sehr gepflegte Angestellte im Rathaus von Menton wirkt allerdings ziemlich reserviert und will uns zur Polizei schicken. Als ich ihr die Pilgerpässe vor die Nase halte, versteht sie unser Anliegen und stempelt etwas lieblos irgendetwas hinein ohne die Dokumente zu berühren. Wahrscheinlich ist man hier feineres Klientel gewöhnt.

Zunächst geht es wieder Strandpromenade entlang und ein Hotel, eine Strandbar, ein Strandcafe reiht sich an das andere. Dieser Küstenabschnitt macht seinen Namen alle Ehre, das Wasser ist tatsächlich azurblau. Man kann sich gar nicht richtig satt sehen.

Dann hat es der Weg aber in sich, wir durchqueren das Cap Martin und müssen hinauf, denn ab hier gibt’s nur Steilküste. In den Ort Roquebrune-Cap-Martin geht’s mittels Treppen, Treppen, Treppen hinauf. Belohnt wird man dann mit einem überwältigenden Blick aufs Mittelmeer, die Cote Azur und bereits auf Monaco. 



Wir kehren in eine kleine Bar ein und löschen unseren Durst, es wird wieder unheimlich warm und es gibt kaum Schatten. Essen kann uns der Wirt nicht anbieten, denn der Strom ist ausgefallen. Nachdem wir die Rechnung für unser Radler begleichen, sind wir darüber eigentlich auch froh.

Es geht immer weiter in die Höhe und noch sind wir frohen Mutes. Die Wegbeschreibung des Wanderführers ist allerdings nicht mehr aktuell und man muss improvisieren. Um einen sehr weiten Höhenweg zu umgehen, nehmen wir ein Sträßchen, können direkt aufs Fürstentum hinunterschauen und verspüren überhaupt keinen Drang, Monaco einen Besuch abzustatten. 






In einem kleinen fast ausgestorbenen Dorf lassen wir uns von einem netten Bewohner die Wasserflasche füllen und laufen erst mal fest entschlossen weiter, bis La Turbie, dem nächsten größeren Ort in den Bergen sind es noch vier km, und von dort nochmal fünf bis zum Sanctuaire Notre Dame Laghet, unserem heutigen Ziel.

Diese Straße ist aber viel zu gefährlich, zu steil, zu kurvig, zu verkehrsreich. Da ist guter Rat teuer. Wir googeln, es gibt keinen Bus hier oben. Nach Monaco absteigen und von dort versuchen, ins Kloster hinauf zu fahren würde viel zu viel Zeit in Anspruch nehmen.

Obgleich uns klar war, dass niemand anhält, versuche ich es mit Daumen raus und trampen. Nach 30 Minuten geben wir auf und laufen völlig planlos in das verlassene Dorf zurück.

Und hier behauptet sich mal wieder das Pilgersprichwort „Der Weg sorgt für Dich „ . Wir beobachten gerade zwei Arbeiter, die ihr Handwerkszeug in einen kleinen Transporter packen. Mir nichts, dir nichts, texte ich die beiden zu in einem Kauderwelsch aus allen Sprachen, die ich kenne. Allerdings ist ihr Ziel nicht La Turbie, die beiden wohnen in Menton und wollen gerade Feierabend machen. Zu dumm, da kommen wir her. Man sieht uns wohl die Verzweiflung an und als mein Mann sich nach einem Bus erkundigt, scheint beiden erstmals klar zu werden, dass es hier oben gar keine Bushaltestelle gibt. Plötzlich öffnet der kleinere von ihnen die Hecktüren und deutet an, unsere Rucksäcke hinein zu werfen, so schnell hatte ich noch nie meinen Rucksack abgeschnallt. Bevor der nette Mann es sich anders überlegt, mache ich mir schnell Platz im Fahrerhaus und husche hinein, kuschle mich an den Fahrer und mein Göttergatte kuschelt sich an mich. Dem zweiten Mann rufe ich noch schnell zu, wie er jetzt nach Hause käme, denn der hat keinen Platz mehr im Auto. Er ginge zu Fuß, antwortet der Gute und irgendwo wird ihn der Kumpel wieder aufgabeln.

Dem Fahrer erkläre ich schnell, dass wir eigentlich Pilger auf dem Weg nach Santiago sind, worauf er das Fenster herunter kurbelt und seinem Freund noch zuruft, dass seine Fracht Jakobspilger seien.

Auf den vier km bis La Turbie schließen wir schnell Freundschaft mit dem italienischen Gärtner Alessandro. In Santiago de Compostela hat er ein Haus, und eins in Monaco, Nizza und Menton.

Die Frage, ob er auch eines in Deutschland besäße, verneint er, da wärs ihm zu kalt. Recht hat er. Außerdem berichtet er uns, dass er die Platanen, die die Straße zum Kloster Laghet säumen, gepflanzt hat, dass es ab La Turbie wieder bergab ginge und das Kloster sehr schön wäre. Alessandro fährt uns bis ins Zentrum von La Turbie und erklärt uns noch die Route. Als mein Mann das Portmonai zückt, wehrt der nette Gärtner ab, dafür gibt’s dann eine herzliche Umarmung und er wünscht uns Pace e Bene, dem Franziskusgruß Friede und Gesundheit.

Man, war das ein Stress und ein unheimliches Glück.

Auf den restlichen km bis ins Kloster sinkt der Adrenalinspiegel ganz langsam und wir sind den beiden Männern unendlich dankbar. Leider vergessen wir vor lauter Aufregung ein Foto zu machen.


Der Weg ist tatsächlich mit großen Platanen gesäumt und schnell marschiert. Der Parkplatz leert sich und die letzten Tagesgäste verlassen gerade das Heiligtum. Die Souvenirstände und das Magazin sind noch geöffnet und es handelt sich hier um ein recht großes Kloster mit großem Gästehaus. Ähnlich wie in Altgöttingen sind die Wände geschmückt mit Dankesbildern.



Begrüßt werden wir von der Benediktinerin Schwester Marie Damian, sie spricht ein wenig deutsch und zeigt uns das Zimmer, den Speisesaal, der Pilgerpass wird eingesehen und abgestempelt und wir erfahren die Essenszeiten. 








Das ist der übliche Ablauf. Das Zimmer ist einfach mit eigenem Bad. In dem großen Speisesaal sind wir heute Abend fünf Gäste. Es gibt in Kochschinken eingewickelte und mit Käse überbackene Zucchini mit Nudeln und zuvor eine grüne Suppe. Den Pudding lasse ich stehen. Nebenan speist eine Schulklasse und ab und zu gibt’s vom Koch einen lauten Pfiff, dann herrscht eine halbe Minute Ruhe. Das macht uns aber alles nichts aus, wir hatten heute schon soviel Pilgerglück, dass wir alles dankbar annehmen, was geboten wird. Es ist noch lange hell, wird dann aber sobald die Sonne weg ist, recht kühl. Und welch eine Überraschung, die Heizung funktioniert und wir fallen müde und kaputt in die Betten.



Erkenntnis des Tages:  Der Weg sorgt für Dich !





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