04. Mai 2023, Laghet-Aspremont-Castagniers
Nach geruhsamer Nacht frühstücken wir im großen Speisesaal ganz allein. Es herrscht noch Ruhe im Kloster und auf dem Gelände umher, die Souvenirläden haben noch geschlossen, der Klosterhof liegt noch verlassen da. Mein Mann will noch einen Drohnenflug versuchen und ich genieße die Ruhe, um all die vielen selbst gemalten und gestalteten Bilder in der Galerie zu bestaunen, an die 4000 Bilder sollen hier Danke sagen, das älteste ist von 1850 herum.
Wir lassen es ruhig angehen, obwohl auch heute der Weg mit schwer und knapp 1000 m bergauf und 650 m bergab eingestuft wird.
Es geht zunächst auf einem schattigen Waldweg entlang, an den Bäumen hängen große blau-gelb angemalte Muschelschalen als Wegweiser, außerdem gibt es eine rot-weiß-Markierung.
Bald hat der Waldweg ein Ende und es geht auf steinigem Pfad flott bergauf. Die Vegetation besteht hier oben aus vertrockneten Pinien und vereinzelten Olivenbäumen. Gegenüber auf der anderen Hangseite rauscht der Verkehr. Nach einigen km geht es genauso steinig bergab und es wird heiß. Die Gegend um Nizza, Monaco, Cannes ist bis hinauf in die Berge urbanisiert, jeder will hier vom Kuchenstück etwas abhaben, so geht die Bebauung weit hinauf. Das bedeutet für den Wandersmann, sobald bergab die ersten Häuser erreicht sind, Asphalttreten, schattenlos, ohne Einkehrmöglichkeiten. Für drei km Asphaltsträßchen benötigen wir bergab unendlich lange, wohl wissend, dass ein langes Berg-ab am Ende des Tages auch wieder ein langes Berg-auf bedeutet. In Drap, einem wenig einladend wirkenden Städtchen brennen die Fußsohlen, die Kehlen sind ausgetrocknet und die gute Laune im Keller. Hinzu kommt dieser Verkehr, der Lärm und der Gestank der Abgase, womit die Motorroller hier tanken, erschließt sich uns nicht.
Auch mein Mann, sonst hart im Nehmen, checkt Bus- und Zugverbindungen. Mir ist jetzt alles zu laut und viel zu hektisch. Wir müssten in diesem Tal mit dem Bus nach Nizza und von dort mit einem anderen Bus ins nächste Tal hinauf. Ich will nicht und ich kann nicht. Heute nicht. Ich will nicht in einer lauten Metropole einen Busbahnhof suchen und hetzen. Als wir in einer Bar nach einer Verbindung nach Aspremont fragen, nimmt uns die englisch sprechende Barfrau die Entscheidung ab und bestellt kurzerhand ein Taxi. Da unsere heutige Unterkunft bei den Zisterzienser Schwestern in Castagniers ausgesprochen preiswert ist, liegt alles noch im Budget und in 30 min hat uns ein Taxi über viele Kreisel und noch mehr Kurven bis an die Peripherie Nizzas und wieder hinauf bis nach Aspremont gebracht. Meinem Mann ist das auch ganz recht, kann er sich jetzt mal einen Tesla von innen betrachten, außer einem großen Display gibt’s da aber nicht viel zu sehen.
Aspremont ist dann wieder so ein typisches französisches Dörfchen, mit eine Kirche im Zentrum, eine Mairie, der zentralen Bar und einem Coiffeur, sauber und freundlich. Bis zum Kloster Castagniers sind etwa noch vier km zurück zu legen, da ist das schlechte Gewissen dann nicht allzu schlecht. Manchmal ist es wie verhext, da herrscht nicht mal 10 km entfernt solch ein Lärm und Gestank, solch eine Hektik und Lautstärke, und hier die Stille, Ruhe und viel Grün. Das Kloster ist auf einem von großen Koniferen gesäumten Schotterweg schnell erreicht und liegt in einer kleinen grünen Senke. Die Zisterzienserinnen betreiben eine Schokoladenmanufaktur und Schwester Odile begrüßt uns im klösterlichen Schokoladengeschäft. Die Formalitäten sind schnell erledigt. Sie zeigt uns das einfache aber saubere Zimmer, Duschen und Toiletten sind übern Flur und wir scheinen mal wieder in diesem großen Haus allein zu sein. Obwohl die Möbel und Einrichtung sehr alt sind, ist alles in einem picobello sauberem Zustand, auch die alten Sanitäranlagen, hier kann man getrost auch mal mit dem Duschvorhang in Berührung kommen.
Wir genießen die letzten Sonnenstrahlen im Garten, wo es viele kleine Ruhenischen gibt, und trocknen die Haare.
Mann, war das wieder einer Achterbahn heute.
Das Abendessen gestaltet sich hier etwas anders, es gibt für Gäste eine kleine saubere Küche mit Kühlschrank samt Inhalt fürs le petit dejeneur, ein Regal mit Geschirr und eine kleine Spüle. Das Essen schiebt Odile in einem fahrbaren Warmhalteofen in den Flur und verschwindet wieder. Die Gäste sind fürs Tischdecken, Servieren und für den Abwasch selbst zuständig. Mit uns sind noch zwei Französinnen zu Gast, die aber wenig Interesse an uns haben und zur Messe schnell wieder verschwinden. Es gibt wieder grüne Suppe, als Hauptgericht Ravioli und als Dessert Quarkspeise. Als wir bereits mit dem Abwasch fertig sind, erscheint noch ein junger Mann, er hat verschlafen und muss jetzt allein essen.
Wir hinterlassen die Küche sauber und fallen mal wieder zufrieden in die kleinen Klosterbetten.
Erkenntnis des Tages: Mut zur Lücke – lieber E-Auto fahren statt zu Fuß nie anzukommen.
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