Posto Tappa
Santhia Ü 10,- p.P.
Gestern Abend sind wir in die von Angelo empfohlene Spaghetteria
mit unseren 10,- Euro-Gutscheinen. Klar,
dass man da nicht sehr freundlich begrüßt wird. So bekommen wir ein Menü
bestehend aus Nudeln mit Tomatensoße und Hühnchen mit Salat Wein, Wasser und Kaffee.
Um 21.00 Uhr fallen wir dann in die Betten. Da wir allein in
der Herberge sind, räumen wir kurz um und stellen zwei Doppelstockbetten
nebeneinander, in die beiden unteren legen wir uns dann und können uns so mit
zwei Schlafsäcken zudecken. Es ist sehr kalt in den Gemäuern. Das schreibe ich
dann auch ins Gästebuch.
Trotzdem schlafen wir gut und um fünf stehen wir auf. Die
Vögel zwitschern schon, es ist aber noch recht dunkel. Am Morgen bringen wir
das Inventar wieder in den Ursprungszustand, dabei entdecken wir auch einen
Ventilator und viele Dosen Mückenspray, also muss es hier im Sommer tatsächlich
sehr heiß und blutig zugehen.
Wir werfen 20,-Euro in die Donation-Box, denn 10,- Euro
Spende pro Person sollten es doch bitteschön mindesten sein, sagt eine
Aufschrift.
Um 6.10 Uhr verlassen wir Santhia Richtung San Germano
Vercellese. Das „Schlüssel-Café“ öffnet erst weiter um acht, zu spät für uns, da doch 28,6 km bis
Vercelli zu erlaufen sind.
Wir gehen so früh am Morgen auf der SS143, der Verkehr ist
noch verträglich zumal mehr Autos Richtung Vercelli unterwegs sind. Rechts und
links große Seen, geflutete Reisfelder. Als dazwischen ein Schnellzug
auszumachen ist, sagt mein Mann: „Schau
mal, wenn wir erst da drinnen sitzen, haben wir es geschafft.“
Nach 7 km haben wir gegen halb acht San Germano Vercellese
erreicht, versorgen uns in der Alimentari mit einigen Lebensmitteln, denn auf
den bevorstehenden 20 km kommt keine Ortschaft mehr.
Vor dem Lebensmittelladen spricht uns eine ältere Señora an,
wir verstehen sie leider nicht, outen uns als deutsche Pilger nach Rom und sie
kichert und klopft meinem Mann auf die Schultern.
Der Ort ist klein, wenig einladend, mit Kirche, Piazza und
Bar. Wie immer.
In der Bar frühstücken wir und machen uns nach einer Stunde
auf den Weg. Noch 19,9 km bis Vercelli durch die Reisfelder liegen vor uns, die
aber sind total überflutet und die Dämme, auf denen normalerweise der
pilgergeschützte Weg verlaufen sollte, ist ebenfalls geflutete oder sehr
matschig.
Einige Autofahrerinnen hupen und winken lächelnd, also ist
es doch ein Gruß für Pilger.
Ansonsten scheint die Spezies Pilger hier nichts Neus mehr
zu sein, leuchtet doch von jeder Straßenlaterne ein kleiner Wegweiser.
Es bleibt uns gar nichts weiter übrig als die Straße zu
nehmen. Der Seitenstreifen ist breit genug, nur bei entgegenkommenden LkWs wird
es etwas gefährlich. So kommen wir recht schnell voran und als es nur noch 7 km
bis Vercelli sind, hört dieser Seitenstreifen auf. Jetzt wird es wirklich
gefährlich. Wir müssen runter von der Schnellstraße, gehen zwei Kilometer bis
zu dem kleinen Örtchen Montonero, in dem es übrigens eine sehr nette kleine
Trattoria gibt und auch eine Wasserstelle für Pilger.
Von hier aus müssen wir wohl oder übel einen Damm zwischen
den Feldern begehen, die Wirtsleute können uns aber nicht sagen ob der Weg unter
Wasser steht, es wäre fatal fünf km umsonst zu laufen. Vor uns können wir
frische Spuren ausmachen, es muss also heute schon jemand hier lang marschiert
sein, ich kann aber weit und breit keinen anderen Pilger sehen. Wie fast immer
sind wir mal wieder allein unterwegs.
Mittlerweiler ist es auch sehr heiß geworden und aufgrund
des vielen Wassers um uns herum auch mächtig schwül.
Es ist schon beängstigend, so zwischen den noch unter Wasser
stehenden Reisfeldern entlang zu wandern und zu wissen, irgendwo kann es
einfach nicht mehr weiter gehen.
Es dauert noch sehr lange bis wir so endlich den südlichen
Stadtrand von Vercelli erreichen, und es dauert fast nochmal genau so lang bis
wir die Wohngebiete bis zum Convent Biliemme durchschritten haben. Das ist
unser heutiges Ziel.
Schleichend erreichen wir 15.10 Uhr das Convent am süd-östlichen
Ende der Stadt.
Wir klingeln und rasseln an der Gegensprechanlage unsren
Spruch „siamo tedesci Pellegrini“ herunter.
Eine resolute Frauenstimme erklingt und der Türsummer geht.
Hinter der Tür stapeln sich Tüten mit Wäsche. Langsam steigen
wir eine gekachelte Treppe hinauf und stehen in einem langen Korridor. Eine kleine korpulente und sehr ungepflegte
Frau lässt einen Schwall von Worten auf uns herniederprasseln, wir verstehen
erst mal gar nichts bis schließlich die Putzfrau herzueilt und auf ihren
Ringfinger deutet, ah , man will wissen, ob wir verheiratet sind.
Meinen Ehering habe ich in den Achtzigern in einem Waschraum
eines Campingplatzes im Riesengebirge liegen lassen, seit dem trägt mein Mann
auch keinen mehr, also erklären wir mit
ebenso einem Wortschwall, dass wir, wie es sich gehört einander angetraut sind
und dass seit mehreren Jahrzehnten. Angela, so heißt die Chefin, und die Putzfrau wollen es uns
mal glauben und wir bekommen Zimmer Nr. 5 mit einem Doppelbett. Ein sehr einfaches
Zimmer. Schlafsack und Handtuch muss man selbst mitbringen.
Angela ist eine Marke für sich, ihr Alter ist schwer zu
schätzen, was einem zuerst auffällt sind ihre ganz, ganz, ganz, ganz dicken
Brillengläser, sie hat einen ungepflegten Wuschelkopf, einen Damenbart und fast
keine Zähne, trägt eine dunklen Jogginganzug mit viel zu langen Ärmeln und hat
hier alle im Griff, uns auch. Sie bittet uns in ihr spartanisches Büro, Personalausweis
und Pilgerpass sind mitzubringen. Weil sie so schlecht sieht, buchstabiere ich
ihr unsere Geburtsorte.
Weil sie so schlecht sieht, landet der Stempel statt im
Pilgerpass dann zum Teil auf dem Tisch.
Nicht schlimm. Aber die 10,- Euro pro Person sind bitteschön gleich zu entrichten.
Auf das obligatorische Foto lässt sie sich
auch mit viel Bitten und Betteln nicht ein, wir sollen die Putzfrau dazu
nehmen. Schade.
Wann wir frühstücken möchten, will sie wissen. Als wir 7.00
Uhr auf einen Zettel schreiben, schlägt sie beide Hände über dem Kopf zusammen
und bietet und 7.30 Uhr an, ist auch okay. Danach geht es zur Toiletten-
und Duschbesichtigung, die Putzfrau gangauf, gangab immer mit dabei.
Ah, rauchen ist natürlich verboten und um neun ist
Umschluss, da hat man im Hause zu sein.
Erst nach der Hausführung erschließ sich mir der Sinn des
Conventes und auch der Tüten am Eingang, dann auf den langen Fluren steht, auf
Deutsch gesagt, Gerümpel.
Vom Flur aus kann man in offene Zimmer sehen, darin wohnen
alte Leute, offensichtlich ist es eine Heimstatt für Bedürftige und Angela
herrscht über ihr Wohlsein und das der Pilger.
Die Duschen sind sauber
und nach dem Frischmachen wollen wir Vercelli erkunden.
Bis zur Kathedrale ist es zu weit. Vercelli, die
Reishauptstadt Europas, ist nicht besonders schön, viel Schmutz, viel Verkehr,
keine Gelateria.
Jetzt sitzen wir in einem kleinen Zimmer im Convent, das
Mobiliar aus Spenden zusammen gestückelt und über mir hängt ein Foto von Padre
Pio. Die anderen Heiligen kenne ich nicht.
Draußen stürmt ein mächtiges Gewitter und morgen geht es
nach Robbio.
Erkenntnis des Tages: Wärme
braucht der Mensch.
Posto Tappa
rechts und links Reisfelder
und hier sollte man nicht von der Straße abkommen
Hallo Pilger,
AntwortenLöschenich kann mich noch gut an die Strecke zwischen Santhia und Vercelli erinnern. Der Marsch die Straße entlang ist wirklich lebensgefährlich, aber durch die Reisfelder zu gehen ist ein großes Risiko, dass man irgendwann vor einem unüberwindlichen Wassergraben steht. Im Juni waren die Blutsauger(Stechmücken)trotz der angezogenen Regenjacke mit übergestülpter Kapuze nicht auszuhalten.
Aber ihr habt es ja geschafft. Ich habe im Seminario in der Nähe des Domes übernachtet, war sehr gut.
Ihr seid ja hart im nehmen.
Hermannus Brennerus
aus Gersbach