Tag 18, 30.04.2019, von Arma di Taggia nach Bordighera
25
km, viel Asphalt
Casa
Taggiasco in Arma di Taggia Spende in der Kirche
Villa
Garnier in Bordighera Spende
Genügend
zum Frühstück haben wir ja und auch reichlich Proviant für
unterwegs. Signora Taggiasco verabschiedet sich herzlich von uns. Ich
habe ihr ein paar Zeilen auf italienisch geschrieben und die Oferta
dazu gelegt. Wieder will sie das Geld nicht. Wir sollen es der Kirche
spenden. In Taggia gibt’s aber viele Kirchen, zu San Giacomo sollen
wir gehen, einige Straßen weiter, es sei eine große Kirche, wir
könnten sie gar nicht verfehlen. Gesagt, getan, wir marschieren los,
finden auch die Kirche, mein Mann meint, ich solle das Geld in die
Spendenbox am Kircheneingang werfen. Er würde das fotografieren und
per WhatsApp an Egli Taggiasco mailen. Ist mir nicht so recht, ich
will´s persönlich übergeben und wenn schon, denn schon einen
Stempel in den Pilgerpass. In der Kirche läuft aber gerade Messe.
Mein Mann wartet draußen, seit einigen Tagen ist das mit seinem
Rücken immer schlimmer geworden, er kann den Rucksack nicht abnehmen
und sich in eine Kirchenbank setzen. Ich will mich aber auch nicht
allzu lange aufhalten, denn es sollen wieder viele km werden. Und wie
ich so in der letzten Reihe sitze und noch überlege, wie ich
möglichst schnell die Spende an den Richtigen übergebe und zudem
einen Stempel bekommen, entdecke ich hinter mir einen beleuchteten
Beichtstuhl. Also müsste da ja jemand drinnen sitzen. Als ein
Beichtender heraus kommt, die Muschel am Rucksack entdeckt und fragt:
„Santiago ?“ und lächelt, fasse ich all meinen Mut zusammen. Ich
war noch nie in meinem Leben in einem Beichtstuhl. Ich schnappe mir
die Pilgerpässe, das Geld steckt in der Hosentasche, schaue mich
nochmal in der Kirche um, die Menschen beachten mich nicht. Ich
drücke also ganz vorsichtig die Klinke herunter und betrete die
linke Seite. Die Zwischenwand ist aber nicht mit Gittern abgetrennt,
sondern das Fensterchen ist völlig geöffnet und auf der anderen
Seite sitzt ein hübsche junger Priester, die Augen nach unten
gerichtet. Als ich ihn anspreche, schaut er mich an, ich halte ihm
die Pilgerpässe unter die Nase und er bittet um fünf Minuten.
Geduldig warte ich in der Kirchenbank und er nimmt mich tatsächlich
nach fünf Minuten in die Sakristei mit, hier bekomme ich, während
vorne die Messe läuft, meine Stempel. Ich erkläre ihm domire
(schlafen) und mangare (essen) bei Signora Taggiasco, und dass wir
die Oferta in seine Kirche bringen sollten. Er kennt Egli Taggiasco
und weigert sich aber ebenso vehement, das Geld anzunehmen wie unsere
Gastgeberin. Mir bleibt jetzt nichts anderes übrig, als unsere
Spende in die Donationbox am Eingang zu stecken.
Als
ich aus der Kirche trete, sage ich zu meinem Mann :“Schatz, ich
muss dir was beichten.“ Dazu komme ich aber nicht, denn wieder
fährt plötzlich ein Stromschlag, wie er es nennt, durch den Rücken,
er zuckt so schnell zusammen, dass sogar eine Passantin besorgt
stehen bleibt. Ich muss unbedingt Magnesium besorgen. Dass mit den
Zahnkronen ist für ihn ein Klacks, dass mit dem Rücken ist
schrecklich, noch ein paar Tage pilgern wären nicht drin. Abends
lässt er lange heißes Wasser über den Rücken laufen. Wenn er dann
Fotos einliest, kann er nicht einmal mehr die Maus bewegen, weil er
Angst hat, dass bei jeder falschen Bewegung wieder solch ein
Stromschlag durch den Rücken zischt.
Ein
paar Sekunden später geht es dann wieder. Sobald er den Rucksack
trägt, kann er kilometerweit laufen, sobald wir Pause machen, ist er
wie gelähmt.
Der
Weg verläuft heute über das auf einem Hügel liegende Bussana
Vecchia. Ein ganz besonderes Dorf, das Ende des 19. Jahrhunderts von
einem Erdbeben in Teilen zerstört wurde, nach dem 2. Weltkrieg haben
es dann wohl italienische Wanderarbeiter als Unterkunft genutzt und
seit dem 60 er Jahren hat sich eine Künstlerkolonie dort
angesiedelt, die wohnen eher illegal dort oben, sind aber geduldet.
Es
geht bergauf und bereits am Ortseingang wird man mit
Free-Tibet-Aufklebern an Mauern und Masten begrüßt. Alles ist bunt
bemalt und am Straßenrand liegen rot bemalte Steinherzen.
Uns
kommen zwei Bewohner in Flip Flops entgegen, stellen sich als George
und Frank aus Frankreich vor und wollen wissen, durch welche Orte in
Frankreich wir noch laufen werden. Heh, und bleibt doch bei uns, wir
wohnen gleich dort oben, Essen und Schlafen ist frei.
Hallo,
Jungs, ich hatte heute schon Premiere mit dem Beichtstuhl, ein Joint
muss es nicht auch noch sein.
Morgens
kurz nach 10 sind wir vielleicht eine Handvoll Touristen dort oben.
Wir machen Fotos ohne Ende, schlängeln uns durch uralte Gässchen
und wundern uns wie in diesen steinalten Häuschen mit diesen
winzigen Türchen Menschen wohnen können. Man kann das gar nicht
beschreiben, fast hinter jeder Tür verbirgt sich ein kleines
Atelier, Schmuck, Bilder, Fotos, Eisenbahnen. Wir passen mit den
Rucksäcken gar nicht durch die Türen. Und dann diese alter Kirche,
von der wirklich nur noch die Außenmauern stehen und in deren
Innerem gerade mannshohes Gras gemäht wird. Man kommt aus dem
Staunen und Fotografieren gar nicht mehr heraus.
Nützt
alles nichts, Bordighera heißt unser heutiges Ziel, und jetzt müssen
wir erst einmal nach San Remo. Hierzu geht’s auf der anderen
Bergseite einen halsbrecherischen Pfad hinab, den der deutsche
Alpenverein längst gesperrt hätte. In solchen Momenten verflucht
man die Markierer und die Autoren von Wanderführern.
Während
mein Mann hier überhaupt keine Probleme hat, muss diesmal ich ganz
langsam machen. Er hat Verständnis dafür und vertreibt sich die
Zeit damit, im Müll, der hier zu Genüge am Straßenrand liegt, nach
einer passenden Verlängerung für seinen Bastone (den Wanderstab) zu
suchen. Der Bambusstab, den er in Pietrasante fand, hat sich vom
vielen Asphaltlaufen etwas abgenutzt und muss unten stabilisiert
werden. Gestern fand er einen alten Gartenschlauch, der vom
Durchmesser genau auf den Bastone passte, den sägt er sich mit dem
Taschenmesser zurecht und befestigt alles mit einem Plastikkorken.
Künstler !
San
Remo zieht sich, ist aber schnell durchlaufen, vorm Casino gibt
es einen Stopp, drinnen sitzen vorwiegend Frauen an den
Spielautomaten und zocken.
Das
Eis ist ziemlich teuer und wässrig und Bordighera ist noch weit.
Machte
die Palmenriviera ihrem Namen alle Ehren, kann man das von der
Blumenriviera nicht behaupten. Wenn man von den Bergen hier auf die
Landschaft herunter schaut, sieht man erst einmal Autobahn,
Autobahntunnel, Autobahnbrücken und viele, viel Gewächshäuser,
kommt man näher ist ein großer Teil davon kaputt, verfallen oder es
stehen vertrocknete Blumen darin. Klar haben die Bewohner hübschen
Blumenschmuck in ihren Vorgärten, aber in den Innenstädten und auch
in Strandnähe vermisst man Blumen.
Um
ein Kap abzukürzen, geht es durch einen 2 km langen Tunnel, und der
viele Asphalt schlaucht jetzt, in Bordighera muss man wie immer zum
Schluss nochmals bergauf. Aber, es lohnt sich, Punkt sieben klingeln
wir an der Villa Garnier, ein Ferienhaus der Josephsschwestern. Und
es ist wirklich eine Villa, erbaut vom französischen Achitekten
Charles Garnier, mit einem herrlichen Garten, den wir nach dem
Abendessen im Schnelldurchlauf besichtigen. Mit zahlreichen
Palmenarten und Pflanzen aus aller Welt. Suore Angela zeigt uns das
hübsche moderne Zimmer und wir bekommen in einer halben Stunde
Abendessen.
Die
Verständigung mit Englisch klappt hier nicht mehr. Wir werden jetzt
wieder französisch lernen müssen, denn bei der nächsten Etappe
geht’s hinüber nach Menton.
Aber
bis dahin müssen Zähne, Rücken, Hüften, Füße gerichtet und
gepflegt, Eindrücke und Erlebtes verarbeitet werden, wir gesund
nach hause kommen und unsere gute Laune behalten
Bis
dann !
Erkenntnis
des Tages:
„ Ligurien
ist eine zweite Reise wert !“
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