Hostel Pisa 60,-
Ich sag nur Murphys Gesetz – nicht dass unser ursprünglich
19.55 Uhr startende Flug vor zwei Tagen von Ryan Air um eine und eine halbe
Stunde nach hinten verschoben wurde, weil Bauarbeiten an der Landebahn in Pisa
das nötig machten; der verspätete Flug hatte dann nochmals eine knappe Stunde Verspätung.
Wir überlegen allen Ernstes, ob wir die 4 Stunden bis zur
Abfahrt des Zuges dann nicht auf dem Flughafen oder dem Bahnhof in Pisa
verbringen sollten anstatt 60,- Euro fürs gebuchte Zimmer in der Jugendherberge
zu zahlen.
Im Flughafengebäude ist es zu laut, im Bahnhof, na sagen
wir mal, uns etwas zu unwürdig. Und schließlich sind wir nun auch nicht mehr
die Jüngsten, also wird es eine kurze Nacht im Hostel und ich schlafe wegen der
Aufregung und der gut und laut funktionierenden Klimaanlage kaum.
Schließlich läuft dann zunächst alles nach Plan. 5.19 Uhr geht der Zug nach Siena mit Umsteigen
in Empoli. Der ist pünktlich und wir haben in Siena noch gute zwanzig Minuten,
um die Busticket zu lösen und den Bussteig zu finden.
Ich muss hinzufügen, dass ich vor zwei Monaten meine
Schilddrüse loswurde und meine Stimme noch etwas kratzig klingt, mein Mann nun
also einen glaubwürdigen Vorwand hat, mich nicht zu verstehen.
Während ich also mal für kleine Mädchen muss, soll er heraus
kriegen, wo der Bus abfährt. Wohlgemerkt, der Bus, nicht der Zug.
Zurück vom Klo, nehme ich also wieder das Ruder in die
Hand, die Zeit wird knapp, wir stürzen uns also in das allmorgendliche Gewusel
von Schulbussen und Massen von Jugendlichen auf dem Bahnhofsvorplatz. Selbst
die einzelnen Busfahrer wissen nicht, wo denn dieser Bus nach Buonconvento abfährt.
Und als wir schließlich die Haltestelle finden, ist dieser längst weg. Da ist
guter Rat zwar nicht teuer, denn zwei Stunden später geht der nächste, wohl
aber der erste Zoff angesagt. Ich kann Schweigen.
10.50 Uhr sitzen wir dann im Bus nach Bounconvento - denn hier hatten wir ja im letzten Abschnitt unsere
Pilgertour beendet und hier soll es heuer wieder losgehen – auf getrennten
Sitzen.
Nach einer knappen Stunde sind wir am Ziel, dass heißt 20
km Fußmarsch liegen jetzt noch vor uns.
War das morgendliche Siena noch nebelverhüllt, empfängt
und das mittägliche Buonconvento mit strahlende Sonnenschein und schnell kommt
Sonnenschutzfaktor 30 zum Einsatz.
Durch die hübsche Fußgängerzone verlassen wir das Städtchen,
durqueren ein kleines Industriegebiet und nehmen die Straße, denn Reinhard hat
Recht, wozu einen Hügel hinauf und wieder hinab steigen, um kurz darauf wieder
auf der Straße zu laufen.
Außerdem haben wir zwei Stunden verloren. Gut und gerne
könnten wir jetzt schon in Torrenieri sein. Ich lege vor, er legt nach, ohne
Pause ziehen wir 10 km leicht aber beständig bergauf. Ein uns entgegenkommender
Pilger wird nur gegrüßt, zum Schwatz bleibt keine Zeit und mich hört ja eh
keiner. Dem jungen Mann scheint es ähnlich zu gehen.
Nach zwei Stunden haben wir erschöpft Torrenieri
erreicht, es ist um zwei. Alimentari und Bar machen Siesta, das hübsche
Restaurant am Ortsausgang bietet Mittagstisch an. Selbstverständlich reden wir
wieder miteinander und haben auch gelernt, uns eine ausgiebige Mittagspause zu
gönnen. Tortellini, Riboleta und Salat rücken den Haussegen wieder gerade.
Eigentlich sind zwanzig km für den ersten Tag für mich zu
viel, zumal wir ja nun auch erst gegen Mittag los gelaufen sind. Aber das
Muttchen am Telefon in Torrenieri hat mir, so meinte ich, zu verstehen gegeben,
dass hier keine Unterkunft mehr angeboten würde oder man schon geschlossen
haben, wir sollten weiter ziehen nach San Ouirico de Orcia, weitere zehn km.
Das tun wir dann auch und nehmen die im Wanderführer
beschriebene Straße, wieder stetig bergauf. Wir genießen die Ruhe, wundern uns,
dass uns lediglich zwei schwatzende Rennradlerinnen entgegen kommen und können
langsam alles sacken lassen.
Die Felder rechts und links sind abgeerntet, die Scholle
akkurat gepflügt und im Sonnenlicht nimmt sie verschiedene Umbratöne an. Alles
wirkt friedlich und bodenständig, wird durchsetzt von den noch grünen
Weinbergen und während ich so meinen Gedanken nachhänge, verkostet mein
Göttergate die Beerenauslese am Wegesrand, entdeckt Fenchel, Majoran und
Pfefferminze, der Straßengraben rechts und links entpuppt sich als ein einziger
Kräutergarten und immer noch ist die zweispurige Straße gespenstisch
verkehrsfrei.
Etwa zwei km vor San Quiricio entpuppt sich dann „des
Pudels Kern“ in Form einer Straßensperre. Der Asphalt ist hier einige Meter
aufgerissen und die Straße hat sich gesenkt. Gestern Morgen hatte ich mir
nochmal Reinhards Blog zum heutigen Tag durchgelesen. Bereits Anfang Juli war
hier gesperrt und was auch immer das hiesige Straßenbauamt veranlasst, bis dato
keine Reparatur vorgenommen zu haben, den Pilger freut`s wahrscheinlich auch
noch im nächsten Jahr.
Kurz bevor wir schließlich unser heutiges Etappenziel
erreichen, werden wir mal wieder nass.
Die Herberge ist schnell gefunden und von so viel Pilgern
bevölkert wie wir sie bisher auf der Via Francigena nicht auf einem Fleck
erlebt und zu dieser Jahreszeit auch nicht vermutet haben.
Das Zimmer in der oberen Etage wird bewohnt von vier
deutschen Pilgerinnen und wir werden von Anna, der Haushälterin, ins untere größere Zimmer verwiesen. Von den
sechs Doppelstockbetten sind die fünf unteren belegt von zwei französischen
Ehepaaren und einer Schweizerin. Ich beschlagnahme schnell das sechste und
meinem lieben Mann bleibt nichts weiter übrig, als oben zu schlafen.
Ein kurzer Streifzug durchs hübsche Städtchen folgt nach
dem Duschen, ein Zwischenstopp in der Gelateria und hurra, die Pharmacia können
wir getrost liegen lassen, obwohl ich
heute Hüfte habe. Bin wahrscheinlich die Strecke doch zu schnell angegangen,
morgen kommen die Stöcke zum Einsatz und es wird umgeschichtet.
Ich weiß auch nicht was mich geritten hat, den Marco Polo
für Rom samt Straßenkarten und die Gebrauchsanweisung für den Vatikan
einzupacken.
Die halbe Bibliothek, das First-Aid-Kit und die drei
Tüten Studentenfutter wechseln den Rucksack, das ist das Gute daran, wenn man
als Paar zusammen wandert. Außerdem hab ich Hüfte und keine Stimme.
Während die anderen zum Pizzaessen aufbrechen, nutzen wir die
kleine Küche und liegen um acht in den Schlafsäcken, denn wir haben viel Schlaf
nachzuholen.
Erkenntnis des Tages: Auch schlaflose Jammertäler müssen durchwandert werden.
Es geht wieder los !
Start in Buonconvento
weiter auf der Via Cassia
Ortseingang Torrenieri - 13. Station Sigerics
Toscana im Spätsommer
leckere Weinbeeren am Wegesrand
Strada chiuso !
6-Stockbett-Zimmer in San Quirico
Na endlich !!!!
AntwortenLöschenIch sitze vor dem Rechner und denke ...na heute muß doch Kerstin was schreiben. Siehe da, heute Eintrag Nr. 1.
Jetzt lese ich erst mal und schaue Bilder...
So, alles gelesen, mehrfach geschmunzelt, Bilder geschaut, natürlich auch Tagesfilm.
Jetzt bin ich beruhigt und kann Kerstin nur gute Besserung für die Stimme wünschen.
Ihr lieben Pilgerfreunde. Laßt es Euch gut gehen und paßt höllisch auf Euch auf. Keine Blasen und gutes Wetter mit megaguter Laune.
Ganz liebe Grüße von der Alke-Brigitte