05.09. 2024, St. Gilles-Vauvert 24 km
Die Nacht bei Florence war nach dem ausgiebigen Abendessen ruhig und es regnete. Am Morgen gibt’s das übliche französische Frühstück. Heute wird es weder eine Einkehr – noch Einkaufsmöglichkeit geben, auch keine Stierweiden. Man läuft einfach nur. Schnell ist der kleine Ort verlassen und man pilgert an Obstplantagen mit Kirsch-,Pfirsich- und Aprikosenbäumen, die allerdings bereits abgeerntet sind, entlang.
Vor uns bemerke ich drei große Rucksäcke mit großen weißen Muscheln über sechs strammen Waden. Als die Männer aus dem Blickfeld verschwinden überholt uns ein Trupp Pariser, wir nennen sie Edelpilger, mit leichten Tagesrucksäcken, deren Gepäck im Auto transportiert und sie am Zielort abgeholt werden. Wir plaudern ein bißchen, die Frauen sprühen sich gegenseitig mit Mückenschutz ein und für mich ist es tröstlich zu sehen, dass auch sie ziemlich gepiesakt wurden. Über den heutigen Weg kann man nur sagen, dass er unattraktiv, langweilig und sowas von pilgerunfreundlich ist. Gerade bei diesen Temperaturen.
Wir hangeln uns von Schatten zu Schatten, so welcher da ist, immer auf der Suche nach einem Plätzchen zum Ausruhen. Ein Weingut ist verriegelt, an einem Pferdegestüt stürmen Hunde auf uns zu. Blickt man nach vorn sieht man den gleichen Weg wie beim Blick zurück, staubige lange Wege. Selbst das Wegstück am Kanal entlang ist eintönig. Uns kommt ein junges Paar mit schweren Rucksäcken, an denen Kochgeschirr baumelt, entgegen, die Frau läuft barfuß und erinnert meinen Mann ein bißchen an die Besitzerin eines Souvenirladens bei uns im Ort, namens „Grüner Elefant“, die läuft auch immer barfüßig herum und manchmal ein bissel verpeilt. Wir grüßen nur kurz, offensichtlich suchen die beiden zwischen den Weinbergen ein Platz fürs Zelt. Wir hingegen suchen beim Überqueren eine Landstraße vergeblich eine Bushaltestelle. Also weiter, und ab jetzt leicht bergauf. An einem ziemlich runter gekommenem Bauernhof gestattet uns der Bauer, auf den Plastikstühlen vor seinem Haus auszuruhen. Essen packen wir nicht aus, noch schmuddeliger geht’s nicht, ich setze mich nur auf die Stuhlkante und wir bleiben auch nicht lange, nur mal im Schatten ein bißchen sitzen. Vorm Gehöft steht eine aus verrostetem Stahl geschmiedete mannshohe Pilgerfigur, aber keine Bank.
Unser Wasser wird mal wieder knapp und während ich aus den Untiefen des Rucksacks meine heimliche Portion Dextroenergen Traubenzucker hervorkrame, füllt mein Mann an jedem Weinstock, und wir kommen heute an unendlich vielen vorbei, seinen Zuckerspiegel mit natürlichem Traubenzucker auf, immer noch auf der Suche nach dem perfekten Muskateller. Irgendwann überholen uns die Strammen Waden und wir können uns gar nicht erklären, wo die herkommen, meinten wir sie doch vor uns. Für eine gelegentliche Kommunikation, wenn auch in einem Kauderwelsch verschiedener Sprachen, bin ich eigentlich immer gern zu haben, heute aber nicht, zu warm, zu heiß, mental zu weit unten, halb verdurstet. Die letzten km schleppen wir uns mehr oder weniger durch einen Hohlweg in den Ort. Auch hier grüßt wieder so ein rostiger Pilger am Ortseingang. Und es gibt zwei Bänke !
Gefühlt eine Stunde sitzen und liegen wir auf den Bänken, mein Mann klingelt am ersten Haus und besorgt Wasser. Ein weiteres Paar, ein großer kräftiger Mann und eine zierliche Frau, kommt mit Rucksäcken an, ebenfalls ziemlich verschwitzt. Und wieder einmal können wir uns nicht erklären, woher die beiden auftauchen. Sie gehen allerdings weiter und auch wir nehmen das letzte Stück nach Vauvert unter die Füße, lassen in der ersten Bar in einer kleinen Gasse Cola und Wasser in uns hinein laufen und suchen die heutige Unterkunft. Ich sollte eine halbe Stunde vor Ankunft beim Besitzer anrufen, das war mir aber egal und außerdem wollten wir uns das Objekt erstmal von außen betrachten. Als ich mich telefonisch melde, schimpft er ein bißchen, auch das ist uns egal und wir sehen es locker, setzen uns noch eine Stunde in die nächste Bar, finden das Örtchen jetzt gar nicht mal so schlecht und genießen jeder ein Panache.
Richard verspricht, in einer Stunde aus Nimes, wo er arbeitet, da zu sein und ist pünktlich. Er hat in seinem Haus einige Gästezimmer, die er zu einem Pilgersonderpreis anbietet. Wir freuen uns über das bequeme Doppelzimmer mit eigenem Bad, mein Mann geht einkaufen und im Hof, der mit Gartentische ausgestattet ist, können wir essen und blog schreiben und den Tag Revue passieren lassen und viel trinken.
Erkenntnis des Tages: Nicht alle Pilgertage sind gleich!
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