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05.05. von Cassio – Berceto – Ostello della Cisa, 20 km,
Ostello Cassio, 16,- € Ü, p.P.
Die ganze Nacht über lief der Katalytofen, wir schliefen
aber tief und fest und kurz nach sechs heißt es Aufstehen. Schnell sind die
Rucksäcke gepackt und wir machen uns Frühstück. Der Wirt, Andrea, wohnt nicht
im Haus, die Pilger können schalten und walten und Kühlschrank und
Gefrierschrank sind übervoll. So etwas habe ich bisher auch noch nicht erlebt,
man kann sich nehmen, was man braucht und tut dann seine Offerte in ein kleines
Schweinchen.
Den Gasherd hat mir Andrea gestern erklärt, obwohl wir
uns fürs Abendessen dann doch gemeinsam
mit Christian für die gegenüberliegende
Pizzeria entschieden, wir brauchten den Wifi-Code und es gab einen Kamin.
Gern hätten wir dann auch noch mehr Fotos eingestellt,
aber als wir dann feststellten das die Bar eine Karaokebar ist und der Wirt aus
vollem Hals italienische Schlager mitsang und seine Frau dann auch noch mit
einfiel, flohen wir.
Saßen dann noch eine Weile mit dem Bremer Pilgerpaar
zusammen. Nein, ich nenne sie mal jetzt nicht Schnabbel und Gerd, so schlimm war´s
nicht. Sie war ja wieder sehr gesprächig und er brachte kein Wort heraus. Mir
klingen immer noch seine, wie ich fand, etwas arroganten Worte in den Ohren,
als wir von der Furthen-Durchwatung berichteten „ Es gibt immer eine Straße.“
Das war aber auch das Einzigste, was ich in den beiden Tagen von ihm zu hören
bekam.
Jedenfalls machen wir heißes Wasser für Tee und ich decke
im Garten den Tisch.
Sie kommen dann auch noch hinzu, starten aber vor uns.
Christian steht gerade auf als wir los wollen. Er ist schnell und holt uns bald
ein.
Es ist super Wetter, strahlend blauer Himmel, Sonne und
wir sind allein.
Die Organisatoren haben ab Fornovo am Weg so eine Art
kleine weiße Meilensteine aufgestellt, in welche eine Terracottaplatte mit
einem Pilgermännchen eingelassen wurde. Das sieht sehr hübsch aus und weist
einem den Weg. Traurig aber ist es, dass an fast jedem zweiten Stein die
Platten herausgebrochen wurden und man deutliche Spuren des Rowdytums erkennen
kann.
In Castellonchio machen wir Pause an einer Quelle. Bisher
sind wir die SS 62 gegangen, da sie nun aber große Bögen macht, ist eine
Abkürzung ausgeschildert, die wir nehmen, keine 50 m hin, entwickelt die sich
aber zu einem hässlichen Matschweg, tiefe Pfützen und rechts und links Dornengestrüpp,
ein paar mal waten wir durch den Schlamm, dann bleiben meine Stöcke drin
stecken und reiße mir einen Teller am Wanderstock ab. Wir kriechen durch den
Dornenbusch, umdrehen wollen wir nicht, gehen über eine Wiese und erreichen
kurz darauf wieder die Straße. Ab hier führt ein Wegweiser auf einen Hügel
hinauf und in der Annahme, wir kürzen eine große Straßenschleife ab, stehen wir
unverhofft auf dem Monte Marino (998m). Hatte man auf dem ganzen Weg ab Cassio
bereits einen super Blick auf die Berge, die Wiesen, die kleine Dörfer, kann
man es von hier oben erst recht genießen. Es ist wunderschön hier oben. Wir
blicken auf eine über und über mit Gänseblümchen bestückte Wiese, gespickt mit
lila und pinken Zwergorchideen.
Die Idylle wir jäh unterbrochen als zwei Eurofighter mit
ohrenbetäubenden Lärm durchs Tal jagen.
Wir können es nicht fassen, die fliegen so tief, dass sie unter uns sind.
Der Abstieg ist völlig unkompliziert und wir wechseln
zwischen Straße und Wanderweg hin und her. Sind die Wege zu verschlammt, geht es
auf der Straße lang, macht diese große Schleifen, wird mittels Wanderweg
abgekürzt.
Den nehmen wir dann auch kurz vor Berceto und gelangen an
eine Pferdekoppel vorbei ins Städtchen. Daher können wir auch kein Foto vom Ortseingangsschild
machen, welches auf den berühmten Sohn dieser Stadt, Enzo Ferrari, hinweist.
Am Brunnen in Berceto füllen wir unsere Wasserflaschen
auf, er spendet übrigens kohlensäurehaltiges Wasser, die Einheimischen kommen
mit ihren Sprudelkästen hier her und versorgen sich mit dem köstlichen Nass.
Mit Entsetzen stelle ich fest, dass mein kleiner
Bernhardiner, ein Kuscheltier, das ich mir am Großen Sant Bernard gekauft hatte
und das ich fein säuberlich in einem Plastikbeutel, damit er nicht schmutzig
wird, am Deckelfach des Rucksacks befestigte, weg war, der Zippbeutel war leer.
Auf dem Foto vom Monte Marino ist er noch zu sehen, also muss ich ihn zwischen
dem Gipfel und Berceto verloren haben. Vielleicht auf den letzten Metern. Ich
laufe nochmal bis hinter die Pferdekoppel. Nichts.
Als ich zurückkomme, sitzen in der Bar die Bremer, sie
werden jetzt mit dem Zug nach Pontremoli fahren. Sie bekommt ihn nicht mehr
dazu, bis zum Ostello zu laufen. Sie nehmen ein paar Stationen mit dem Zug, um pünktlich
in Rom zu sein.
Interessiert mich jetzt nicht sonderlich, ich bin ganz
einfach traurig und werde ganz ruhig. Wir ziehen aus dem Städtchen heraus, der
Himmel zieht zu, wir versuchen so schnell wie möglich ins Ostello zu kommen.
Wanderweg und Straße ziehen sich, und irgendwann, kurz hinter dem km 59
erscheint das rote Gebäude des Ostellos.
Christian ist schon da und Katharina, die Wirten, begrüßt
uns herzlich und führt uns ins warme Gästezimmer. Man hat einen Ofen angeheizt,
der mit dicken Holzscheiten gefüttert wird. Es ist wohlig warm. Nur mir ist
nicht so warm ums Herz.
Ich überlege allen Ernstes, den Ruhetag in Pontremoli zu
nutzen, um nach Berceto zu fahren und den Weg nochmal abzugehen, irgendwo muss
er doch liegen.
Als ich nach dem Duschen meine haare am Ofen trockne,
sehe ich draußen einen Mann vorbei laufen, dem wir in Bercoto an der Schule
hinter der Pferdekoppel begegnet sind, er hat sehr freundlich gegrüßt.
Ich fasse all meinen Mut zusammen, gehe raus und spreche
ihn an. Er erkennt mich auch wieder. Gemeinsam mit zwei Kollegen mäht er hier
oben Rasen und bringt die Außenanlage in Schuss. Ichstottere
deutsch-englisch-italienisch herum, ob er in Berceto wohne und demnächst nach
hause fahre und dass ich einen piccolo dog am zaino (einen kleinen Hund am
Rucksack) hatte und der ist auf dem Weg zwischen Monte Marino und Berceto
verloren gegangen. Vielleicht wäre er so nett und nimmt mich mit hinunter, es
ist ja noch hell und ich könnte nochmal suchen, rauf würde ich dann trampen.
Lange Rede, kurzer Sinn, Fausto, so heißt er, spricht
kein englisch, hat mich aber verstanden, verfrachtet mich ins Auto, will wissen
wie der Hund heißt, „Bernard“ sage ich schnell, er hatte keinen Namen. Während
der 8 km hinunter versuche ich ihm klar zu machen, dass es ein Spielzeug ist.
Fausto ist selbst schon einmal die Via Francigena von Berceto
nach Rom gelaufen und der hiesige Förster, Katharina, die Herbergsmutter, ist
seine Frau.
Wir fahren also langsam die Straße ab und halten beide Ausschau
nach einem kleinen weißen Hund. Dann erkenne ich die Stelle wieder, an welcher
wir vom Weg auf die Straße kamen. Fausto parkt, und wir laufen beide von hier
aus Richtung Monte Marino. Er ist sehr schnell und ich ohne Rucksack plötzlich
auch. Flink wie ein Wiesel bin ich auch über die beiden Absperrungen an den
Weidezäunen geklettert. Hier unten ist es immer noch sehr warm und sonnig. Ich
laufe also ein Stück der Via Francigena, die ich heute schon einmal gegangen
bin, zurück. Ich fasse es nicht.
Dann entdeckt Fausto ein kleinsn Rehkitz, das sich am
Wegesrand ins Gras verkrochen hat. Leider haben wir beide kein Handy dabei, um
ein Foto zu machen.
Jetzt schickt er mich allein weiter, denn er wird sein
Auto holen und zum Berg fahren, ich soll hochsteigen und am Fuße des Monte wird
er auf mich warten.
Ich ziehe also allein gegen den Strom, checke die Fallrichtung,
wo nur könnte er hingepurzelt sein.
Plötzlich, ich kann es selbst noch immer nicht glauben, leuchtet etwas Weißes
genau neben einer großen Pfütze. Nach uns schein niemand hier vorbei gekommen
zu sein. Mir fällt irgendwie ein Stein vom Herzen. Ich greif den kleinen Hund,
putz dem Dreck etwas ab und lauf zur Straße. Hier gehe ich Fausto entgegen und
nach etwa 10 Minuten taucht er mit dem Wagen auf und ich steige ein. Als er das
Kuscheltier sieht, bricht er in schallendes Gelächter aus. Deswegen habe ich so
einen Aufstand gemacht? Auch wenn ich kein italienisch verstehe, verstehe ich
ihn doch. Er lacht, dass ihm die Tränen kommen. Er dachte, ich ginge mit einem
richtigen kleinen weißen Hund namens Bernard auf der Via Francigena und meine Kinder
in Deutschland würden weinen, wenn der Hund weg ist.
In Zukunft, so meint er würde er anregen, im
Souvenirladen am Pass kleine Plüschhunde zu verkaufen.
Jedenfalls bin ich glücklich, den kleine Kerl wieder zu
haben, war er doch ein persönliches Geschenk an mich nach dem Aufstieg zum
großen Sant Bernard und ein treuer Begleiter durchs Aostatal, die Poebene und
den Apennin bis hier hoch.
Im Ostello angekommen stürmt er in die Küche zu seiner
Frau, wir hören ihn immer noch lachen.
Katharina serviert uns Tortellini, Hühnchen und Salat und
da mein Mann immer noch Aspirin Cocktails zu sich nimmt, teilen Christian und
ich uns die Flasche Rotwein.
Plötzlich stürmt Fausto ins Zimmer und zeigt uns auf
seinem Handy ein Foto vom Kitz, er ist doch tatsächlich nochmals hinunter
gefahren, über die Weidzäune geklettert, um nach dem Tier zu sehen. Ich glaube,
dem kleinen Reh wird in seiner Obhut nichts mehr passieren
Wir drei sind die einzigen Gäste heute. Obwohl es wieder
ziemlich kalt im Schlafsaal ist, kann ich gut schlafen.
Morgen geht’s hinunter nach Pontremoli und wir erreichen
die Toskana.
Erkenntnis des Tages: Wer sucht, der findet wieder.
auf dem Pilgerweg
Monte Marino (989m)
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